Die Batterieforschung ist ein multidisziplinärer Bereich, in dem unter anderem Chemiker, Physiker und Ingenieure mit einem breiten Spektrum an fachlichen Ausrichtungen arbeiten. Welche besondere Rolle spielt die Analytik hierbei? Warum liefert sie wertvolle Informationen in der Batterieforschung und inwiefern birgt ein mangelndes Bewusstsein über analytische Arbeitsweisen Risiken: ein Fachbeitrag eines Referenten im Vorfeld der eMobilConvention.
Dieser Beitrag ist zuerst im eMobilJournal 02/2019 erschienen.
Routine und Forschung
Die beiden grundlegenden Aufgabenstellungen der Analytik sind es herauszufinden, was in einer Probe enthalten ist und in welcher Menge. Um diese Fragen zu beantworten, stehen dem Analytiker eine Vielzahl von Methoden zur Auswahl. Diese reichen von klassischen nasschemischen Nachweisen im Reagenzglas bis zur Benutzung hochkomplexer technischer Großgeräte (siehe Bild 1). Macht die Anwendung dieser Methoden den Benutzer demnach zu einem Analytiker bzw. zu einem analytischen Chemiker? Nicht zwangsläufig! Das was einen Analytiker auszeichnet, sind zwar zum einen die Routinemessungen, das heißt in der Lage zu sein, mit gängigen Methoden unter kontrollierten Bedingungen verlässliche Ergebnisse zu liefern, aber zum anderen ist es die Forschung. Die Forschung besteht darin, neue Methoden und Möglichkeiten zu entwickeln, um Informationen zu erhalten, welche zuvor nur unter großem Aufwand oder gar nicht zugänglich waren.
Bild 1: Ein typisches Bild aus dem Arbeitsalltag eines analytischen Chemikers. Oft erfordern anspruchsvolle Proben oder komplexe Fragestellungen die Anwendung moderner analytischer Geräte. Hier zu sehen ein Sekundärionen-Massenspektrometer. (Quelle: MEET Batterieforschungszentrum / Judith Kraft)
Worin besteht der Zusammenhang zur Lithium- Ionen-Batterieforschung? Batterien bestehen im Wesentlichen aus Elektroden, Separatoren und Elektrolyten, hermetisch versiegelt in einem Gehäuse. Die Weiterentwicklung dieser Komponenten und der verwendeten Materialien zielt darauf ab, die Eigenschaften der Batterien, wie Energiedichte, Leistungsdichte, Lebensdauer und Sicherheit, zu verbessern. Hierbei ist es entscheidend zu verstehen, auf welche Weise die Materialen untereinander wechselwirken und letztendlich die Eigenschaften der Batterie beeinflussen.
Dies scheint auf den ersten Blick keine besonders anspruchsvolle Aufgabe zu sein, da sowohl der Input in Form der verwendeten Materialien als auch der Output in Form der elektrochemischen Eigenschaften der Batterie bekannt bzw. auf direkte Weise messbar sind. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich allerdings ein deutlich komplexeres Bild.
Chemische und elektrochemische Reaktionen
Sobald die Komponenten während der Fertigung der Batterien in Kontakt miteinander gebracht werden und anschließend während der ersten Lade- und Entladeschritte finden Reaktionen statt, deren Produkte und gegenseitige Wechselwirkungen die Komplexität des Systems deutlich erhöhen. Viele dieser Reaktionen sind nicht zwangsläufig unerwünscht. Sie stellen zwar auf der einen Seite eine Zersetzung der Batteriebestandteile dar, aber auf der anderen Seite sind sie notwendig, um eine langfristige Lade- und Entladefähigkeit der Batteriezelle zu gewährleisten.
Allein von außen, das heißt durch elektrochemische Tests einer Batteriezelle, herauszufinden, wieso und auf welche Weise diese Reaktionen die Eigenschaften der Zelle beeinflussen und warum diese Reaktionen bei der Verwendung bestimmter Materialien nicht ablaufen, ist nahezu unmöglich. Hierzu erfordert es Informationen aus dem Inneren der Zelle. Mithilfe der Analytik lassen sich die Prozesse in einer Batterie aufklären. Es lässt sich feststellen, welche Verbindungen miteinander reagieren, welche Produkte dabei entstehen und welche Auswirkungen diese Reaktionen auf die Eigenschaften der Batterie haben.
