Verbraucherzentrale: Ladeinfrastruktur in der Kritik

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Eine ausreichende Ladeinfrastruktur ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der Elektromobilität - darin sind sich (fast) alle einig. Trotzdem - oder gerade deshalb - gibt es in diesem Bereich noch viel Optimierungspotenzial. Was muss hier noch getan werden? Wir haben bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nachgefragt.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 01/2019 erschienen.

Vorwort

Ein heiß diskutiertes und leidiges Thema ist nach wie vor die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Proprietäre Systeme mit verschiedenen Zugangsvoraussetzungen oder unterschiedliche und nur mit Aufwand durchschaubare Zahlungssysteme stehen dem Aufschwung der Elektromobilität nach wie vor entgegen. Auf der anderen Seite hat der emissionsfreie Verkehr für die Politik bis auf EU-Ebene hinauf hohe Priorität. Gesetze werden geschnürt, die die Produktion klimaunfreundlicher Fahrzeuge unterbinden sollen, und erst kürzlich wurden Elektrodienstwagen steu­erlich entlastet. Um auch den Baustein, die Ladeinfrastruktur, in diese elektromobile Zukunft zu lenken, haben mehrere Verbände rund um den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein Forderungspapier veröffentlicht, in dem sie auch für die Ladepunkte Vorschläge für ein mögliches Eingreifen des Gesetzgebers äußern. Die eMobilJournal-Redaktion hat bei Gregor Kolbe, Experte für das Thema Mobilität beim vzbv, nachgefragt.

Herr Kolbe, Sie haben Kritik am Zustand der Lade­säulen für Elektrofahrzeuge geäußert und das Bundeswirtschaftsministerium aufgefor­dert, das „Chaos“ an diesen „zu beenden und für faire Preise und Transparenz zu sorgen“. Warum glauben Sie, dass die Politik dafür Ansprechpartner Nummer eins sein muss? Sollten die Betreiber der Ladesäulen nicht selbst in Kooperation miteinander für ge­meinsame Standards und eine Vereinfachung der Nutzung sorgen?

Damit die Elektromobilität aus ihrer Nischenrolle heraus­kommt und wirklich durchstartet, müssen alle Beteiligten ihren Teil leisten. Die Ladesäulenbetreiber sollten von sich aus zusammen­arbeiten und gemeinsa­me, verbraucherfreund­liche Lösungen entwi­ckeln und anbieten. Dies klappt in vielen Berei­ chen gut. Jedoch geht bei der Arbeit an der eigenen Ladeinfrastruktur der Blick für das Große und Ganze teilweise verloren. Der Fokus auf die eigenen Vertragskunden lässt die außen vor, die spontan, also ohne Vertragsbindung laden wollen. Die 12 unterschiedlichen Preismodelle und Zugangsvorausset­zungen, die verschiedenen Roamingnetzwerke und teil­weise verbraucherunfreundlichen Abrechnungen machen es den Elektroautofahrern dabei nicht immer einfach. Statt lokal oder regi­onal muss hier deutschland­ weit und sogar EU‑weit gedacht werden. Sollten die Ladesäulenbetreiber das nicht alleine schaffen, muss die Politik aktiv werden. Das macht sie aber nicht zum Ansprechpartner Nummer eins, son­dern zu einem Korrektiv. In erster Linie sind die Anbieter gefordert, Lösungen für alle Verbraucherinnen und Verbraucher anzubieten.

Was macht es so schwierig, die Ladesäu­lennetzinhaber beziehungsweise ­betreiber dafür an einen Tisch zu bringen? Es sollte ja auch in ihrem Interesse sein, dass sich die Elektromobilität stärker etabliert.

