Sascha Koberstaedt, Geschäftsführer Evum Motors GmbH

Einfach, aber effizient: Mit dem aCar der Technischen Universität München (TUM) soll die Elektromobilität auch in Entwicklungsländern Fuß fassen. Sascha Koberstaedt, der an der Entwicklung des Fahrzeugs mitgewirkt hat, verrät, wie es mit dem spannenden Projekt weitergeht.

Dieser Beitrag ist zuerst im eMobilJournal Ausgabe 05/2018 erschienen.

Herr Koberstaedt, wie sehen die nächsten Schritte auf dem Weg zur Serienreife des aCar aus?

Sascha Koberstaedt: In Bayerbach bei Ergoldsbach (Niederbayern) haben wir mit unseren zehn Mitarbeitern bereits ein eigenes Werk und Räumlichkeiten bezogen. Die nächsten Schritte sind die Weiterentwicklung des Fahrzeugs, Tests und die Homologation. Dafür werden bis Februar 2019 noch einmal zehn neue, weiterentwickelte Prototypen des aCar entstehen. Ende 2019 wollen wir dann in unserem eigenen Werk mit der Serienproduktion beginnen. Wenn alles klappt, läuft die Produktion Mitte 2020 dann auch im Ausland an.

Gibt es bereits Standorte, die Sie favorisieren?

Wir sind bereits in konkreten Gesprächen mit möglichen Partnern in verschiedenen Ländern – Ägypten hat beispielsweise bereits sehr großes Interesse signalisiert. Auch in Mexiko, Namibia und Marokko bieten sich Möglichkeiten an. Wir sortieren gerade, welcher Standort sich am besten für die erste ausländische Produktion anbietet.

Also ist das Projekt aCar nicht nur auf Afrika beschränkt?

Richtig. Unser Vorhaben ist global aufgestellt, auch wenn wir unseren ersten Prototyp in Ghana getestet haben. Beispielsweise ist auch Südamerika ein interessanter Markt für uns, weil die Anforderungen an das Auto in Sachen Infrastruktur sehr ähnlich zu denen in Afrika sind. Das Ziel ist grundsätzlich, ein Fahrzeug anzubieten, was auf die jeweiligen Anforderungen vor Ort zugeschnitten ist. Wir wollen der Tesla der Entwicklungs- und Schwellenländer werden.

Vorher produzieren wir das aCar aber in Europa und bedienen auch zuerst den europäischen Nischenmarkt. Darauf bauen wir dann unser Wissen zur Wertschöpfung und Produktion auf, um das Know-how später im Ausland einsetzen zu können. Unsere Zielgruppe sind Kommunen, die das aCar als Laub- und Müllsammelfahrzeug einsetzen können, Gärtnereien, Förster, Winzer. Für die etablierten Autohersteller sind die absetzbaren Stückzahlen für diesen Markt zu klein und deswegen unattraktiv. Deswegen sehen wir gute Chancen, uns in diesem europäischen Nischenmarkt behaupten zu können.

Bild 1: Das aCar auf der Motocross-Srecke am Münchner Flughafen

Bild 1: Das aCar auf der Motocross-Srecke am Münchner Flughafen © A. Heddergott / TUM

Das aCar fährt elektrisch und benötigt damit Strom. Können Sie kurz beschreiben, wie sich die Energieversorgung in den ländlichen Gebieten Afrikas darstellt?

Ein zentrales Stromversorgungsnetz wie hier in Europa, wo Strom länderübergreifend transportiert wird, gibt es in Afrika nicht und wird es meiner Einschätzung nach auch in Zukunft nicht geben. Der klare Trend geht stattdessen zu einer dezentralen Energieversorgung. Jede Stadt, Gemeinde oder auch jedes Dorf stellt dabei eine Art eigenen Elektrizitätshub. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass es zwar auch in den entlegensten Dörfern Elektrizität gibt, aber die Energieversorgung eher unzuverlässig ist. Insofern sind dezentrale Energiestationen eine naheliegende Lösung, um das Stromnetz stabil zu halten.

Positiv ist, dass zunehmend regenerative Energien zur Stromerzeugung genutzt werden. Unser Konzept sieht vor, dass wir Energiegewinnung und Mobilität als Einheit betrachten. Deshalb arbeiten wir auch viel mit Primärenergieversorgern zusammen, die zum Beispiel Solaranlagen in den Städten und Dörfern installieren. Auch Wasserkraft spielt eine sehr große Rolle in Afrika. Windenergie ist stark regionsabhängig und noch nicht weit verbreitet, aber auch da beobachten wir eine wachsende Tendenz. Das alles sind Indizien dafür, wie afrikanische Länder den steigenden Energiebedarf in Zukunft decken werden. Und wir bieten dann mit dem aCar sozusagen die passende Mobilität dazu an. 

