Oberkirchenrat Michael Lehmann

Das Thema Elektromobilität ist inzwischen auch in der Evanglischen Kirche angekommen. Für Pfarrstellen im ländlichen Raum hat die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) daher ein Projekt ins Leben gerufen, das sowohl den Pfarrerinnen und Pfarrer als auch den Bürgern der Gemeinden umweltfreundliche Mobilität ermöglichen soll.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 01/2019 erschienen.

Vorwort

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ist einer der 20 weithin selbständigen evangelischen Landes­kirchen in der Bundesrepublik Deutschland. Die EKM betreut derzeit über 730.000 Gemeindeglieder in 37 Kirchenkreisen überwiegend in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Oberkirchenrat Michael Lehmann, Personaldezernent der EKM, hat das Projekt „NeMo_Land – Neue Mobilitätssysteme und Elektromobilität in Thüringer Kirchenkreisen“ mitinitiiert und betreut nun die Umsetzung im Folgeprojekt „NeMo II – Implementierung des Modellprojektes Neue Mobilitätssysteme und Elektromobilität in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland“ seitens der Landeskirche und beantwortet hierzu Fragen im eMobilJournal-Interview.

Herr Lehmann, Elektromobilität und Kirche – Wie kam es zu diesem Forschungsprojekt?

Trotz zunehmender Sä­kularisierung unserer Gesellschaft und dem demografischen Wan­del erleben wir, dass der evangelischen Kirche noch immer eine beson­dere gesellschaftliche Rolle zugerechnet wird. Dieser Verantwortung versuchen wir, auch beim Thema Klima­schutz gerecht zu wer­den und sind uns dabei der öffentlichen Wirk­samkeit unseres Tuns bewusst. Bereits 2012 gründete die EKM den EKM-StromVerbund, um selbst Windenergieanlagen zu betreiben und so den jährlichen Energieverbrauch in der EKM bilanztechnisch durch die Stromproduktion aus eigenen Anlagen zu decken.

Mit Blick auf die Ausgangslage von Pfarrstellen im ländlichen Raum gilt es auch an anderer Stelle, Lö­sungskonzepte zu entwi­ckeln. Eine Möglichkeit, die Mobilität von Pfarrerinnen und Pfarrern trotz immer größer werdender Arbeits­bereiche zu gewährleisten  und dennoch den lokalen Ausstoß von Emissionen zu verringern, ist die Nutzung alternativer Verkehrsmittel. Pfarrpersonen können leider nur vereinzelt den öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad nutzen. Angesichts der Zuschnitte der Pfarrbereiche und der höchst individuellen bedarfsge­rechten Einsatzzeiten ist die Nutzung eines Kraftfahr­zeugs meist unvermeidbar. Hier bietet sich der Einsatz von Elektrofahrzeugen an.

Da sowohl der Einsatz die­ser Antriebstechno­logie als auch die Bereitstellung von Dienstwagen mit privater Nutzungs­möglichkeit in der Evangelischen Kirche ein Novum ist, haben wir zu­nächst mit dem Institut Verkehr und Raum der Fach­hochschule Erfurt eine Machbarkeitsstudie erstellt, die wir aktuell umsetzen. Aktuell werden im Kirchenkreis Egeln bereits erste Er­fahrungen mit Elektrofahrzeugen im Einsatz als Dienst­fahrzeuge, jedoch weitgehend ohne Privatnutzung, gesammelt. Auch hier wurde zunächst im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft, welches Potenzial Elektro­fahrzeuge für den dienstlichen Betrieb bieten.

Kirchenkreis Egeln Elektromobilität

Im Kirchenkreis Egeln werden bereits erste Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen im Einsatz als Dienstfahrzeuge gesammelt. (Foto: Holger Holtz)

Können Sie noch etwas zum Status Quo des aktuellen Umsetzungsprojektes sagen?

