Das 2014 gegründete deutsche Start-up Solmove will das Ladeinfrastruktur-Problem auf ganz neue Weise lösen: Mit Solarmodulen sollen Straßen in Solarkraftwerke verwandelt werden und Elektroautos mit Strom versorgen. Wie funktioniert das?
Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 03/2018 erschienen.
1.1. Was sind Solarstraßen?
Konventionelle Photovoltaik (PV) leistet bereits einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung. Das Potenzial der PV hängt allerdings von Größe und Verfügbarkeit geeigneter Flächen ab.
Das Start-up Solmove verfolgt das Ziel, die Stromerzeugung durch PV auch auf horizontale Flächen wie Straßen zu ermöglichen. Dafür entwickelt Gründer Donald Müller-Judex zusammen mit seinem vierköpfigen Team befahrbare PV-Module, die wie ein Teppich horizontal auf dem üblichen Straßenbelag installiert werden können. Statt auf Dächern kann dadurch auch auf Radwegen, Straßen, Plätzen oder Gleisanlagen Strom erneuerbar erzeugt und versiegelte Flächen somit doppelt genutzt werden. Der Belag ist dabei nicht nur rutschfest und bruchfest, sondern besitzt auch eine spezielle Oberfläche, die das schräg einfallende Sonnenlicht optimal für die Stromerzeugung nutzen kann.
In Deutschland gibt es rund 1,4 Milliarden Quadratmeter horizontale Flächen, die für die Installation von liegenden PV-Modulen in Frage kämen [Fraunhofer ISE 2012].
2.2. Die Technik
Solmove entwickelt zwei Produkte für Straßen und Wege: die Gehwegplatte Solwalk und das größere Voltstreet-Modul.Solwalk, eine Gehwegplatte mit 60 x 60 cm großen Modulen (siehe Bild 1), lässt sich auf Gehwege, Radwege und Plätze verlegen, ist befahrbar und kann optional beleuchtet und beheizt werden. Das Produkt soll noch in diesem Jahr erhältlich sein.
Bild 1: Das Solwalk-Modul im Anwendungsbeispiel für eine Garageneinfahrt. (Quelle: Solmove)
Voltstreet ist ein Solar-Modul, das sich besonders für Straßen und große Flächen eignet. Die quadratischen Module haben eine Größe von je 1,2 x 1,2 m, lassen sich mit einem Stecksystem einfach verbinden und können ans Stromnetz oder direkt bei Verbrauchern angeschlossen werden. Die Glasoberfläche der Module ist rutschfest und lenkt das Licht in optimierter Weise auf die Unterseite der Glasfläche.
Das Profil ist dabei so gestaltet, dass Regenwasser gut abfließen kann und dadurch die Selbstreinigung begünstigt wird. Darunter liegen eine PV-Schicht, die Strom erzeugt und gegen mechanische Belastungen und Erschütterungen geschützt ist, eine Unterbauplatte, die eine kraftschlüssige Verbindung zur vorhandenen Fläche darstellt und ein Fasernetz, das alle Bauteile mechanisch und elektrisch verbindet sowie Scherkräfte aufnimmt und die „Fliesen“ im Verbund hält (siehe Bild 2).
Bild 2: Voltstreet eignet sich besonders für Straßen und große Flächen. (Quelle: Solmove)
3.3. Eigenschaften und Funktionen
3.1 Erscheinungsbild
Die grundlegende Gestaltungsidee von Solmove ist ein dezentes und elegantes Anlagenbild. Entsprechend werden technische Komponenten unterirdisch, in Gebäuden oder in Gehäusen installiert, sofern sie nicht der Außenkommunikation dienen. Für Verkehrsteilnehmer werden somit lediglich die solare Oberfläche selbst und gegebenenfalls ein Informationsdisplay wahrgenommen.
Für die Ausstattung von Projektfläche mit einer solaren Straßenoberfläche besteht eine Herausforderung in der Freihaltung der existierenden Schachtdeckel, die eine Verlegung einer durchgängig geschlossenen Solaroberfläche verhindern. Die Schachtdeckel können jedoch durch Aussparungen einzelner Module und gestalterische Übergänge – beispielsweise Auffüllung mit Solmove-Glasfliesen ohne Solarzellen oder Kleinpflaster – problemlos in die Solarfläche integriert werden.
Bild 3: Ein an der Unterseite angebrachtes Gitternetz verbindet die einzelnen Module. (Quelle: Solmove)
3.2 Energieertrag und Wirtschaftlichkeit
Der zu erwartende Energieertrag der Solarstraße kann nicht vorhergesagt, aber anhand umfangreicher Erfahrungswerte aus der Planung und dem Betrieb konventioneller PV-Anlagen zunächst geschätzt werden. Auf Basis der bisher erfolgten Laboruntersuchungen der speziell gestalteten Solmove-Deckgläser wird vorläufig ein jährlicher Energieertrag in Höhe von rund 100 kWh/m2 angenommen.
