Grenzwerte für Luftschadstoffe, die Ausweitung von Emissionskontrollgebieten oder striktere EU-Regulierungen bei gleichzeitig wachsendem Transportbedarf erhöhen den Druck bei der Suche nach technischen Lösungen für eine Schifffahrt, die nachhaltig und wirtschaftlich zugleich ist. Welche Chancen haben verflüssigtes Erdgas (LNG), Batterien oder die Brennstoffzelle?
Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal Ausgabe 06/2018 erschienen.
Aktuell macht schädliches Schweröl rund 70 % des weltweit verwendeten Treibstoffs in Schiffen aus. Das schlagkräftige Argument: Es ist nur etwa halb so teuer wie hochwertiger Schiffsdiesel. Durch die Schwerölverbrennung werden neben Kohlendioxid auch giftige Schwefeloxide, Feinstaub und Rußpartikel freigegeben. Mit 2 % sind die Kohlendioxidemissionen von Kreuzfahrt- und Containerschiffen zwar nur relativ gering, neben anderen Emissionen sind sie aber für 15 % des weltweiten Schwefeloxid-Ausstoßes verantwortlich (siehe Bild 1). Diese fallen insbesondere in den Hafenstädten an.
Bild 1: Kohlendioxidemissionen von Kreuzfahrt- und Containerschiffen sind für 15% des weltweiten Schwefeloxid-Ausstßes verantwortlich (Quelle: embeki / fotolia.com)
Grund genug, zu handeln: Ab 2020 ist nach dem Beschluss der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) nur noch Treibstoff zulässig, der einen Schwefelgehalt von maximal 0,5 % statt wie bisher 3,5 % aufweist. Alternativ müssen die Schiffe, die weiterhin auf Schweröl setzten, die Abgase mithilfe sogenannter Scrubber-Filteranlagen vom Schwefel reinigen. Für einen Einsatz in EU-Häfen liegt ab 2020 der maximale Schwefelgehalt bei 0,1 %, Schweröl wird hier keine Option mehr sein. Dies gilt bereits heute auch für ausgewiesene Emissionskontrollgebiete wie Nord- und Ostsee, in denen eine Schwefelhöchstgrenze von 0,1 % vorgeschrieben ist. Höherwertiges Dieselöl hat sich hier zum Standard entwickelt. Ab 2021 gelten Nord- und Ostsee auch als Emissionskontrollgebiete für Stickoxide (NOx). Für einen Betrieb in Nord- und Ostsee gilt dann der NOx-Tier III Standard. Dieser lässt sich bei der Verwendung von Dieselöl nur einhalten, wenn Abgasnachbehandlungssysteme zum Einsatz kommen oder auf alternative Energiesysteme gesetzt wird.
Echte Alternative: LNG
Die neuen Regelungen begünstigen umweltfreundlichere Antriebsformen. Ein favorisierter Weg in der Schifffahrt ist verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas, kurz: LNG). Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert die Aus- und Umrüstung von Seeschiffen zur Nutzung von LNG als Schiffskraftstoff. Das Programm soll auch die Nachfrage nach LNG steigern, um Anreize zum Aufbau einer LNG-Versorgungsinfrastruktur zu schaffen. Die finanzielle Unterstützung erfolgt im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS), der zentralen Plattform zur Gestaltung der Energiewende im Verkehr.
LNG, das bei unter -160 Grad Celsius gelagert wird, verursacht keinerlei Schwefeloxid-Emissionen (SOx) mehr. Im Vergleich zu Schweröl lassen sich NOx-Emissionen um bis zu 90 % senken, Partikel-Emissionen sogar um 98 %. Als erstes Containerschiff weltweit wurde die rund 150 m lange „Wes Amelie“ der Reederei Wessels im Sommer 2017 auf LNG-Betrieb umgerüstet. Die Kosten in Höhe von rund zehn Millionen Euro übernahm der Bund zu 60 %. Die Investition lohnte sich, denn LNG-betriebene Containerschiffe werden von den Linienreedereien zunehmend nachgefragt (siehe Bild 2).