Zum Jahresende wird an vier Standorten der Evange­lischen Kirche in Mitteldeutschland jeweils ein Elek­trofahrzeug für die dienstliche und private Nutzung zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um drei Pfarrämter in ländlichen Kommunen bzw. in einer Landgemeinde und um einen diakonischen Trä­ger. Die Standorte wer­den mit Kleinwagen mit  bis 400 Kilometer Reichweite sowie Ladein­frastruktur ausgestattet. Bei entsprechenden Potenzialen des Standorts und bei Vereinbarkeit  mit denkmalschutzrecht­lichen Vorgaben ist zudem die Ausstattung mit PV-An­lagen und Energiespeichern geplant, um eine möglichst hohe Autarkiequote zu erreichen. An einem Standort ist bereits eine PV-Anlage installiert, die in das System vor Ort integriert wird.

In den Modellkommunen sind die Einwoh­nerzahlen seit Jahren rückläufig. Demogra­fischer Wandel und Landflucht hinterlassen leere Dörfer. Der potenzielle Nutzerkreis schrumpft, die zurückzulegenden Entfer­nungen werden größer. Inwiefern ist ein E-Carsharing-Modell in diesem Umfeld sinnvoll?

Gerade in diesem Umfeld ist es sinnvoll! Durch sin­kende Einwohnerzahlen verringern sich auch die Mobilitätsangebote im ländlichen Raum. Dies ist nur einer der Gründe, warum lokale Verkehrsbetriebe, um die Fahrgäste adäquat zu versorgen, zusehends auf alternative Bedienformen zurückgreifen. Dennoch  benötigen die Bewohner auch eine gewisse individuelle Mobilität. Da bietet ein E-Carsharing den idea­len Ansatzpunkt und eine Alternative zum Zweit- und Drittfahrzeug im Haushalt. Durch die Schaffung einer bedarfsgerechten Versorgung mit Mobilitätsangebo­ten gelingt es vielleicht, die ländlichen Kommunen wieder attraktiver zu machen und Entwicklungen wie die Landflucht abzumildern. Hinzukommt, dass die Reichweite im Realbetrieb nahezu aller, auf dem Markt erhältlichen Elektrofahrzeuge, genügt, auch in ländlichen Bereichen. Den Ergebnissen der Machbar­keitsstudie nach, bietet sich neben der alltäglichen Nutzung der Fahrzeuge im Verkündigungsdienst noch genügend Restreichweite, um die privaten Fahrten ebenfalls abzudecken.

Tagsüber, wenn die Fahrzeuge von den Kir­chenbediensteten genutzt werden, ist der Mo­bilitätsbedarf bei den Bürgern wahrscheinlich recht hoch: Man denke an Arbeitswege, Arztbesuche, Behördengänge, Kinderbetreuung. Der Verzicht auf das obligatorische Zweitauto – oder gar das einzige Auto – scheint da in weiter Ferne. Wie wollen Sie das E-Carsha­ring zum Erfolg führen?

Hier zeigt sich das Potenzial der dienstlichen Nutzung der Fahrzeuge im Verkündigungsdienst. Diese Nut­zung findet eben nicht zu klassischen Zeiten von 9 bis 17 Uhr statt,  sondern hängt individu­ell vom Tagesablauf der von jeweiligen Pfarrperson  ab. Nicht selten sind die Mitarbeitenden auch am Abend oder am Wochenende in den Gemeinden vor Ort, während die Elektrofahr­zeuge zu Präsenzzeiten im Pfarramt oder an Monta­gen – dem in der Regel freien Tag der Pfarrerinnen und Pfarrer – ungenutzt bleiben. Hier ergeben sich also Potenziale für private Nutzungsmöglichkeiten.

Nach Dienstschluss und in freien Zeiten soll das Elektroauto auch der Gemeinde zur Ver­fügung stehen. Wie ist sichergestellt, dass das Fahrzeug am nächsten Tag wieder mit aus­reichender Akkukapazität bereitsteht? Ist ein stationsbasiertes E-Carsharing angedacht, wo das Auto zur Pfarrei zurückgebracht wer­den muss?

