Zu einer wirklichen Verkehrswende würde auch gehören, dass die Kunden beispielsweise Carsharing-Angebote mit Elektrofahrzeugen nicht nur als zusätzlichen Service verstehen und trotzdem der abgasträchtige Offroader neben dem Kleinwagen die Auffahrt ziert. Dass das Elektroauto bestenfalls das einzige Familienfahrzeug ist und eben nicht zusätzlich angeschafft wird. Sind die Verbraucher in Deutschland ihres Erachtens dafür bereit?
Für die meisten Verbraucher ist das eigene Auto mit Verbrennungsmotor nach wie vor erste Wahl. Jedoch stelle ich eine langsame, aber kontinuierliche Veränderung fest. Der Besitz eines eigenen Autos ist gerade in großen Städten weniger wichtig als noch vor einigen Jahren. Hier gibt es aber auch eine Vielzahl von Mobilitätsoptionen. Ein eigenes Auto ist hier oft unnötig. Ein guter Nahverkehr ist oftmals die Basis und kann, wie die Zuwachsraten zeigen, durch attraktive Bike oder CarsharingAngebote ergänzt werden. Bis jedoch das Elektroauto flächendeckend vom Zweitzum Erstwagen und im besten Fall alleiniges Fahrzeug wird, dauert es noch ein bisschen. Schaffen die Autohersteller und Betreiber der Ladeinfrastruktur gute und preislich attraktive Angebote und setzt die Politik einen entsprechenden Rahmen, kann im kommenden Jahrzehnt der Wendepunkt kommen.
Wie wichtig ist den privaten Endkunden ein entsprechender Strommix beziehungsweise Strom aus erneuerbaren Energien beim Aufladen der Fahrzeuge?
Dass ein Elektroauto nicht per se umweltfreundlich ist, sondern nur mit regenerativ erzeugtem Strom einen Vorteil bringt, ist mittlerweile bei den meisten angekommen. Einige Ladesäulenbetreiber werben bereits mit nachhaltig erzeugtem Strom. Dies zeigt, dass den Kunden das Thema wichtig ist. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss konsequent vorangetrieben werden, damit auch künftig so viele Autos wie möglich damit geladen werden können. Verstärkt rückt aber auch die Frage nach der Produktion von Elektroautos und vor allem den Batterien in den Fokus. Verbrauchern ist es zunehmend wichtig, dass auch dies möglichst umwelt- und ressourcenschonend passiert.
Wird, wenn die Ladeinfrastruktur so aufgestellt ist, dass sie unter anderem Transparenz und Bedienfreundlichkeit bietet, die Elektromobilität weiter zunehmen? Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie, wenn das eingetreten ist, in welchen Zeiträumen?
Eine nutzerfreundliche öffentliche Ladeinfrastruktur ist wichtig, aber auch nur ein Baustein. Ebenso wichtig ist ein Fahrzeugangebot, bei dem jeder Kunde sein Wunschauto findet. Hinzu kommt ein gut ausgebautes Schnellladenetz an den Bundesfernstraßen oder eine Anpassung des Baurechts, die einen einfacheren Einbau von Wallboxen an einem privaten Tiefgaragenstellplatz ermöglicht. Die Autohersteller haben für die nächsten Jahre eine Modelloffensive angekündigt, was längst überfällig ist. Es muss also auf vielen Ebenen etwas passieren, damit die Elektromobilität durchstartet. Wann der Wendepunkt erreicht ist, an dem Elektroautos zum Massenprodukt werden, lässt sich schwer vorhersagen. Wenn die Anbieterseite die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden berücksichtigt und die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft, wird es mit schnellen Schritten vorangehen.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Kolbe. (khof)
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Interviewpartner
Gregor Kolbe
Referent im Team Mobilität und Reisen, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
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