Die Wahl der Analysemethode wird hierbei hauptsächlich durch die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Probe und der in ihr enthaltenen Verbindungen sowie durch die konkrete Fragestellung bestimmt (siehe Bild 2). So lassen sich beispielsweise gaschromatographische Techniken verwenden, um die Konzentrationen verdampfbarer Substanzen in einer Probe zu bestimmen. Hiermit konnte in der Vergangenheit unter anderem gezeigt werden, dass Elektrolytadditive bei unterschiedlichen Temperaturen unterschiedlich schnell verbraucht werden und ein vollständiger Verbrauch einen rasanten Kapazitätsschwund der Batteriezelle auslöst [1].
Bild 2: Beispiele typischer Aufgabenfelder der Analytik in der Lithium-Ionen-Batterieforschung. (Darstellung: Dr. Simon Wiemers-Meyer)
Die Herausforderung
Ist die Analytik nur eine Begleiterin der Materialentwicklung oder ein eigenständiger Zweig der Batterieforschung? In der frühen Li- thium-Ionen-Batterieforschung wurde schnell festgestellt, dass innerhalb der Batterien zahlreiche Reaktionen ablaufen. Mithilfe bekannter Techniken und Vorgehensweisen aus der analytischen Chemie konnten viele dieser Reaktionen bestimmt werden. Allerdings kamen diese Methoden schnell an ihre Grenzen.
Eine wesentliche Herausforderung der Lithium-Ionen-Batterien als zu analysierende Systeme besteht in der hohen Reaktivität der potenziell auftretenden Verbindungen. Durch das verschlossene Zellgehäuse ist das Innere vor äußeren Einflüssen, wie Feuchtigkeit, geschützt. Hierdurch kann eine Vielzahl von Reaktionsprodukten entstehen, die sofort hydrolysiert, das heißt zersetzt, würden, sollten sie in Kontakt mit Wasser gebracht werden. Allerdings lässt sich bei vielen gängigen Analysetechniken die absolute Abwesenheit von Wasser kaum gewährleisten.
Hier beginnt die Arbeit eines analytischen Chemikers, um trotz der hohen Reaktivitäten nicht nur bestimmen zu können, welche Verbindungen in der Zelle entstanden sind, sondern auch in welchen Mengen. Durch die stetige Weiterentwicklung analytischer Techniken wurden in der Vergangenheit und werden auch heute noch immer mehr Details über die Abläufe in Lithium- Ionen-Batterien aufgeklärt und teilweise alte Überzeugungen von Grund auf widerlegt.
Irrwege
Dass Veröffentlichungen später widerlegt werden, ist leider keine Seltenheit. Oft ist der Grund dafür, dass Schlüsse gezogen werden, ohne diese durch analytische Messungen abzusichern oder dass zwar Messungen gemacht wurden, aber die Grundlagen der Analytik bezüglich der Belastbarkeit der Ergebnisse ignoriert wurden. Durch Fehlinterpretationen können anschließende Forschungen leicht auf Irrwege geleitet werden. So wurden beispielsweise verschiedene Elektrolytadditive entwickelt, die die thermische Stabilität des Elektrolyten erhöhen sollen oder welche die Fluorwasserstoff, der sich im Elektrolyten bilden kann, unschädlich machen. Im Nachhinein wurde allerdings in analytischen Studien gezeigt, dass der Elektrolyt auch ohne Zugabe von Additiven bei erhöhten Temperaturen stabil ist und Fluorwasserstoff nicht auf die befürchtete Art und Weise wechselwirkt [2], [3].
Verlässliche Informationen über die Vorgänge in einer Batterie sind essenziell, um bei der Auswahl und Herstellung der Materialien oder während der Fertigung der Zellen gezielt Maßnahmen ergreifen zu können, die die Eigenschaften der Batterie auf gewünschte Weise beeinflussen. Dadurch, dass die Batterieforschung nicht stehen bleibt und sie durch die Entwicklung neuer Batteriesysteme auch neue analytische Herausforderungen schafft, wird die Analytik immer ein bedeutender Zweig dieses Forschungsbereichs bleiben.
Quellen
- Friesen, A., et al.: Influence of temperature on the aging behavior of 18650-type lithium ion cells: A comprehensive approach combining elec- trochemical characterization and post-mortem analysis. J. Power Sources. 342 (2017) 88-97.
- Wiemers-Meyer, S., et al.: Influence of Battery Cell Components and Water on the Thermal and Chemical Stability of LiPF6 Based Lithium Ion Battery Electrolytes. Electrochim. Acta. 222 (2016) 1267-1271.
- Evertz, M., et al.: Unraveling transition metal dissolution of Li1.04Ni1/3Co1/3Mn1/3O2 (NCM111) in lithium ion full cells by using the total reflection X-ray fluorescence technique. J. Power Sources. 329 (2016) 364-371.
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Autor
Dr. Stefan Wiemers-Meyer
Stellvertretender Leiter des Bereichs Analytik und Umwelt, MEET Batterieforschungszentrum
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