Der gewählte Ansatz gleicht einem stationsbasier­ten Carsharing. Die Fahrzeuge werden an einem fes­ten Standort mit entsprechender Ladeinfrastruktur geparkt. Es handelt sich dabei in der Regel um einen Platz an Kirche oder Pfarrhaus. Die jeweiligen Ort stehen zudem für poten­zielle Nutzende als Ansprechpartner zur Verfügung. Im Zuge dessen kann gewährleistet werden, dass die Fahrzeuge am Ende der täglichen Nutzung geladen werden.

Haben Sie schon ein Kostenkonzept für das E-Carsharing evaluiert?

Sowohl in der vorange­gangenen Machbarkeits­studie des Kirchenkreises Egeln als auch in der Studie des Instituts Ver­kehr und Raum wurden unter anderem Wirt­schaftlichkeitsanalysen erstellt. Dabei wurden neben den Fixkosten wie der Batteriemiete, Versicherung und War­tung auch die variablen Kosten wie die Stromkosten sowie der prog­nostizierte Wertverlust einbezogen. Wir haben herausgefunden, dass Elektrofahrzeuge in unserem speziellen Einsatzzweck und je nach Fahrleistung wirtschaftlich betrieben werden können. In Ab­hängig von der Carsharing-Nut­­zung kann der wirtschaftliche Einsatz der Elektrofahrzeuge­ auch ohne hohe Fahrleistung durch die Pfarr­personen erfolgen.

Welche Plattform schwebt Ihnen für das Re­servierungs- und Buchungshandling vor?

Die Einführung der Privatnutzung erfolgt in mehreren Phasen. Zunächst wird nur ein eingeschränkter Personen­kreis auf die Fahrzeuge zugreifen können. In dieser Phase erfolgt die Organisation der Privatnutzung, inklusive der Reservierungs- und Buchungsmodalitäten, durch die Mit­arbeitenden vor Ort mit jeweils individuellen Lösungen. In den Folgephasen werden die Fahrzeuge zunehmend für alle potenziellen Privatnutzenden zur Verfügung gestellt. Hierbei kann auf die Buchungs-Software eines in Thüringen operierenden Carsharing-Anbieters zu­rückgegriffen werden. Der Anbieter stellt die dafür be­nötige Soft- und Hardware bereit und übernimmt das Kundenmanagement, die Erstellung der Endkunden­abrechnungen, sowie die Störungshotline und die Zah­lungsabwicklung.

Wie ist bei diesem Konzept sichergestellt, dass die Pfarrpersonen auch bei Notfällen mobil sein können?

Die Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst können bei längeren Fahrten oder bei Betriebsstörungen je­derzeit auf die bisher bereits genutzten privaten Kraft­fahrzeuge zurückgreifen und die dienstlichen Fahrten entsprechend abrechnen. Oberste Priorität und Auftrag der Evangelischen Kirche ist es, den Gemeindegliedern jederzeit die best­mögliche Betreuung zu bieten, daher wird es in dieser frühen Phase des Modellvorhabens jederzeit gangbare Alternativen ge­ben. Der Fokus der Einführung der liegt in der Erprobung des Einsatzes und Überführung in der Erprobung in den Regelbetrieb.

Wie geht es weiter?

Aktuell sind wir in der Umsetzung des Konzeptes. Wenn sich das Vorgehen bewährt, ist die Erweiterung auf wei­tere Kirchenkreise geplant. Das Thema der Elektromobi­lität wird uns so schnell nicht wieder loslassen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Lehmann. (aho)

Mehr Informationen zum Thema finden Sie im Beitrag Elektromobilität und neue Nutzungskonzepte in Kirchenkreisen, der ebenfalls in der Ausgabe 1/2019 erschienen ist.

  • Michael Lehmann Oberkirchenrat

    Interviewpartner

    Michael Lehmann

    Oberkirchenrat, Initiant und Betreuer der Projekte „NeMo_Land“ und „NeMo II“.

  • Elektromobilitt Pfarrstellen Land Cover

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