Das International Council on Clean Transportation ICCT hat festgestellt, dass alleine sechs Flaggenstaaten 52 Prozent der CO2-Emissionen verursachen: Panama, China, Liberia, Marshall Islands, Singapur und Malta. Wie kann man bei internationalen Handelsrouten durch verschiedene Hoheitsgewässer sichergehen, dass sich jeder an die Auflagen hält?
Die IMO spricht von sogenannten marktbasierten Maßnahmen, um die Ziele zu erreichen. Das könnte beispielsweise ein CO2-Aufschlag auf den Kraftstoff sein, der so bemessen ist, dass eine Schadenskompensation erfolgen kann oder ein Förderfond für emissionsarme Technologien entsteht. Wenn man bedenkt, dass Schiffskraftstoffe in der internationalen Schifffahrt sehr billig und steuerfrei sind, wäre solch ein Schritt sinnvoll und angemessen. Werden CO2-Emissionen teuer, wird es einen starken Schub in der Entwicklung alternativer Technologien geben. Solch ein Vorgehen muss jedoch international abgestimmt werden, um Schlupflöcher zu vermeiden. Es ist schwer vorstellbar, dass die Ziele der IMO ohne solch ein Instrument umgesetzt werden können.
Das ICCT konstatiert in seinem „Greenhouse Gas Emissions from Global Shipping Report“, dass der höhere CO2-Ausstoß auch der gestiegenen Fahrtgeschwindigkeit („Speed over Ground“) von großen Öltankern und Frachtern geschuldet ist. Sollte es aus Klimaschutzgründen Tempolimits auf hoher See geben?
Ich sehe eine CO2-Abgabe als intelligentere Maßnahme. Wer schnell fahren will und entsprechend Treibstoff verbraucht sowie Emissionen freisetzt, muss dann dafür extra bezahlen, als Schadenskompensation. Die Umsetzung erscheint auch einfacher als das Kontrollieren von Geschwindigkeiten mit vermutlich jeder Menge Ausnahmeregelungen. Durch den erhöhten Kraftstoffpreis wird sich die Geschwindigkeit der Schiffe von alleine senken.
Neben Hybridantrieben wird vor allem Flüssigerdgas (LNG) zunehmend als Treibstoff eingesetzt. Welche Vor-und Nachteile sehen Sie bei LNG?
Durch die Nutzung von LNG werden vor allem gesundheitsschädliche SOx- und NOx-Emissionen gesenkt. Das kommt insbesondere den Hafen- und Küstenbewohnern zugute. Die Klimabilanz wird nicht entscheidend verbessert, Experten sehen in der gesamten Produktions- und Logistikkette so viel Methanslip, also freigesetztes Methangas, dass der etwa 20prozentige Vorteil in der CO2-Bilanz durch das sehr klimaaktive Methan aufgehoben wird. LNG stellt jedoch eine Verbesserung gegenüber Schweröl und Destillaten dar und ist mittelfristig gut verfügbar.
Nachteilig sind die aufwendige Infrastruktur an Land und die komplexe und teure Tanktechnologie auf den Schiffen. Methan muss auf ca. –160 °C heruntergekühlt werden. Möglicherweise bieten sich noch Alternativen für zukunftsfähige Kraftstoffe. Hier wäre vor allem das flüssige Methanol zu nennen, das nicht die genannten Nachteile aufweist. Bei Verwendung von Methanol wird der Aufwand in die Produktion verlagert, beispielsweise als Syntheseprodukt aus Methan. Die Infrastruktur an Land und auf den Schiffen bedarf kaum Änderungen.
In der Automobilbranche setzen einige Akteure viel Hoffnung in die Brennstoffzelle. Wäre das aus Ihrer Sicht ebenfalls eine sinnvolle Option für die Schifffahrt?
Erste Forschungs- und Entwicklungsprojekte beschäftigen sich bereits mit dem Einsatz von Brennstoffzellen auf Schiffen. Es gibt entscheidende Vorteile gegenüber Verbrennungsmotoren, zum Beispiel im Wirkungsgrad und in der Laufruhe. Die Speicherung großer Energiemengen wäre auch lösbar, Brennstoffzellen können mit Wasserstoff, LNG oder Methanol betrieben werden. Zunächst wäre das eine Lösung für hochwertige Schiffe mit besonderen Anforderungen, beispielsweise Kreuzfahrtschiffe oder Forschungsschiffe. Langfristig könnte die Brennstoffzellentechnologie Verbrennungsmotoren ablösen.
Umweltfreundlich angetriebene Schiffe benötigen eine passende Infrastruktur im Hafen: Beispielsweise genügend Ladeports mit Starkstrom und LNG- bzw. Brennstoffzellen-Tankstellen. Auch die Umrüstung der bestehenden Schiffsflotte auf umweltfreundliche Antriebe fordert hohe Investitionen. Wie stark sollte die Politik die Reedereien hierbei finanziell unterstützen?
Vor allem sollte die Technologieentwicklung gefördert werden. Wir brauchen mehr Prototypenerprobungen. In der Erprobungsphase unter Realbedingungen gibt es steile Lernkurven, die für eine breite Einführung notwendig sind. Innovationsfreudige Reedereien sollten hierbei auch unterstützt werden. Es gibt bereits einige Möglichkeiten. In Anbetracht der bevorstehenden Aufgaben sollte hier zugelegt werden. Eine CO2-Abgabe auf fossile Schiffskraftstoffe wäre eine weitere sehr effektive Maßnahme, die den Kostenaufwand auch wirklich dorthin verlagert, wo das Problem entsteht. Neue emissionsfreie Technologien würden hiervon stark profitieren.