Die Elektrifizierung von Autoflotten betrifft nicht nur Gemeinden - auch Carsharing-Anbieter müssen umdenken und E-Autos ins Portfolio aufnehmen. Damit das Geschäftsmodell Aussicht auf Erfolg hat, hat der Bundesverband CarSharing ein Forderungspapier an den Gesetzgeber gestellt. Willi Loose, Initatior des Papiers und ehemaliger Geschäftsführer des Verbands, meint: ohne politische Vorgaben und Korrektive geht es nicht.
Herr Loose, Sie haben Kritik am Zustand der Ladesäulen für Elektrofahrzeuge geäußert und die Regierung dazu aufgefordert, das „Chaos an den Ladesäulen zu beenden“. Können Sie kurz die wichtigsten Punkte nennen, die Sie als Vertreter der Carsharing-Anbieter bemängeln?
Elektromobilität kann seinen Klimavorteil erst dann ausspielen, wenn der Strom an der Ladesäule aus neuen erneuerbaren Energieanlagen kommt. Etliche Carsharing-Anbieter haben an ihren eigenen Ladeinfrastrukturen Verträge mit streng zertifizierten Ökostromanbietern. Solange es noch kein bundesweit funktionierendes Roaming von Ökostromanbietern gibt, verbieten sie das Aufladen von Carsharing-Fahrzeugen an einer x-beliebigen Ladesäule unterwegs beziehungsweise erstatten sie nicht die dort anfallenden Kosten. Deshalb muss es aus unserer Sicht möglich sein, abrechnungstechnisch an jeder öffentlichen Ladesäule den Strom des eigenen zertifizierten Ökostromanbieters „laden“ zu können beziehungsweise angerechnet zu bekommen. Dies ist heute jedoch noch nicht flächendeckend möglich.
Zum anderen zeigen manche Apps zwar an, welche Ladesäulen mit der elektronischen Ladekarte des „Heimatanbieters“ genutzt werden können, jedoch fehlt in der Anzeige meist der Hinweis, ob die ausgewählte Ladesäule bei einer längeren Fahrt auch zum vermute- ten Ankunftszeitpunkt frei und damit nutzbar ist. Dies wäre jedoch die Voraussetzung dafür, dass Kunden auch längere Fahrten mit den Elektrofahrzeugen ihres Carsharing-Anbieters unternehmen können. Damit verbunden ist auch die zeitliche Kalkulation einer längeren Fahrt, die für die Einschätzung der notwendigen Buchungsdauer notwendig ist. Viele Anbieter gestatten es aus den geschilderten Gründen heute nicht, dass nicht speziell geschulte Carsharing-Kunden längere Fahrten mit der Notwendigkeit einer externen Nachladung unternehmen.
Warum glauben Sie, dass die Politik dafür Ansprechpartner Nummer eins sein muss? Sollten nicht die Anbieter und Betreiber der Ladesäulen selbst in Kooperation miteinander für gemeinsame Standards und eine Vereinfachung der Nutzung sorgen?
Zum einen hat die Politik selbst ein Ziel ausgegeben, wie viele neue Elektrofahrzeuge zu bestimmten Zeitpunkten in Deutschland in Betrieb genommen werden sollen. Damit verbunden ist die Aufgabe, dass der Verkehr endlich seinen Anteil zu den Klimazielen beiträgt. Dann muss die Politik durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen auch Sorge dafür tragen, dass dieses Ziel (beziehungsweise diese Ziele) auch erreicht werden.
Zum anderen zeigen viele Bereiche der Verbraucherpolitik, dass ohne politische (Normungs-)Vorgaben sinnvolle Umweltziele durch freiwillige Vereinbarungen der Industrie und Hersteller beziehungsweise Dienstleister alleine nicht erreicht werden.
Bild 1: Noch ist die Eröffnung von E-Carsharing-Stationen durchaus eine solche Besonderheit, dass manchmal politische Prominenz zugegen ist, wie hier Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund in Jena. Dort wurden im Januar dieses Jahres bei der Stadtverwaltung zwei Elektrokleinwagen des Anbieters teilAuto installiert, die für städtische Dienstfahrten genutzt werden können. (Quelle: teilAuto.net)
Warum ist es Ihnen als Vertreter des Bundeserbands CarSharing so wichtig, dass bei der Ladesäulentechnik nachgebessert wird? Wie viel Prozent Ihrer Fuhrparks sind denn schon elektrisch, und wie wird sich aus Ihrer Sicht die Verbreitung der Elektroautos im Mietangebot entwickeln?
