Das junge Unternehmen Sono Motors aus München hat ein solarbetriebenes Elektroauto entwickelt, dessen Batterie sowohl über das Stromnetz als auch über in die Karosserie integrierte Solarzellen geladen werden kann. Jona Christians, CEO und Co-Founder bei der Sono Motors GmbH, erklärt im Interview das Konzept hinter dem Solarauto, das ab 2019 in Serie gehen soll.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 04/2018 erschienen.

 

Herr Christians, Sie wollen das weltweit erste selbstladende Elektroauto in Serie produzieren. Welches Konzept steckt dahinter und wodurch zeichnet es sich aus?

Der Sion ist ein Elektroauto mit einer Reichweite von 250 Kilometern, einer Solarintegration, die eine zusätzliche Reichweite von bis zu 30 Kilometern pro Tag in Deutschland ermöglicht und das zu einem Preis von 16.000 Euro exklusive Batterie auf die Straße kommt.

Woran liegt es, dass bisher kein vergleichbares Konzept in Serie ging?

Die Integration von Solarzellen ist keine triviale Aufgabe. Wir haben hier alle Bereiche zusammengebracht: Design, Materialauswahl und elektrische Integration. Es müssen dann viele Lösungen gefunden werden, die neu und auch unkonventionell sind. Diese Vorgehensweise ist oft nicht in bestehenden Strukturen und mit den bestehenden Entwicklungszeiten möglich. Als Beispiel das Design: Der Sion wurde von Anfang an auf eine optimale Solarzellenintegration ausgelegt und es gab keine Designsprache, an der wir uns orientieren mussten, sondern wir konnten etwas durchweg Neues erschaffen.

Der Sion kann nicht nur selbst Energie produzieren, sondern diese durch bidirektionales Laden auch wieder abgeben. Können Sie die zugrundeliegende Technologie näher erläutern?

Bidirektionales Laden bedeutet, dass es möglich ist, den Strom aus der Batterie wieder abzugeben. Daraus entstehen dann viele verschiedene Szenarien: Ich kann anderen Elektrofahrzeugen Strom geben, wenn diese liegen geblieben sind oder dringend Energie brauchen. Ich kann aber auch verschiedenste Geräte anschließen: Geräte auf der Baustelle, den Elektrogrill am See usw. Es geht im Grunde darum, die Batterie, die nichts anderes als eine fahrende Powerwall ist, nicht nur zum Fahren zu nutzen, um sie dann den Rest der Zeit brachliegen zu lassen. Speziell mit der Kombination der Solarladung, lädt sich das Fahrzeug selbst wieder auf, während ich beispielsweise im Urlaub bin und ich kann diesen Strom dann direkt weitergeben.

Kann der Sion auch Haushalte mit Strom versorgen?

Im Bereich der Vehicle to Everything (V2X)-Technik, bei der ein Fahrzeug mit anderen Fahrzeugen oder Einheiten in der Umwelt kommuniziert, ist eine Haus- oder Netzintegration nur der logische nächste Schritt. Technologisch sind die Anforderungen kontrollierbar, allerdings bestehen noch viele rechtliche Hürden, die nach heutigem Stand eine Integration in das Eigenheim erschweren. Wir sind hier bereits mit den nötigen Behörden in Kontakt, um zusammen eine Lösung zu finden.

Noch eine Besonderheit Ihres Elektroautos: Die Luft im Innenraum wird über natürliches Moos im Armaturenbrett und der Mittelkonsole gefiltert. Wie kamen Sie auf die Idee, Moos einzusetzen und welche Vorteile hat das Moos gegenüber künstlichen Luftfiltern?

Dass wir Moos in den Sion integrieren, liegt in der Fähigkeit des Mooses, Feinstaub zu filtern. Das ist möglich aufgrund der natürlichen physikalischen Eigenschaft dieses Mooses, per elektrostatischer Aufladung den Feinstaub zu binden. Wie bei einem konventionellen Luftfilter muss dieses Moos dann natürlich mit der Zeit ausgetauscht werden, um die volle Luftfiltereigenschaft zu erhalten. Die Zyklen sind vergleichbar mit einem künstlichen Luftfilter, der große Unterschied ist allerdings, dass das alte Moos ganz einfach im Biomüll entsorgt werden kann.

