Es hat etwas gedauert, aber langsam kommt die Elektromobilität auch im Segment „Nutzfahrzeuge“ an. Wie lange werden die großen Lkw-Hersteller noch auf der Bremse stehen? Kai Schönenberg von EBG compleo, einem Unternehmen für Ladestationen und Infrastrukturlösungen, sieht die Entwicklung positiv.

Dieser Beitrag ist zuerst im eMobilJournal Ausgabe 05/2018 erschienen.

 

Herr Schönenberg, ein großes Thema auf der diesjährigen IAA-Nutzfahrzeuge sind Elektro-Lkws – auch im Schwerlastbereich. Tut sich in diesem Bereich gerade besonders viel?

Neben Elektrobussen werden elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Die technischen Entwicklungen sind hier bereits sehr weit vorangeschritten – und die Vorteile liegen auf der Hand. Vor allem beim Zustell- und Verteiler-, aber auch Werkverkehr. Aufgrund der minimalen Geräuschemission kann beispielsweise das morgendliche Anlieferchaos in Innenstädten immens entzerrt werden, ein Großteil der Warenanlieferung könnte von nächtlichen Fahrverboten ausgenommen werden.

Geräuschminimierung ist die eine Seite – welche weiteren Vorteile bieten die elektrifizierten Riesen?

Gerade im innerstädtischen Verteilerverkehr führen zahlreiche Stop-and-go-Zyklen sowie niedrige Geschwindigkeiten – neben den Schadstoffemissionen – zu hohen Wartungskosten bei den Verbrennern. Statistisch werden hier kaum mehr als 160 bis 200 Kilometer pro Tag, ca. 40.000 bis 50.000 Kilometer pro Jahr gefahren, wobei sich der Anteil von Inner- und außerstädtischen Straßen etwa die Waage hält. Elektro-Trucks sind hier aufgrund ihrer systembedingten Eigenschaften die ideale Alternative. Die Marktführer der Branche haben das längst erkannt und werden schon bald attraktive, innovative und vor allem alltagstaugliche Fahrzeuge anbieten. MAN testet ja schon den elektrifizierten TGM-E bei ausgewählten Kunden im Tagesgeschäft – bis zur Serienfertigung wird es nicht mehr lange dauern. Mercedes Trucks wird mit dem eActros auf den Markt kommen, weitere Hersteller stehen in den Startlöchern. Die StreetScooter-Flotte der Deutschen Post DHL zeigt jetzt schon eindrucksvoll im Bereich der „leichten“ Nutzfahrzeuge die Marktfähigkeit im Zustellbetrieb - auch erste Handwerksbetriebe nutzen sie bereits bei der täglichen Arbeit.

EBG compleo hat bereits verschiedene Projekte aus diesem Segment mit Ladeinfrastruktur ausgestattet. Welche Anforderungen sind zu berücksichtigen?

Der Aufbau und die Einrichtung einer Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge sind komplex. Der Ladevorgang selbst unterscheidet sich technisch nicht deutlich von der Situation bei einem elektrisch betriebenen Pkw. Aber die Anforderungen an die Hardware, die Installation sowie der Energiebedarf sind wesentlich anspruchsvoller – hier sind ganz andere Rahmenbedingungen zu beachten und sehr anwendungsspezifische Lösungen gefragt. Wir liefern unseren Kunden keine Ladestationen „von der Stange“, sondern individuell abgestimmte Ladesysteme.

Wie sieht Ihre Checkliste für die Bedarfsanalyse des Kunden aus?

An erster Stelle steht natürlich die grundsätzliche Machbarkeit – auch und gerade unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte. Uns interessieren Details wie die Anzahl der Fahrzeuge, die, vielleicht auch zeitgleich, geladen werden müssen. Ab einer bestimmten Menge sind installationsoptimierte Ladestationen sowie eine intelligente Verteilung der zur Verfügung stehenden Energie erforderlich.