Neun Prozent aller Carsharing-Fahrzeuge waren im Jahr 2018 batterieelektrische Fahrzeuge oder Plug-in-Hybride. Das war um den Faktor 50 besser als der Bestand in der nationalen Pkw-Flotte. Gerne würden unsere Mitglieder mehr Elektrofahrzeuge in ihre Flotten nehmen, wenn ihre Kunden die Elektrofahrzeuge besser auslasten würden und damit die Wirtschaftlichkeit der Elektrofahrzeuge sichergestellt wäre.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Kunden Ihrer Mitglieder, den „Automietern“, zum Umgang mit den Ladesäulen? Wie gestaltet sich der Austausch darüber?
Ein Grund für die geringere Auslastung der Elektrofahrzeuge gegenüber herkömmlich motorisierten Fahrzeugen an den gleichenStandorten ist die Unsicherheit der Kunden im Umgang mit der Ladeinfrastruktur. Die wird von Carsharing-Kunden schlechter bewertet als die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge selbst. Auch müssen die Kunden stationsbasierter Angebote die Elektrofahrzeuge nach jeder Buchung wieder an die Ladesäule an der Ausgangsstation anschließen. Dadurch haben sie nach jeder Fahrt die Unbequemlichkeit des Ladevorgangs und die mögliche Verschmutzung durch auf dem Boden liegende Ladekabel an der dem Wetter ausgesetzten Station im Freien zu ertragen.
Bild 2: Das Carsharing-Unternehmen der BMW Group DriveNow meldete kürzlich mit Blick auf eine selbst durchgeführte Kundenumfrage, dass 77 % der Carsharing-Kunden bevorzugt elektrisch unterwegs sein wollen, beispielsweise in den oben abgebildeten BMW i3. (Quelle: DriveNow)
Könnte ein Teil der Ursache des offensichtlichen Problems für die Verbraucher auch sein, dass diese noch nicht ausreichend über den Umgang mit der Ladetechnik informiert sind?
Carsharing-Kunden leihen sich die Fahrzeuge ihres Anbieters relativ selten aus. Dadurch ist eine Routine mit neuen Fahrzeugantrieben und den Umständen des Ladevorgangs schwer herzustellen. Dies ist anders als bei privaten Elektroautohaltern oder Menschen, die Elektrofahrzeuge häufig in ihrem Unternehmen nutzen. Deshalb müssen Carsharing-Anbieter ihre Kunden wesentlich mehr schulen und ihnen mehr Informationen geben als dies bei anderen Elektroautonutzern der Fall ist. Eine einmalige Basisinformation reicht häufig nicht aus. Dazu sind Carsharing-Anbieter im Betriebsalltag in der Regel aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage.
Umgekehrt stellen Elektroautos im Carsharing nicht bloß die Umstellung eines weniger umweltfreundlichen Fahrzeugantriebs auf einen etwas besseren Antrieb dar. Die mit der Carsharing-Teilnahme (vor allem im stationsbasierten Carsharing) verbundene Verhaltensänderungder Nutzer bringt auch weitere Umweltvorteile mit sich. Stationsbasierte Carsharing-Nutzer schaffen häufig eigene Pkw im Haushalt ab, fahren dann weniger Auto. Sie haben deutlich geringere Fahrleistungen in irgendwelchen Autos (einschließlich den Carsharing-Fahrzeugen) als vorher und steigen öfter auf Bus, Bahn und Fahrrad um. Dies bringt auch Flächeneinsparungen im Verkehr, was vor allem in den zugeparkten Städten notwendig ist. Zugespitzt könnte man sagen, dass Elektrofahrzeuge erst im Carsharing-Einsatz ihren vollen Umweltvorteil ausspielen können. Jedoch steht dem bislang die fehlende Wirtschaftlichkeit dieser Angebote entgegen.
Tabelle: Spezifische Stärken und Schwächen von Elektrofahrzeugen in Carsharing-Angeboten im Vergleich zu privaten Haltern und Firmenfuhrparks. Bewertung zwischen ++ = besonders positiver Faktor und −− = besonders negativer Faktor, 0 = neutral (Quelle: Bundesverband Carsharing)
Was wäre politisch beziehungsweise mit Blick auf die Gesetzgebung aus Ihrer Sicht konkret machbar?