Auf verschiedensten Ebenen, initiiert durch die Politik, aber auch die Betreiber selbst, wird viel miteinander ge­sprochen und sich ausgetauscht. Es gibt eine Vielzahl an Kooperationen zwischen Unternehmen. Dies sind dann aber manchmal Lösungen, die nicht allen Elektroauto­fahrern zur Verfügung stehen. Spontanes Laden ist nach wie vor oft kompliziert oder nicht möglich und wenn doch, dann häufig sehr teuer. Hier sehe ich die Notwen­digkeit eines bundesweiten Ansatzes. Er sollte alle öf­fentlichen Ladesäulen für alle Elektroautofahrer nutzbar macht, und das auf einfache und transparente Art und Weise. Das grundsätzliche Interesse der Ladesäulennetz­inhaber bzw. ‑betreiber, die Elektromobilität zu pushen, ist in jedem Fall da. Die Schaffung von Insellösungen und proprietären Systemen hilft dabei aber nicht.

Unterschiedliche Zugangssysteme sind ein Ärgernis. Zugeparkte Ladesäulen ebenfalls. Unterschiedliche Preismodelle mit oder ohne Zusatzkosten beziehungsweise verschiede­ne Abomodelle erschweren die Auswahl und kosten Zeit, bevor der mündige Kunde seine Entscheidung treffen kann. Möglicherweise unnötig hohe Ladepreise können Kunden abschrecken. Erklären Sie doch bitte, wegen welcher Defizite an den Ladesäulen Sie im Auftrag des Verbrauchers, für dessen Schutz, zwingend tätig werden mussten?

Die Kunden müssen vor dem Ladevorgang abschätzen können, wie viel er kosten wird und was sie als Gegen­wert erhalten. Session‑Fees oder Zeittarife können dies nicht leisten. Es ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie viel Strom das Fahrzeug in einer bestimmten Zeit auf­nehmen kann. Daher sind Preismodelle auf Basis von Kilowattstunden – zumindest für das Normalladen – die einzige Lösung. Zudem stehen Nutzern heute viele La­desäulen gar nicht zur Verfügung, wenn sie nicht ein spezielles Authentifizierungsmedium haben. Ziel muss es sein, dass alle Elektroautofahrer die gesamte öffentliche Ladeinfrastruktur spontan und mittels eines Zugangsme­diums nutzen können. Aber auch die Informationen vor dem Ladevorgang sind für Verbraucher essenziell. Online sollten deswegen nicht nur statische Informationen wie Ort, Preis oder Stromanschluss angeboten werden. Auch dynamische Informationen sind wichtig: zum Beispiel ob die Ladesäule besetzt oder defekt ist, da unnötige An­fahrten so vermieden werden können. Ladesäulenbe­treiber sollten deshalb Echtzeitdaten zu ihren Ladesäulen öffentlich zugänglich zu machen.

Ladesäule Elektroautos

Laut dem Statistikportal Statista existierten in Deutschland Ende des vierten Quartals 2018 rund 12.600 Ladestationen für Elektroautos. (Quelle: rostichep / pixabay.com)


Was wäre politisch beziehungsweise mit Blick auf die Gesetzgebung aus Ihrer Sicht konkret machbar? Wo könnten welche Regeln aus Ihrer Perspektive durchaus auch zeitnah verbind­lich verankert werden?

Das Bundeswirtschaftsministerium hat in einem Rechts­gutachten klargestellt, dass neben wirklichen Flatrates nur die kWh-basierte Abrechnung den Anforderungen der Preisangabenverordnung entspricht. Durch die ver­stärkte Verfügbarkeit eichrechtskonformer Messgeräte müssen die Ladesäulen, die beispielsweise noch nach Zeittarifen abrechnen, umgestellt werden. Dies sollte der Gesetzgeber nun forcieren, da nur die kWh-Abrech­nung transparent und verbraucherfreundlich ist. Bei der Verfügbarkeit von statischen und dynamischen Infor­mationen zu Ladesäulen könnte man sich auch an der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe orientieren.