Sion Cockpit

Bild 1: Im Cockpit des Sion werden neben der Geschwindigkeit auch der aktuelle Ladestand angezeigt. © Sono Motors

Mussten Sie auf die ursprünglich geplante Ausstattungsvariante mit 120 Kilometer Reichweite für 12.000 Euro und Farbvarianten neben Schwarz verzichten, um den vergleichsweise günstigen Preis halten zu können?

Diese Variante war als rein innerstädtische Lösung gedacht, ist aber dann aus zwei einfach Gründen weggefallen: Zum einen, weil die Bedürfnisse in der Stadt oft über diese Lösungen hinausgehen und die Stadt-Variante somit nur noch für ganz spezielle Bereiche wie beispielsweise Lieferdienste interessant war. Zum anderen, weil wir durch den Wegfall von zwei Optionen den Fokus auf die Ein-Produkt-Strategie legen konnten. Eine Ein-Produkt-Strategie ermöglicht es uns, in der Fertigung und Logistik sehr viel effizienter und schneller vorzugehen. Dieser Vorteil begünstigt am Ende auch einen schnelleren Start der Produktion, wovon letztendlich all diejenigen, die den Sion bereits reserviert haben, am meisten profitieren.

Die Batterie ist nicht im Preis inbegriffen. Leidet Nachhaltigkeit unter der Schnelllebigkeit technischer Standards?

Das sind tatsächlich zwei wichtige Punkte. Zu dem ersten Punkt, der exkludierten Batterie: Der Batteriepreis ist momentan bei einem Elektrofahrzeug die Komponente, deren Preis sich jährlich, wenn nicht sogar monatlich ändert. Wir haben aus diesem Grund eine offene Kommunikation gewählt: Wir exkludieren die Batterie, um dann den günstigsten Batteriepreis, der erhältlich ist auf dem Markt, weitergeben zu können. Zu dem zweiten Punkt, der Nachhaltigkeit, bzw. der Schnelllebigkeit: Sono Motors hat sich als oberstes Ziel den Schutz von Ressourcen, speziell Erdöl, gesetzt. Deswegen sind alle Technologien in dem Sion darauf ausgelegt, intelligent mit den endlichen Ressourcen umzugehen. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, das System modular und update-fähig zu halten, wie beispielsweise beim Infotainment. Zudem wählen wir Materialien aus, von denen wir wissen, dass sie eine lange Lebensdauer haben, wie beispielsweise ein Alu-Space-Frame für die Grundstruktur des Sions.

Der Sion soll zum „Elektroauto für alle“ werden. Inwiefern können die erhältlichen Elektroautos dies bisher nicht leisten?

Die Gründe, warum sich bisher Elektrofahrzeuge nicht verkaufen, können heruntergebrochen werden auf drei Punkte: Das sind die – oft wahrgenommene – mangelhafte Ladeinfrastruktur, die geringe Reichweite und der Preis. Die Ladeinfrastruktur wird momentan immens ausgebaut, hier werden wir in den nächsten Jahren einen Boom erleben, schon heute zeichnen sich viele intelligente Lösungen ab. Der zweite Punkt war für uns der Grund, warum wir eine Batterie mit 35 kWh, ausreichend für 250 km unter Alltagsbedingungen, integriert haben. Den dritten Punkt, den geringen Preis, erreichen wir durch eine intelligente Auswahl der Komponenten. Viele Teile in dem Fahrzeug werden von uns nicht neu entwickelt, sondern sind bewährte Teile von Zulieferern. Dadurch lassen sich Zeit und Kosten einsparen.

Optional verfügt der Sion auch über eine Anhängerkupplung, über die bis zu 750 Kilogramm Ladung befördert werden kann. Wie wirkt sich die Zuglast auf die Reichweite aus?

Das Elektroauto generell hat hier einen großen Vorteil gegenüber einem Verbrennungsfahrzeug: Die Energie, die für die Beschleunigung der Masse verbraucht wird, kann bei einem Bremsvorgang zu Teilen wieder per Rekuperation zurückgewonnen werden. Somit liegt die Gesamteffizienz sehr viel höher als bei einem Verbrennungsfahrzeug. Einen genauen Wert zu geben, ist allerdings nicht einfach, denn es hängt vieles von der Geschwindigkeit und der Windschnittigkeit des Anhängers ab.