Der von der Solarstraße regenerativ erzeugte Strom kann beispielsweise in das öffentliche Stromnetz eingespeist und entsprechend den Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) dem Anlagenbetreiber vergütet werden. Alternativ kann der erzeugte Solarstrom auch direkt vor Ort genutzt werden und somit zur Einsparung von Strombezugskosten führen. Je nach Bezugskonditionen liegen die dadurch erzielbaren Einsparungen in einer Größenordnung von schätzungsweise 0,14 – 0,18 Euro/kWh.
3.3 Nutzung und Wartung
Die solare Straßenoberfläche wird die bisherige Nutzung der Verkehrsfläche uneingeschränkt ermöglichen. Dies gilt sowohl für die Höhe als auch die Anzahl der Einzelbelastungen (Achsübergänge) entsprechend der Belastungsklasse der aktuellen Verkehrsfläche.
Im Winter kann im Falle der Realisierung der Heizfunktion der Aufwand für die bisherige Schnee- und Eisbeseitigung entfallen. Das Abstreuen der Fläche mit Granulat wäre nicht erforderlich und nicht zu empfehlen, um den Lichteintrag in die Solarzellen nicht unnötig zu behindern.
Die Deckgläser der Solarstraße werden durch ein spezielles Härtungsverfahren bestmöglich gegenüber mechanischen Einwirkungen geschützt. Vereinzelte Beschädigungen der Deckgläser durch die gewöhnliche Nutzung der Verkehrsfläche können dennoch nicht ausgeschlossen werden und werden von Solmove erwartet. Daher wird Solmove die Solarstraße regelmäßig warten und bei Bedarf instand setzen. Hierfür entwickelt das Unternehmen eine Möglichkeit, die Deckgläser oder möglichst kleinteilige Einheiten der Solarstraße im Falle einer Beschädigung ersetzen zu können, und dabei die Gesamtfunktion der Anlage oder den Verkehrsfluss nur minimal zu beeinträchtigen.
Umfang, Dauer und Kosten der Wartungs- und Instandsetzungsleistungen über die gesetzliche Gewährleistung hinaus werden mit dem Auftraggeber im Rahmen der Vorbereitungsphase gemeinsam abgestimmt.
4.4. Systembeschreibung
Bei der solaren Straßenoberfläche von Solmove handelt es sich grundsätzlich um eine PV-Anlage, die mittels Solarzellen aus Solarstrahlung elektrische Energie erzeugt und als Wechselstrom in ein vorhandenes Stromnetz einspeist. Die flexiblen PV-Module werden jedoch horizontal als befahrbare Verkehrsfläche installiert und sind daher mit herkömmlichen PV-Modulen nicht zu vergleichen.
Die Technologie befindet sich noch in der Entwicklungs- und Testphase. Daher können sich für die technologische Ausprägung des Systems noch Änderungen ergeben.
Komponenten
PV-Modul: Die quadratischen Solmove-Module mit rund 1,2 m Kantenlänge bestehen aus vielen, mit einem Gitternetz flexibel verbundenen Fliesen, in denen eine Solarzelle zwischen zwei Glasscheiben eingebettet und somit vor mechanischer Belastung und Witterung geschützt ist. Materialauswahl, Modulaufbau und Oberflächengestaltung garantieren die Einhaltung aller sicherheitsrelevanter normativer Anforderungen an Straßenoberflächen, zum Beispiel Griffigkeit und mechanische Belastbarkeit. Die Solmove-Module generieren aus Sicherheitsgründen eine Kleinschutzspannung von maximal 30 Volt, die im Falle einer mechanischen Beschädigung und Freilegung elektrischer Kontakte eine Gefährdung durch elektrischen Schlag ausschließt.
Griffigkeit: Die oberen Glasscheiben (Deckgläser) bilden die Kontaktfläche zu Fahrzeugreifen und Schuhsohlen und verfügen zur Sicherstellung der erforderlichen Griffigkeit und Rutschhemmung über eine spezielle Mikro- und Makrotextur. Durch diese Profilierung werden sowohl eine hervorragende Kontaktreibung zwischen Gummi und Glas als auch eine sehr effektive Wasserdrainage erreicht. Das Zusammenspiel beider Faktoren ist zur Erzielung einer hohen Griffigkeit entscheidend und wird mit dem Solmove-Glasprofil erreicht.
