Interview: ABS bald Standard für E-Bikes?

Seit Frühjahr 2018 ist das erste serienreife Antiblockiersystem (ABS) für E-Bikes bei ausgewählten Flottenanbietern im Einsatz. Was bewirkt das ABS und hat das ABS für E-Bikes das Potenzial zum Massenphänomen? Claus Fleischer, Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems, im Interview.

Warum hat Bosch ein ABS für E-Bikes entwickelt?

Claus Fleischer: Wir haben uns in den vergangenen Jahren gemeinsam mit verschiedenen Instituten sehr intensiv die Unfallforschung bei Fahrrädern und Pedelecs angeschaut. Dabei haben wir analysiert, dass viele Unfälle durch Bremsvorgänge eingeleitet werden. Entweder Wegrutschen auf losem Untergrund oder Überschlagen auf festem Untergrund. Deswegen haben wir uns entschieden, ein spezielles ABS zu entwickeln. Weil man somit bis zu 25 Prozent der Unfälle vermeiden kann. In den Bereichen Auto und Motorrad haben wir ja bereits eine jahrzehntelange Erfahrung, wie man ABS entwickelt. Und das Gute ist: Die Pedelecs haben mit der Batterie die nötige Energie für die Elektronik bereits an Bord.

Macht ABS Radfahren sicherer oder einfacher?

CF: Die Bremsen der vergangenen Jahrzehnte haben das Radfahren einfacher und sicherer gemacht. Erinnern Sie sich an die ersten Seilzugbremsen, dann Hydraulik- und Scheibenbremsen. Die Bremskraft hat sich also deutlich erhöht. Durch das ABS kommt jetzt noch einmal eine bessere Beherrschung dieser Bremskraft dazu. Vor allem in Momenten, in denen ein Radfahrer schnell reagieren muss. Es bringt also mehr Stabilität.

Wie lang hat die Entwicklung gedauert?

CF: Von der ersten Idee bis zur Vorentwicklung drei Jahre, für die Serie dann zwei weitere Jahre. Seit 2012 arbeiten wir an dem ABS für E-Bikes.

Es gibt ja eine Einführungsphase des ABS, nur mit Flottenpartnern. Was kann man sich darunter vorstellen?

CF: Die Fahrradsteller, die unser ABS eingebaut haben, testen es zunächst mit ausgewählten Partnern und Händlern. Uns ist es wichtig, unsere Kunden in der einjährigen Einführungsphase auf unsere Innovation vorzubereiten, zum Beispiel mit Schulungen für den Handel. Interessierte Endkunden können E-Bikes mit ABS dann ab Herbst/Winter 2018 im Laden kaufen.

Funktioniert das ABS mit allen Bremsenherstellern?

CF: Wir haben unser Produkt mit Magura entwickelt, die ein Bremssystem speziell auf ABS ausgelegt haben. Die hydraulischen Bremsen und das elektronische Bremssystem müssen sehr exakt aufeinander abgestimmt sein. In den Modelljahren 2018/19 wird es nur diese Kombination geben.

Ihr Ziel ist es, das E-Biken auf das nächsthöhere Sicherheitslevel zu bringen. Geht es künftig überhaupt noch höher?

CF: Ich möchte nicht ausschließen, dass die Innovationskurve weitergeht. Unseren Ingenieuren bei Bosch wird da noch genug einfallen. Wenn man sieht, wie sich das ABS bei Autos und Motorrädern entwickelt hat, könnte ich mir schon vorstellen, dass wir bei der Integration der Bauteile, der Ergonomie und der Performance des ABS noch Luft nach oben haben.

Hat das ABS für E-Bikes das Potenzial zum Massenphänomen?

CF: Ja, das hat es. Die Analogien beim Auto und beim Motorrad zeigen, dass solche Systeme zunächst eine Sonderausstattung im Premium-Segment sind, dann serienmäßig werden und in der unteren Preisklasse optional, und irgendwann werden sie gegebenenfalls gesetzlich vorgegeben. Ich glaube schon, dass ABS bei den hochwertigen Pedelecs Standard wird. Ich könnte mir vorstellen, dass in einigen Jahren die Bereiche City/Trekking überwiegend mit ABS ausgestattet sind.

Gilt das auch für E-MTB?

CF: Möchte ich nicht ausschließen, wird aber noch ein längerer Weg sein. Das E-MTB hat eine andere Zielgruppe. Die ist ja sehr sportlich und enthusiastisch. Und in der Regel sind Sportler eher skeptisch gegenüber elektronischen Hilfen. Sie benötigen etwas mehr Zeit, um sich von Sinn und Nutzen der Technologie zu überzeugen. Das ist der psychologische Aspekt. Dann gibt es aber auch einen technischen. Der Fahrer ist – anders als beim Auto – relevant für das Gesamtgewicht. So gibt es bei einem 28-Zoll-Touring-Rad nicht so viele dynamische Schwerpunktverlagerungen wie zum Beispiel bei einem voll gefederten Mountainbike. Und das muss man beim ABS-Algorithmus berücksichtigen.

War Ihnen mit der Gründung von Bosch eBike Systems klar, dass der elektrische Motor irgendwann eine elektrische Bremse brauchen wird?

CF: Noch nicht im Jahr 2009, aber spätestens zwei Jahre danach. Was ja logisch ist. Bosch ist führender Hersteller beim Motorrad-ABS und inzwischen auch einer der Treiber im E-Bike-Markt. Das passt doch prima zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fleischer. (sih)

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