Bild 2: LNG-betriebene Schiffe werden von den Linienreedereien zunehmend nachgefragt. (Quelle: enanuchit / fotolia.com)
Im Vergleich zu höherwertigem Marinediesel erweisen sich neben den Umweltvorteilen vor allem auch die Bunkerkosten als günstiger; und dieses Delta wird zunehmend größer. Mithilfe der Förderung wird mittel- bis langfristig eine wirtschaftliche Nutzung gewährleistet. Der rund 500 m3 fassende LNG-Tank nimmt auf der„Wes Amelie“ allerdings Containern Platz weg (vgl. Bild 3). Und: Das Bunkern von LNG ist bislang nur vereinzelt möglich und erfolgt derzeit über Trailer mit LNG aus Rotterdam. Künftig ist eine Schiff-zu-Schiff-Betankung vorgesehen, mit welcher sich der logistische Aufwand für die LNG-Versorgung senken lässt. Auch in der Passagierschifffahrt sind die Weichen für Veränderungen gestellt: Nachdem bereits erste RoRo-Fähren mit LNG-Antrieb aus- oder umgerüstet wurden, soll noch 2018 die „AIDAnova“, als erstes vollständig LNG-betriebenes Kreuzfahrtschiff die Fahrt aufnehmen.
Bild 3: Ein LNG-Tank beansprucht ziemlich viel Platz, welcher dann für weitere Container fehlt. (Quelle: Kalyakan / fotolia.com)
Brennstoff mit Perspektive: Methanol
Ein anderer Brennstoff mit Potenzial ist Methanol, so berichtet die Meyer Werft, auf der die „AIDAnova“ gebaut wurde. Ende Mai 2018 präsentierte das Unternehmen aus Papenburg sein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördertes Forschungsprojekt „MethaShip“. In diesem wurde untersucht, ob Methanol als strombasiert erzeugter Brennstoff in der Passagierschifffahrt geeignet ist. Methanol gehört zu den Alkoholen, ist schwerer entflammbar als Benzin und im Gegensatz zu LNG bei Raumtemperatur flüssig. Eine Reduzierung der Emissionen im Vergleich zu Schweröl wird bei Methanol insbesondere dann erreicht, wenn dieses aus erneuerbaren Energien hergestellt wird.
Batterie an Bord
Weg von fossilen Brennstoffen, hin zum Strombetrieb: Mehrere kleine Fähren und Passagierschiffe im Binnen- oder küstennahen Bereich fahren heute schon wirtschaftlich mit Elektroantrieb, weitere befinden sich im Bau (siehe Bild 4). So setzen die Berliner Verkehrsbetriebe seit 2014 inzwischen vier Fährlinien Schiffe ein, die von einem Elektromotor angetrieben werden. Bei ausreichender Sonneneinstrahlung werden die voll barrierefreien Fähren ausschließlich durch Solarenergie angetrieben. Die etwa 18 m langen Katamarane sind bis zu 13 km/h schnell und mit einer Solarfläche von rund 70 m2 ausgestattet. Reicht die Sonnenkraft nicht, kommen für die Fähren Batterien mit einer Kapazität von 72 kW/h zum Einsatz. Diese werden über Nacht aufgeladen.
Der Markt für Binnenschiffe im ÖPNV-Einsatz entwickelt sich aktuell sehr dynamisch auch hervorgerufen durch die Diskussionen um die NOx-Debatte in den Kommunen. Aber auch wenn ein Markt entsteht, von dem unter anderem deutsche Unternehmen profitieren werden, und auch wenn bereits innovative Werften in den Startlöchern stehen: Für größere Schiffe mit langen Fahrstrecken reicht oft die Energiedichte noch nicht aus. Für ein optimiertes Energiemanagement an Bord – etwa über das sogenannte „peak shaving“, dem Zwischenspeichern von Energie zur Effizienzsteigerung von Motoren – werden Batterien bei dieselelektrischen Hybridantrieben zunehmend neben Flüssigkraftstoff eingesetzt. So ist die Batterietechnologie nicht nur für eine rein batterieelektrische Anwendung denkbar, sondern auch für Hybridanwendungen wichtig. Neben der aktuellen dieselelektrischen Anwendung sind auch Hybridanwendungen in Kombination mit den Technologien LNG und Brennstoffzelle möglich.