Bruchfestigkeit: Durch eine Vorspannung der Glasfliesen wird die Bruch- und Druckfestigkeit optimiert und somit eine dauerhafte mechanische Widerstandsfähigkeit garantiert.
Lichttransmission: Bei den Deckgläsern handelt es sich um hochtransparentes Solarglas. Die speziell entwickelte Oberfläche des Glases sorgt für eine gezielte, effektive Lenkung der Einstrahlung auf die horizontal liegenden Solarzellen und erhöht somit den optischen Wirkungsgrad. Die wesentliche Lichteinkopplung erfolgt dabei über die geometrisch geschützten Seitenflächen des Glasprofils. Ein nutzungsbedingtes partielles Erblinden der Glasoberflächen im Bereich des Reifenkontakts kann die Lichttransmission daher nur geringfügig beeinflussen.
Selbstreinigung: Die Deckgläser sind mit einer photokatalytischen und hydrophoben Beschichtung ausgestattet, die die dauerhafte Anhaftung organischen Materials erheblich reduziert. In Verbindung mit der offenen, wasserableitenden Struktur der Profilierung wirkt dies einer Verschmutzung der Solaroberfläche entgegen und unterstützt den Erhalt der hohen Lichttransmission.
Schichtenverbund: Mit der Auswahl leistungsfähiger Verbindungsmaterialien stellt Solmove sicher, dass die Solarmodule auch unter höchsten mechanischen Belastungen funktionsfähig bleiben, sich nicht von der Straße lösen und ein dauerhaft sicherer Betrieb der Verkehrsfläche gewährleistet ist. Die einzelnen Schichten des Verbundsystems aus Gläsern und Solarzelle sind mit funktionsspezifischen Materialien widerstandsfähig und dauerhaft zusammengefügt (siehe Bild 3). Solmove-Module werden vollflächig mit Spezialkleber auf vorhandene Asphalt- oder Betonoberflächen geklebt.
Solarzellen: Solmove verbaut hocheffiziente monokristalline Solarzellen, um einen höchstmöglichen Stromertrag der solaren Verkehrsfläche zu erzielen. Dies fördert die langfristige Wirtschaftlichkeit des Systems. Die Größe der Solarzellen wird zur Verwendung in den Modulen per Laser passgenau zugeschnitten. Jedes Modul setzt sich aus vier Zellsträngen zusammen, die jeweils an eine der vier Moduldosen angeschlossen sind.
Anschlussdosen: Die Solmove-Module verfügen über eine Anschlussdose an jeder Ecke, in denen die Terminalkontakte je eines Zellstrangs, die Bypassdiode und die Terminals der Sammelkabel untergebracht sind. Je nach Modulausführung werden weitere Komponenten in die Anschlussdose integriert, beispielsweise die Ansteuerung der Modulbeleuchtung. Bei der Montage werden die Module so ausgerichtet, dass die Anschlussdosen benachbarter Module nebeneinanderliegen. Benachbarte Dosen werden mit einem gemeinsamen Deckel verschlossen. So werden die elektrische und mechanische Verbindung der Module in einem Arbeitsgang hergestellt. Dies ermöglicht eine schnelle und zuverlässige Montage ohne Eingriff in die vorhandene Straßenoberfläche.
Zusatzfunktion Beleuchtung: Die Solmove-Module können mit einer integrierten blendfreien LED-Beleuchtung ausgestattet werden (siehe Bild 4). Sie ermöglicht die farbige Illumination der Verkehrsfläche nach individuell gestaltbaren Mustern. Die Technologie ist in einer separaten Installationsebene untergebracht und äußerst robust gegenüber mechanischen Beanspruchungen.
Bild 4: Die PV-Module können mit LED beleuchtet werden. (Quelle: Solmove)
Zusatzfunktion Beheizung: Mit ergänzenden Steuerungs- und Regelungskomponenten (siehe Bild 5) können die Solarzellen bei Bedarf erwärmt werden. Dabei wird Strom in umgekehrter Richtung durch die Solarzellen geleitet. Der Heizstrom kann beispielsweise gespeicherter Solarstrom sein. Die Heizfunktion ermöglicht eine automatisierte Freihaltung der Verkehrsfläche von Schnee und Eis, erhöht somit die Verkehrssicherheit und reduziert die Kosten für Schneeräumung.
Zusatzfunktion induktive Energieübertragung: Die solaren Verkehrsflächen von Solmove können mit Systemen zur induktiven (kabellosen) Energieübertragung kombiniert werden. Dabei besteht sowohl die Möglichkeit, stationäre Ladeplatten zwischen die Solmove-Module zu legen, als auch mittig in der Solarstraße eine Kette von Induktionsschleifen in Spezialbeton zu integrieren, die Elektrofahrzeuge während der Fahrt mit Energie versorgen.