Das im September 2017 in Kraft getretene Carsharinggesetz des Bundes (CsgG) sieht unter anderem vor, dass unternehmensspezifisch zugeordnete Carsharing-Stellplätze per Sondernutzung im öffentlichen Straßen-raum genehmigt werden können. Um an diesen Stationen Elektrofahrzeuge aufstellen zu können, muss dort notwendigerweiseeine Ladeinfrastruktur ein-gerichtet werden. Diese müsste dann mindestens mit einem Ladepunkt exklusiv für das Elektrofahrzeug an der Carsharing-Station zur Verfügung stehen, da die Kunden nach der Fahrzeugrückgabe das Elektrofahrzeug an die Ladesäule anschließen müssten.
Die bisherigen Förderprogramme für Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum setzen jedoch voraus, dass die gesamte Ladesäule für die öffentliche Nutzung zur Verfügung steht. Neben der Bereitschaft der Kommunen, an den zugeordneten Carsharing-Stationen eine Ladeinfrastruktur einzurichten, müssten die Förderprogramme des Bundes und der Länder noch die exklusive Nutzung zumindest eines Ladepunktes für das Carsharing-Fahrzeug ermöglichen. Freefloating-Fahrzeuge könnten hingegen an irgendeiner öffentlichen Ladesäule nachgeladen werden, sobald die Batterie einen bestimmten Stand unterschreitet. Das müsste nicht nach jedem Mietvorgang passieren.
Zu einer wirklichen Verkehrswende würde auch gehören, dass die Kunden beispielsweise Carsharing-Angebote mit Elektrofahrzeugen nicht als zusätzlichen Service verstehen und trotz- dem der abgasträchtige Offroader neben dem Kleinwagen die Auffahrt ziert. Wie ist hierbei die aktuelle Situation bezüglich der Nutzung?
Kunden des stationsbasierten Carsharing schaffen in der Mehrzahl eigene Haushalts-Pkw ab und leben in optimal versorgten Stadträumen zu 80 Prozent in autofreien Haushalten. Dasist das Ergebnis unserer aktuellen Studie zu den Nutzern in drei innenstadtnahen Stadtteilen von Frankfurt am Main, Stuttgart und Köln. Insofern trifft die Beschreibung garantiert nicht auf die Kunden unserer Mitglieder zu. Wir verstehen Carsharing als ergänzendes Verkehrsangebot, das die Alltagswege mit Bus, Bahn und Fahrrad ergänzt.
Wie sieht es im urbanen Raum im Vergleich zu ländlichen Gegenden mit Carsharing- Angeboten und speziell E-Carsharing-Angeboten aus? Welche Entwicklungen in welchen Zeiträumen wird es Ihrer Ansicht nach geben?
Da sehe ich keine prinzipiellen Unterschiede zwischen Carsharing-Angeboten in der Großstadt und in kleinen Gemeinden. Kleine Anbieter in ländlichen Räumen senken ihre Kosten oft dadurch, dass sie die Angebote durch ehrenamtliche Arbeit ermöglichen. Die geringere Kundendichte von CarSharing in ländlichen Räumen ist ein eigenes Problem, das jedoch nichts mit dem Fahrzeugantrieb zu tun hat.
Wie wichtig ist den privaten Endkunden ein entsprechender Strommix beziehungsweise Strom aus erneuerbaren Energien beim Aufladen der Fahrzeuge?
Damit die Gleichung „Elektromobilität und Carsharing Hand in Hand“ aufgeht, gehört notwendigerweise ein ausreichend und überall verfügbares, streng zertifiziertes Ökostromangebot. Sonst können die Anbieter ihren Kunden oder Mitgliedern nicht die verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen als Umweltvorteil vermitteln.
Wird, wenn die Ladeinfrastruktur so aufgestellt ist, dass sie unter anderem Transparenz und Bedienfreundlichkeit bietet, die Elektromobilität weiter zunehmen?
Elektrofahrzeuge werden verstärkt Eingang in die Carsharing-Flotten finden, wenn für die Anbieter die Wirtschaftlichkeit dieser Fahrzeuge gesichert ist. Es kann nicht erwartet werden, dass die Anbieter ihre Elektrofahrzeuge über einen längeren Zeitraum durch die anderen Angebote quersubventionieren müssen. Es gehört auch dazu, dass die Nutzer ihre Zurückhaltung bei der Buchung der Fahrzeuge abbauen, was die Auslastung der Fahrzeuge erhöht und die Einnahmeseite stärkt.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Loose. (khof)
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Interviewpartner
Willi Loose
Von 2006 bis 2018 Geschäftsführer des Bundesverbands CarSharing (bcs).
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