Ein Elektroauto bzw. dessen Batterie bietet sich in diesem Konzept übrigens als optimaler Pufferspeicher an, wenn beispielsweise mehr Sonnenenergie erzeugt wird, als benötigt. Das senkt auch die Kosten der stationären Energieerzeugungsanlagen. Die Kombination aus Energiebereitstellung und Elektrofahrzeug ist also rein technisch gesehen eine Win-Win-Situation.

Haben Sie mit dem aCar in Afrika sprichwörtlich Neuland betreten oder ist das elektrische Antriebskonzept dort verbreiteter, als man denkt?

Das Konzept eines Fahrzeuges mit Elektroantrieb ist auf dem afrikanischen Kontinent völlig neu. Als wir das Fahrzeug zu Testzwecken nach Ghana importieren wollten, hatten wir bereits ein Problem, denn es gab auf den Einfuhrdokumenten die Kategorie „Elektrofahrzeug“ gar nicht. Höchstwahrscheinlich war unser Prototyp also das erste Elektroauto, das überhaupt in Ghana unterwegs war.

Das ist die eine Seite. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass die Menschen extrem technikaffin und sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien sind - egal ob in Ghana, Nigeria, Kenia oder Tansania. Wir werten das als gutes Zeichen für den afrikanischen Markt – vielleicht kann die Elektromobilität dort sogar schneller etabliert werden, als es hierzulande der Fall ist.

Bild 2: Das Interieur des aCars ist zweckmäßig und übersichtlich gestaltet.

Bild 2: Das Interieur des aCars ist zweckmäßig und übersichtlich gestaltet. © A. Heddergott / TUM

Das aCar soll in Afrika etwa 10.000 Euro kosten. Wie viel Marktpotential ist da realistisch?

Die meisten Europäer, die noch nie in Afrika waren, haben meist ein völlig falsches Bild. Es gibt dort Länder, in denen es den Menschen sehr schlecht geht und die kaum etwas besitzen - keine Frage. Auf der anderen Seite sind gerade in den Städten viele Autos unterwegs und es herrscht großes Verkehrschaos. Die Entwicklung bzw. Modernisierung vollzieht sich in vielen Gegenden in einem rasanten Tempo.

Eine andere Rolle spielt die Preisstruktur auf dem Automarkt in diesen Ländern, die auch wir erst einmal verstehen und lernen mussten. Einen 20 Jahre alten Opel Astra mit entsprechend vielen Kilometern auf dem Tacho verscherbelt man hierzulande mit viel Glück für ein paar hundert Euro. Dasselbe Fahrzeug gelangt dann via Frachtschiff nach Afrika, dort werden immense Importzölle erhoben – auch Korruption unter den Zwischenhändlern ist leider verbreitet – und dann wird es letztlich für 5.000 Euro an den Endverbraucher gebracht. Solche Summen zahlen die Menschen dort für ein 20 Jahre altes, völlig verbrauchtes Kompaktklasse-Fahrzeug. Ein Geländewagen kostet dort entsprechend auch schon mal bis zu umgerechnet 20.000 bis 25.000 Euro.

Das ist relativ viel Geld. Wie arrangieren sich die Afrikaner mit dieser Situation?

Das kann sich natürlich nicht jeder leisten. Deswegen ist das, was wir hier unter Car-Sharing verstehen, dort schon lange üblich. Der Nutzer eines Fahrzeugs ist fast nie der Eigentümer. Es gibt vermögende Afrikaner, die entsprechend viele Autos besitzen und verleihen. Es kommt auch vor, dass Leute sich gemeinsam ein Fahrzeug kaufen und nutzen. Insofern sind vermeintlich moderne Konzepte wie Mitfahrgelegenheiten oder Car-Sharing auf dem afrikanischen Kontinent bereits ein alter Hut. Auch für das aCar wäre dies also ein denkbares Modell.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Koberstaedt. (aho)

 

  • Koberstaedt Evum Motors

    Interviewpartner

    Dipl. Ing. Sascha Koberstaedt

    Projektleiter Forschungsprojekt "aCar mobility", TU München
    PFounder & Managing Director, EVUM Motors GmbH

  • Screenshot Beitrag Deckblatt Interview

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