Leistungsumfang: Solmove entwickelt, produziert und vertreibt solare Straßenoberflächen. Projektspezifisch werden auch Anlagenplanung, Baumaßnahmen, Montagearbeiten und Projektmanagement übernommen und je nach Erfordernis an Nachunternehmer beauftragt.
Bild 5:Solwalk kann optional auch beheizt werden. (Quelle: Solmove)
5.5. Markt
Der Bedarf an Strom wächst kontinuierlich und wird durch zwei Trends noch verstärkt. Die Energiewende schafft mit dem Verzicht auf Atomkraft einen großen Bedarf alternativer Stromquellen (16,1 %, etwa 100 TWh, [Quelle: Statistisches Bundesamt 2012]). Der Trend zur Elektromobilität steigert den Bedarf langfristig um zusätzliche 15 % Strom / 92 TWh [Quelle: Agentur erneuerbare Energien 2010].
Die potenzielle Fläche für die horizontale PV-Nutzung wird vom Fraunhofer ISE [Studie 2012] auf rund 1.400 km2 geschätzt. Die potenzielle Dachfläche auf 1.200 m2. In 2012 waren rund 8 % der bebaubaren Dachflächen mit PV-Anlagen bebaut. Bis 2020 soll sich das Stromvolumen aus PV von 25 TWh in 2012 auf 78 TWh quasi verdreifachen (Ziele des Bundes). Bei diesen Prognosen kann davon ausgegangen werden, dass in zwei Jahren (2020) die besten Lagen (1A) bebaut sein werden und nur noch eingeschränkt attraktive Dächer (1B und 1C Lagen) zur Verfügung stehen. Der jährliche Zubau von PV-Modulen von rund 50 Millionen Quadratmeter wird zunehmend auch horizontale Flächen betreffen.
Die ersten Projekte mit Gemeinden zeigen, dass es eine hohe Bereitschaft gibt, wenig genutzte Flächen für die Stromerzeugung zu nutzen. Dazu zählen Parkplätze an Sportstätten, Rad- und Fußwege sowie Anliegerstraßen. Kommunen erkennen in der Solarstraße eine Chance, die Kosten für den Straßenbau zu refinanzieren und gleichzeitig sauberen Strom für die Bürger zu produzieren.
6.6. Anwendbarkeit für Kommunen
Städte und Gemeinden sind Flächenbesitzer und verantwortlich für den Erhalt und weiteren Ausbau. Horizontale PV eignet sich nicht für belastete Verkehrswege und macht nur dort Sinn, wo wenig Schatten auftritt. Trotz dieser Einschränkungen gibt es viele potenzielle Flächen. Dazu gehören Fuß- und Radwege, Plätze, wenig befahrene Straßen und Flachdächer.
Eine herkömmliche Straße kostet Geld, eine Solarstraße dagegen wirft Erträge ab. Im Lebenszyklus von rund 25 Jahren ergibt das ein Plus von rund 200 Euro/m2. Der damit produzierte Strom kann lokal genutzt werden und Verluste durch Stromtransport und (teilweise) Netzentgelt entfallen.
Gemeinden können damit einen Beitrag zur Energiewende leisten und die örtlichen Stadtwerke sowie Energiegenossenschaften stärken. Die Wirtschaft vor Ort kann durch Mitarbeit am Bau und Wartung der Solarflächen beteiligt werden. Im Unterschied zu Dachinstallationen lassen sich mit Solarwegen und -straßen großflächige Kraftwerke errichten. Der gesamte Überzeugungs-, Finanzierungs- und Planungsaufwand muss nur einmal erfolgen und nicht für jeden (meist privaten) Dachbesitzer einzeln.
Perspektivisch werden aus dem Solarstraßennetz ein Stromnetz und auch ein Datennetz, die vorhandene Netze unterstützen können.
7.7. Finanzierung
Solarstraßen sind aus geschäftlicher Perspektive Kraftwerke wie andere Solaranlagen auch. Ein Quadratmeter wird bei Serienproduktion voraussichtlich rund 250 – 350 Euro kosten, später weniger. Die Kosten amortisieren sich nach 12 – 16 Jahren.
Für die Finanzierung und den Betrieb kommen Partnerschaften aus öffentlichen und privaten Institutionen in Frage. Partner können sein: Kommunen, Energieversorger, Netzbetreiber, Stadtwerke, Genossenschaften, Beteiligungsgesellschaften, KfW- und Öko-Banken.
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Autor
Donald Müller-Judex
Gründer und Geschäftsführer der Solmove GmbH.
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