5. Vertragsmodelle
5.1 Ladevertrag vom Ladestationsbetreiber
Die klassische Variante im Bereich Elektromobilität: Der Ladestationsbetreiber (überregional oder regional, beispielsweise ein Stadtwerk) betreibt eine Anzahl an Ladestationen und gibt für den Zugang einen Kundenvertrag heraus, der das Laden an diesen Ladestationen ermöglicht und auf dessen Basis die Abrechnung erfolgt. Die Rolle des CPO und des eMSP übernimmt hier ein und dasselbe Unternehmen/Organisation.
5.2 Ladevertrag vom Elektromobilitätsanbieter
Aufgrund der Liberalisierung der Märkte konnten sich in den vergangenen Jahren eMSP etablieren, die ihren Kunden den Zugang zu Ladestationen eines oder mehrerer Ladestationsbetreiber ermöglicht und die die Abrechnung B2C durchführen. Neben dem B2C-Vertragsverhältnis zu den Endkunden führen dieses eMSP auch B2B-Verträge mit den jeweiligen Ladestationsbetreibern und vergüten diesen die B2B-Konditionen für den Ladevorgang.
5.3 Adhoc-Laden beim Ladestationsbetreiber
In jüngerer Zeit haben die sogenannten Adhoc- oder Direct-Payment-Autorisierungsmöglichkeiten an Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt durch die Anforderungen an die Förderfähigkeit von Ladeinfrastruktur durch die Ladesäulenverordnung. Grundgedanke ist hierbei, dass der Endkunde bei einem Ladestationsbetreiber, der ein solches Abrechnungsmodell anbietet, nicht zunächst einen Ladevertrag abschließen muss, sondern die Autorisierung und Abrechnung erfolgt anhand der beim Ladevorgang angegebenen Direct-Payment-Variante wie Girocard, Kreditkarte, Paypal und andere. Damit ist spontanes Laden zum Beispiel auch im Urlaub möglich, ohne dass der Endkunde sich vorher mit den relevanten Ladestationsbetreibern in Verbindung setzen muss. Infoplattformen und Apps wie MOOVILITY.me bieten EV-Fahrern heute bereits einen umfangreichen Überblick, an welchen Ladestationen mit welchen Anbieterverträgen und Tarifen geladen werden kann (siehe Bild 4). Neben den Vertragsmodellen sind auch die darunterliegenden Tarifmodelle interessant, denn auch hier gibt es zum Teil große Unterschiede.
6. Tarifmodelle
Potenziell finden Sie bei einem Vertragspartner durchaus unterschiedliche Tarifmodelle vor. Diese Vielfältigkeit adressiert die unterschiedlichen Kundentypen und und Business-Modelle.
6.1 Leistungstarif
Bei diesem Tarif zahlt der Endkunde für die abgegebene Energiemenge, bemessen in der Regel nach Kilowattstunden (kWh). Abgegeben heißt in dem Sinne jedoch nicht, dass das Fahrzeug im Anschluss auch auf dieselbe Menge Energie zum Fahren zurückgreifen kann. Zwischen abgegebener Energie an der Ladestation und dem Speichern in der Batterie (=> Ladeeffizienz) sowie im Moment der Energieverwendung im Fahrzeug entstehen vielmehr technisch unvermeidliche Leistungsverluste von 5 %, 10 % oder gar mehr. Ein Leistungstarif darf aktuell nur angeboten werden, wenn Ladeinfrastruktur und nachfolgende Backend-Prozesse dem Eichrecht genügen. Diese Diskussion wird aktuell intensiv geführt. Sicherlich ist es EV-Fahrern vertraut, die bezogene Energieleistung ähnlich wie beim Kraftstofftanken, zu zahlen. Allerdings werden beim Laden, insbesondere beim AC-Laden in begehrten Innenstadtlagen auch Parkzeiten genutzt, die ebenfalls als empfangene Leistung angesehen werden können.
6.2 Zeittarif
Beim Zeittarif zahlt der Endkunde für die Zeit, die der Ladevorgang in Anspruch genommen hat, unabhängig von der abgegebenen Energiemenge. Das heißt, auch wenn das Fahrzeug nicht mehr oder nur noch sehr wenig Strom von der Ladestation bezieht, läuft die Berechnung weiter.
6.3 Transaktionsgebühr
Zusätzlich zum Leistungs- oder Zeittarif bestehen Tarifmodelle, die eine einmalige Transaktionsgebühr pro Ladevorgang erheben.
6.4 Grundgebühr
In Tarifmodellen kann eine Grundgebühr (monatlich, halbjährlich oder jährlich) kalkuliert sein.
6.5 Flatrate
Einige Anbieter offerieren ihren Kunden eine Flatrate, die unbegrenzt Ladevorgänge ermöglicht, mitunter wird diese im FairUse-Modell gegebenenfalls auf eine Obergrenze limitiert.