Bei diesem Ansatz wären die Ladesäulenbetreiber verpflichtet, für alle öffentlichen Ladesäulen Infor­mationen wie Ort, Anschluss, Preis oder Verfügbarkeit in Echtzeit an eine zen­trale Stelle zu übermitteln. Diese berei­tet die Informationen auf und stellt sie beispielsweise App-Betreibern zur Verfü­gung. Wie die Informationen dargestellt würden, obliegt dabei den App-Betrei­bern. Die Verbraucher hätten aber Ge­wissheit, dass die dahinterliegenden Angaben vollständig und korrekt sind. Selbstverständlich müssten auch ältere Ladesäulen mit einbezogen werden, damit die gesamte Ladeinfrastruktur abgebildet wird.

Auf welchen Wegen wurde Ihre Forderung an die Politiker he­rangetragen? Haben Sie schon eine Reaktion auf ihren Forde­rungskatalog erhalten und wenn ja welche?

Die Veröffentlichung unseres Positionspapiers ist sowohl in der Politik als auch bei Ladesäulenbetreibern und Dienstleistern auf reges Interesse gestoßen. Alle eint das Bestreben, die Elektro­mobilität nach vorne zu bringen. Die Ver­braucher spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie müssen mitgenommen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Die grundsätzliche Resonanz ist also positiv. Bei den Ladesäulenbetreibern gibt es in Be­zug auf einzelne Forderungen auch verhaltene Reaktio­nen. Befürchtungen, zu stark regulierend einzugreifen und Geschäftsmodelle zu erschweren, sind schnell da.

Welche weiteren Schritte planen Sie, um Ihren Forderungen das nötige Gewicht zu verleihen?

Der Dialog mit der Politik, aber auch der Anbieter­seite, muss kontinuierlich fortgesetzt werden. Leider ist es so, dass Politiker in der Regel nicht aus eigener Er­fahrung wissen, welche Probleme Elektroautofahrer tagtäglich haben. Hier sehen wir es als unsere Aufgabe an, Erfahrungen und Wissen bereitzustellen und so die Verbraucherseite stärker im politischen Raum zu reprä­sentieren. Beispielsweise ist der vzbv Mitglied in der neu gegründeten Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität und wird dort für eine verbraucherfreundliche Elektro­mobilität eintreten. Gleichzeitig werden wir auf Verbrau­cherbeschwerden reagieren und die Entwicklungen am Markt beobachten. Sollten Anbieter systematisch gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, ist der vzbv als klage­berechtigter Verband befugt, dagegen vorzugehen.

Für Sie als Interessenvertreter der Ver­braucher ist „Elektromobilität ein wichtiger Baustein der Verkehrswende“, die aus der „Nische kommen und verbraucherfreundli­cher werden muss“. Warum sind die privaten Endkunden von der Elektromobilität noch nicht überzeugt?

Dieser Frage sind bereits eine Vielzahl von Untersuchun­gen nachgegangen. In erster Linie werden dort eine lü­ckenhafte Ladeinfrastruktur, eine zu geringe Reichweite und die hohen Kosten der Elektroautos angeführt. Aber auch das nach wie vor gerin­ge Angebot an alltagstaugli­chen Elektroautos für den Durchschnittsfahrer, der sich eben keinen Tesla leisten kann, darf nicht außer Acht gelassen werden. Eigentlich würde das Elektroauto be­reits heute für viele Halter sehr gut passen. Nach einer Erhebung des Karlsruher Instituts für Technologie wer­den Pkw in Deutschland durchschnittlich nur an 13 Tagen im Jahr über 100 Kilometer gefahren. Aber für viele Hal­ter ist eben die Urlaubsreise mit dem Auto die Messlatte. Kann man diesen die Angst nehmen, auch längere Stre­cken problemlos mit einem Elektroauto zurückzulegen, würde das einen enormen Push bedeuten. Staatliche Anreize wie die Kaufprämie oder das steuerfreie Laden beim Arbeitgeber gehen zwar in die richtige Richtung, allein überzeugt man aber damit den Durchschnitts­fahrer nicht.