Sion Solarzelle Karosserie

Bild 2: Durch die Solarzellen in der Karosserie kann der Sion seine Batterie tagsüber von selbst aufladen. © Sono Motors

Über die goSono-App können die gespeicherte Energie, eine Mitfahrgelegenheit oder das Auto selbst zur Vermietung angeboten werden. Welche Bedeutung haben Sharing-Modelle für die Mobilität von morgen?

Dass generell Sharing-Modelle in mehr und mehr Bereichen zum Normalfall werden, zeichnet sich bereits heute ab. Uber, AirBnB usw. machen es vor. Bei Sono konzentrieren wir uns allerdings auf zwei Grundsätze: Personalisierung und Ressourcenschonung. Das Thema Personalisierung findet statt, wie bei meinem Handy: Ich richte ich mir „meinen” Sion ein. Ganz egal, ob ich dann in München oder in Berlin in einen Sion steige, ich finde beide Male meine Einstellungen vor. Damit fahre ich immer „meinen” Sion, egal wo ich bin, aber ich muss ihn nicht mehr besitzen. Das Thema Ressourcenschonung ist ähnlich einfach und wird abgedeckt durch die Solarintegration, das bidirektionale Ladesystem und das Angebot an Sharing-Diensten: Wir kreieren einen Mehrnutzen aus dem Fahrzeug, der Fläche und der Batterie, die es ermöglicht, mehr daraus zu machen, als 95% der Zeit nur auf der Straße zu stehen und Wert zu verlieren. Das ist für uns die Bedeutung der Sharing Modell: Einen Mehrnutzen zu kreieren für die Menschen, die den Sion nutzen und gleichzeitig intelligent mit unseren endlichen Ressourcen umzugehen.

Die intelligente Vernetzung über das Internet bringt auch immer das Thema Datensicherheit mit sich. Was können Sie als Hersteller leisten, um Privatsphäre und Sicherheit der Kunden zu gewährleisten?

Grundsätzlich ist eine 100%ige Sicherheit nie möglich, bei keinem unserer technischen Geräte. Wir bei Sono haben bei diesem Thema aber einen wichtigen Grundsatz, den wir hier anwenden: Wir lassen die Wahl. Die Person, die den Sion nutzt, weiß nämlich am besten, was sie braucht und was nicht. Sie kann die Sharing-Services, die Car-Konnektivität und die Updatefähigkeit nutzen, muss es aber nicht. Sie kann auch jeglichen Datenverkehr abschalten.

Am 27.07.2017 feierte der Sion Weltpremiere und war anschließend auf Probefahrt-Tour durch Mitteleuropa unterwegs. Gerade sind Sie wieder auf Tour. Welchen Einfluss hat die Resonanz der Probefahrten auf die Konzeptphase zur Serienproduktion?

Von Anfang an hat sich Sono in seinem Vorgehen stark von klassischen Automobilherstellen unterschieden: Wir halten einen sehr engen Kontakt mit der Community, mit den Menschen, die uns von Anfang an unterstützen. Das hat angefangen mit einer Crowdfunding-Kampagne, mit der die zwei Prototypen produziert wurden, die jetzt für die Testdrive-Touren bereit stehen und geht weiter mit eigenen Facebook-Gruppen, in denen wir aktiv Diskussionen anstoßen, Input einholen oder sogar schon die Community abstimmen haben lassen, welche Funktionen umgesetzt werden sollen.

Sono Motors Gründer Christians Hahn Pernsteiner

Bild 2: 2016 haben Jona Christians, Laurin Hahn und Navina Pernsteiner Sono Motors gegründet (v.l.n.r.) © Sono Motors

Auf Ihrer Homepage rufen Sie zur Unterstützung über Crowdinvesting und Spenden auf, um den Sion ab 2019 in Serie produzieren zu können. Wie ist der aktuelle Stand und wovon hängt der zeitliche Ablauf ab?

Crowdinvesting zum einen, die Möglichkeit den Sion jetzt schon zu reservieren zum anderen oder auch einfach nur mit einer Spende zu zeigen, dass alle zusammen etwas bewegen können. Nicht nur wir bei Sono sind ausschlaggebend für einen Wandel, sondern der Wandel war und ist nur mit den Menschen möglich, die uns unterstützen und an eine nachhaltige Mobilität glauben.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Christians.(sih)

 

  • Sono Motors Jonas Christians Portrtfoto

    Interviewpartner

    Jonas Christians

    CEO und CO-Founder, Sono Motors GmbH

  • Screenshot Von Der Sonne Getrieben Sono Motors Deckblatt

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