6.6 Mischformen
Neben den oben genannten reinen Tarifmodellen bestehen auch Mischformen, beispielsweise eine Kombination aus Leistungs- und Zeittarif, gegebenenfalls noch ergänzt um eine Transaktionsgebühr. Eine Kombination aus Leistungs- und Zeittarif bringt naturgemäß Komplexität in der Abrechnung und in der Kommunikation zum Endkunden, letztlich erlaubt aber gerade die Angebot und Nachfrage berücksichtigende Zusammenstellung eines Tarifes auch eine Nachfragebeeinflussung zum Ziele der Auslastungsoptimierung und Verfügbarkeitssteigerung der kapitalintensiven Ladeinfrastruktur. Für DC-Schnellladeinfrastruktur bietet sich beispielsweise ein Tarif an, der aus einem Leistungstarif besteht, ergänzt um einen Zeittarif, der erst ab zum Beispiel der zweiten Ladestunde zum Einsatz kommt. Ergebnis wird sein, dass der EV-Fahrer die Ladestation zügig räumt, sobald sein Fahrzeug wieder vollgeladen ist. Oder für AC-Normalladen könnte ein Zeittarif zum Einsatz kommen, der ab der vierten Ladestunde zunimmt oder alternativ für die Nachtstunden völlig auf die Berechnung verzichtet.
6.7 Warum unterschiedliche Tarifmodelle, wäre ein Einheitstarif nicht besser?
Wie heißt es doch so schön: „Wer die Wahl hat, hat die Qual!“. Aber wie wir seit Google und Co. wissen, braucht es nur den richtigen Ratgeber, um den Überblick über die vielfältigen Angebote zu behalten! Und gerade die Vielfalt fördert Wettbewerb und Leistung. Einen Tarifüberblick bieten Apps wie MOOVILITY.me, dort findet sich zunehmend eine relevante Auswahl der möglichen Ladetarife direkt an der jeweiligen Ladestation.
7. Und während des Ladens?
Sobald der EV-Fahrer lädt, stellt sich für ihn die abschließende Frage: Wie kann man die Zeit des Ladens nutzen? Wir erkennen, dass EV-Fahrer bereits Ladestationen danach aussuchen, welche Angebote flankierend bereitstehen. Sie suchen für ihre Freizeitaktivitäten Angebote aus, die mit einer Lademöglichkeit aufwarten. MOOVILITY.me unterstützt diese Nachfrage, indem bereits zu vielen Ladestationen entsprechende Angebote der Standortpartner qualifiziert ausgewiesen werden. Sei es ein Wanderroutenvorschlag am Tegernsee in Zusammenarbeit mit einem Spezialisten aus dem Freizeitbereich, Hinweise auf aktuelle Angebote im Supermarkt, die Webseite eines lokalen Cafés, die Speisekarte eines nahen Restaurants oder Hotels, etc. Denn erkennbar ist, der EV-Fahrer kann aufgrund des inzwischen häufig bereits gut ausgebauten Ladestationsnetzwerks eine Auswahl treffen und braucht sich in zunehmendem Maße nicht mehr nur damit abfinden, überhaupt laden zu können.
8. What next?
Zusammenfassend gewinnt man zu Recht den Eindruck, dass das Laden eines Elektrofahrzeugs an öffentlichen Ladestationen mit den richtigen Informationen zur Hand bereits heute sicher und planbar möglich ist und EV-Fahrer staunen, wie häufig sie ihr Elektrofahrzeug günstiger pro 100 km bewegen, als sie es mit einem sparsamen Diesel-Fahrzeug jemals zu Wege gebracht hätten. Von den Umweltaspekten (Lärm-, Abgas- und Wärmeemissionen) ganz zu schweigen, aber dies ist ein eigenes Thema und würde den Umfang dieses Beitrags sprengen.
9. Was bringt die Zukunft?
Soviel zeichnet sich ab:
• Mehr Ladestationen
• Mehr Anbieter und Tarife
• Innovative Zugangsmethoden wie Plug&Charge
• Weniger Frust und Probleme
• Smart Charging und Sektorkopplung
Elektromobilität nimmt jetzt richtig Fahrt auf! Das Wichtigste ist: Öffentliches Laden ist keine Notlösung, sondern integraler Bestandteil des Alltags eines EV-Fahrers. Aus Kosten- und Komfortgründen sowie bei Ladestopps auf längeren Fahrten und Urlaubsreisen. Öffentliches Laden ist inzwischen ganz selbstverständlich in der Reiseplanung eines EV-Fahrers inbegriffen.
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Autor
Ulrich Heitmann
Gründer und Geschäftsführer, CIRRANTiC GmbH
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