Elektrofahrzeug Ladeplatz

Trotz Beschilderung: Ausgewiesene Park-bzw. Ladeplätze für E-Fahrzeuge werden immer wieder von Verbrennern blockiert. Ein Ärgernis für viele EV-Fahrer. (Quelle: AKrebs60 / pixabay.com)


Zu einer wirklichen Verkehrswende würde auch gehören, dass die Kunden beispielsweise Carsharing-Angebote mit Elektrofahrzeugen nicht nur als zusätzlichen Service verstehen und trotzdem der abgasträchtige Offroader neben dem Kleinwagen die Auffahrt ziert. Dass das Elektroauto bestenfalls das einzige Familienfahrzeug ist und eben nicht zusätz­lich angeschafft wird. Sind die Verbraucher in Deutschland ihres Erachtens dafür bereit?

Für die meisten Verbraucher ist das eigene Auto mit Ver­brennungsmotor nach wie vor erste Wahl. Jedoch stelle ich eine langsame, aber kontinuierliche Veränderung fest. Der Besitz eines eigenen Autos ist gerade in großen Städten weniger wichtig als noch vor einigen Jahren. Hier gibt es aber auch eine Vielzahl von Mobilitätsopti­onen. Ein eigenes Auto ist hier oft unnötig. Ein guter Nahverkehr ist oftmals die  Basis und kann, wie die Zu­wachsraten zeigen, durch attraktive Bike­ oder Carsharing­Angebote ergänzt wer­den. Bis jedoch das Elektroauto flächendeckend vom Zweit­zum Erstwagen und im besten Fall alleiniges Fahr­zeug wird, dauert es noch ein bisschen. Schaffen die Auto­hersteller und Betreiber der Ladeinfrastruktur gute und preislich attraktive Angebote und setzt die Politik einen entsprechenden Rahmen, kann im kommenden Jahr­zehnt der Wendepunkt kommen.

Wie wichtig ist den privaten Endkunden ein entsprechender Strommix beziehungsweise Strom aus erneuerbaren Energien beim Auf­laden der Fahrzeuge?

Dass ein Elektroauto nicht per se umweltfreundlich ist, sondern nur mit regenerativ erzeugtem Strom einen Vor­teil bringt, ist mittlerweile bei den meisten angekom­men. Einige Ladesäulen­betreiber werben bereits mit nachhaltig erzeugtem Strom. Dies zeigt, dass den Kunden das Thema wichtig ist. Der Ausbau der erneu­erbaren Energien muss konsequent vorangetrieben wer­den, damit auch künftig so viele Autos wie möglich da­mit geladen werden können. Verstärkt rückt aber auch die Frage nach der Produktion von Elektroautos und vor allem den Batterien in den Fokus. Verbrauchern ist es zunehmend wichtig, dass auch dies möglichst umwelt­- und ressourcenschonend passiert.

Wird, wenn die Ladeinfrastruktur so aufge­stellt ist, dass sie unter anderem Transparenz und Bedienfreundlichkeit bietet, die Elektro­mobilität weiter zunehmen? Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie, wenn das einge­treten ist, in welchen Zeiträumen?

Eine nutzerfreundliche öffentliche Ladeinfrastruktur ist wichtig, aber auch nur ein Baustein. Ebenso wichtig ist ein Fahrzeugangebot, bei dem jeder Kunde sein Wunsch­auto findet. Hinzu kommt ein gut ausgebautes Schnell­ladenetz an den Bundesfernstraßen oder eine Anpas­sung des Baurechts, die einen einfacheren Einbau von Wallboxen an einem privaten Tief­garagenstellplatz ermöglicht. Die Autohersteller haben für die nächsten Jahre eine Modelloffen­sive angekündigt, was längst überfällig ist. Es muss also auf vielen Ebenen etwas passieren, damit die Elektromobilität durchstartet. Wann der Wendepunkt erreicht ist, an dem Elektroautos zum Massenprodukt werden, lässt sich schwer vor­hersagen. Wenn die Anbieterseite die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden berücksichtigt und die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft, wird es mit schnellen Schritten voran­gehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Kolbe. (khof)

  • Georg Kolbe Vzbv

    Interviewpartner

    Gregor Kolbe

    Referent im Team Mobilität und Reisen, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

  • Ladeinfrastruktur Kritik Cover

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