Geklärt werden müssen die maximale Ladeleistung und Batteriekapazität der Fahrzeuge. Nicht immer sind sehr hohe Ladeleistungen nötig - wenn Fahrzeuge beispielsweise über Nacht geladen werden können oder geringe Einsatzradien haben. Man kann mittelfristig von Ladeleistungen größer 100 kW und Batteriekapazitäten von mehr als 250 kWh ausgehen (Vergleich e-Golf = 35,8 kWh). Wir haben ebenso Szenarien aus der Praxis, bei denen Fahrzeuge nur jeden zweiten Tag Energie benötigen. Bei Fahrzyklen mit typischen Arbeitspausen können kurze Ladungen mit hohen Leistungen sinnvoll sein.

Das sind die Einstiegsfragen, welche Aspekte sind darüber hinaus relevant?

Die Konditionierung der Fahrzeuge. So können Elektrobusse im Winter den Fahrgastraum während des Ladens vorheizen, um dann beim Start ihrer Tour die Energie zu sparen, die normalerweise das Klimasystem verbraucht. Auch bei Lkws kann dies gewünscht oder zwingend erforderlich sein, wie zum Beispiel bei Kühlfahrzeugen. Wichtig ist wieviel Energie am Standort zur Verfügung gestellt werden kann. Wir müssen das wirtschaftlich zu vertretende Maximum identifizieren, um die richtige Ladetechnik und ihre intelligente Verteilung abzustimmen.

Wo können die Fahrzeuge denn überhaupt geladen werden?

Viele werden auf Betriebshöfen geladen, wo sie entweder unter freiem Himmel oder in Hallen stehen – also in nicht öffentlichen Arealen. Trotzdem sollte hier eine eindeutige Autorisierung vor dem Ladevorgang möglich sein, um das Fahrzeug und die geladene Energie sicher zuordnen zu können.

Das Handling der Hardware muss für den Nutzer einfach und sicher sein. Unter Umständen setzen wir unser Kabel-Management-System KMS ein, wenn die örtlichen Gegebenheiten oder Bestimmungen die Ladetechnik zwischen den Fahrzeugen nicht zulassen. In diesen Fällen gibt es veränderte Ladekabelführungen - Das Ladekabel kommt beispielsweise von der Decke. Das ist häufig der Fall, wenn das Fahrzeug an einem Logistik-Hub steht.

Wie wird sich der Markt in den nächsten Jahren weiter verändern?

Wir sehen heute schon die sehr positive und rasante Entwicklung im Flottengeschäft. Nach den Elektrobussen wird der Bereich der Warenversorgung langfristig, auch oberhalb von 7,5 Tonnen, elektrifiziert werden. Die Fahrzeuge werden höhere Ladeleistungen verarbeiten können, was die Ladezeiten minimiert. Leistungen von bis zu 350 kW hat EBG compleo im Pkw-Bereich schon begleitet, allerdings ist Leistung nicht alles und mitunter begrenzt – da ist etwas Augenmaß gefragt.

Dann ist EBG compleo also für die Zukunft gerüstet?

Natürlich. Wir konnten bei vergangenen sowie laufenden Projekten im Flotten- und Fuhrparkbereich viel Erfahrung sammeln. Allein im Flottenbereich haben wir bislang über vier Millionen Ladevorgänge mit unseren Ladestationen realisiert. Wir beobachten den Markt sehr genau, tauschen uns intensiv mit unseren Kunden aus, reagieren auf Anforderungen mit der nötigen Sorgfalt. Wir fokussieren uns auf intelligente, robuste und wirtschaftlich sinnvolle Ladesysteme, die einen ganzheitlichen Ansatz haben.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schönenberg. (fei)

 

  • Kai Schnenberg EBG Compleo

    Interviewpartner

    Kai Schönenberg

    Teamleiter Marketing und Vertrieb Sonderprojekte bei EBG compleo

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