Bild 4: Kleine Fähren und Passagierschiffe im Binnen- oder küstennahen Bereich fahren bereits wirtschaftlich mit Elektroantrieb und werden über Nacht am Hafen geladen. (Quelle: goncharovaia / fotolia.com)
Brennstoffzellen
Die spürbare Steigerung der Energieeffizienz bei gleichzeitig vollständiger Reduzierung von CO2-Emissionen wird zukünftig durch eine andere Schlüsseltechnologie möglich sein: durch die Energieumwandlung regenerativ erzeugter Kraftstoffe in Brennstoffzellen. Auf der Straße und in Heizungskellern von Einfamilienhäusern sind Brennstoffzellen bereits kommerziell im Einsatz. In Schiffen ist die „Fuel Cell“, wie sie auf Englisch heißt, noch ein Novum. Weltweit werden aber bereits einige Prototypen betrieben. Das Grundprinzip: Wasserstoff – auch hergestellt aus anderen Brennstoffen wie Methan, Methanol oder Straßendiesel – wird über eine elektrochemische Reaktion mit Luftsauerstoff genutzt, um elektrische Energie zu erzeugen. Diese wird in Batterien zwischengespeichert und treibt dann Elektromotoren an. Neben den geringen Emissionen, der Laufruhe und der hohen Effizienz bieten Brennstoffzellen die Möglichkeit der dezentralen Anordnung auf dem Schiff – ein Vorteil gegenüber großen, zentral angeordneten Verbrennungsmaschinen und den sehr schweren Batteriepaketen. Mehrere Module lassen sich zu beliebiger Leistungsgröße vernetzen. Darüber hinaus lassen sich Brennstoffzellen auch mit LNG betreiben.
Seit 2006 investiert Deutschland in die Erprobung von Brennstofftechnologien im Alltag. Ein zentrales Leuchtturmvorhaben ist unter dem Namen „e4ships“ ein Zusammenschluss führender deutscher Werften, Reedereien, Brennstoffzellenhersteller, Klassifikationsgesellschaften und Forschungseinrichtungen. Das Projekt-Cluster mit einem Budget von ca. 39 Millionen Euro hat zwischen 2009 und 2016 gezeigt, dass sich Brennstoffzellen zu einer echten Alternative für die spezifischen Bedürfnisse der Schifffahrt entwickeln können. Daher werden die Systeme in der Fortsetzung des Projekt-Clusters „e4ships 2“ zur Marktreife weiterentwickelt.
Zum Einsatz kommen Brennstoffe, die künftig auch in vielen Häfen standardmäßig verfügbar sein werden. Während der Hafenliegezeiten ließen sich dann im ersten Schritt die benötigte Hilfsenergie oder die Energie für den Hotelbetrieb emissionsfrei erzeugen. Der Einsatz von Brennstoffzellen auch für den Antrieb wird in „e4ships“ im Bereich Binnenschiffe erprobt. Für seegängige Schiffe wird dies allerdings noch etwas dauern. Die Versuche im Rahmen von „e4ships“, wie etwa an Bord der Ostseefähre „Mariella“ der Reederei Viking, die zwischen Helsinki und Stockholm verkehrt, haben gezeigt, dass sich die Brennstoffzellentechnologie auch unter maritimen Bedingungen, bei Seegang und in salzhaltiger Luft, sehr gut schlägt.
Schifffahrt im Reinen
Der Weg hin zu einem rundum schadstofffreien Antrieb mag für die internationale Schifffahrt noch lang sein. Die alternativen Technologien dazu sind jedoch bereits verfügbar. Noch bremsen die Kosten eine schnelle Revolution. Und doch: Experten sehen die Chancen für alternative Antriebe in der Schifffahrt wachsen. Schließlich kommen auch die Reedereien am Faktor Umwelt nicht vorbei und werden anfänglich höhere Kosten akzeptieren. Die deutsche maritime Industrie ist technologisch sehr gut aufgestellt und kann schon heute Innovationen und Geschäftsmodelle von morgen schaffen. Für Schiffseigner müssen nun die richtigen Anreize zur Nutzung gesetzt werden. Denn Lerneffekte aus Pilotprojekten im Umgang mit den neuen Energiesystemen sind wichtig, um gleichzeitig Performance und Akzeptanz für die Zukunft zu schaffen. Je breiter deren Marktzugang erfolgt, desto schneller kann die Schifffahrt langfristig emissionsfrei und wirtschaftlich zugleich werden.
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Autor
Dipl.-Ing. Christopher Stanik
Programmmanager Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, Projektleiter Erdgas in der Schifffahrt, NOW GmbH
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Autor
Dipl.-Ing. Erik Schumacher
Bereichsleiter für stationäre Brennstoffzellensysteme mit den Schwerpunkten Hausenergieversorgung, Energieversorgung von Gewerbe und Industrie, sowie Brennstoffzellen in der maritimen Wirtschaft, NOW GmbH
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Autorin
Silke Wilhelm, M.Sc.
Stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Elektromobilität, NOW GmbH
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