Christian Lindner über Elektromobilität und Dieselfahrverbote

Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) haben bei den Themen Elektro-Autos und Elektromobilität bereits Stellung bezogen. Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, über Elektromobilität, Abgas-Skandale und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.

"Fahrverbote müssen um jeden Preis verhindert werden"

Herr Lindner, insgesamt steht die deutsche Autoindustrie am Pranger, eigentlich wie nie zuvor. Zu Recht?

Lindner: Ja. Die Automobilindustrie steht zurecht in der Kritik, denn die Fahrzeuge, die die Menschen gekauft haben, die halten nicht das, was versprochen worden ist. Da ist manipuliert worden beim Diesel. Und deshalb kann es da keine falsche Rücksichtnahme geben. Die Kundinnen und Kunden müssen entschädigt werden, so, wie die Kunden von VW auch in den Vereinigten Staaten. Das heißt, ein Software-Update reicht nicht aus. Nötigenfalls muss der Motor umgebaut werden, wenn die Kunden das wünschen oder eine andere Einigung erzielt werden. Da muss man in Kauf nehmen, dass die Aktionäre, beispielsweise von VW, dann einige Jahre keine Dividende erhalten. Sie hätten vorher eben andere Vorstände benennen müssen.

Und sind, wenn es verbindliche Luftbelastungswerte gibt und diese überschritten werden, Fahrverbote das einzig mögliche unmittelbare Mittel, um diese Werte zu verbessern?

Lindner: Nein. Fahrverbote müssen um jeden Preis verhindert werden, weil das eine Enteignung der Dieselfahrer wäre. Und deshalb müssen alle möglichen Maßnahmen jetzt schnell umgesetzt werden, von der Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs, also Busse oder auch die Müllabfuhr, über die Sanierung von Heizungen, die Modernisierung von Heizungen in den Großstädten, intelligente Verkehrsführung, damit es überhaupt gar nicht zu Stauungen kommt. Also, das gesamte Maßnahmenpaket muss auf den Tisch, damit Fahrverbote ...

Aber diese Maßnahmen, die brauchen mehr Zeit, als dass Gerichte Urteile verhängen werden.

Lindner: Ich sehe sehr kritisch, wie gegenwärtig hier auch ideologisiert gearbeitet wird. Und ich hinterfrage auch die Motive der Deutschen Umwelthilfe. Das ist kein gemeinnütziger Verein.

Auch die der Justiz?

Lindner: Die Justiz urteilt das, was an Antrag vorgelegt wird, also was an Klage eingereicht wird auf der Grundlage von Grenzwerten, die aus Brüssel kommen. Und ich will darauf hinweisen: Die Deutsche Umwelthilfe ist keine gemeinnützige Organisation, wie das Bundesumweltamt auch keine Behörde, sondern da gibt es auch ökonomische Interessen, die im Spiel sind. Da gibt es auch Sponsorengelder.

Damit das nur mal klar ist, dass wir hier Zeugen werden auch einer Auseinandersetzung um Technologien und um Marktanteile. Und deshalb: Der Staat als Schiedsrichter muss alle Maßnahmen einleiten, um hier Wettbewerbsneutralität zu erhalten, Technologieoffenheit zu erhalten, um die Dieselfahrer auch zu schützen, die eben darauf vertrauten, dass wenn sie vor wenigen Jahren ein Auto gekauft haben, damit auch länger arbeiten und fahren können.

Benziner oder Diesel? Was raten Sie einem Verbraucher, der heute oder morgen vor dieser Frage steht?

Lindner: Ich beteilige mich nicht als Politikwissenschaftler an Ratschlägen und ich bin auch kein Verbraucherschützer und bin auch kein Ingenieur. Und generell wundere ich mich darüber, wie stark die Politik hier eingreift. Ich empfehle einen anderen Zugang. Wir geben Ziele vor – Klimaschutz, Klimaschutzziele. Aber der Weg dahin, sowohl bei der Energieerzeugung als auch bei der Mobilität, der sollte der Kreativität der Ingenieure vorbehalten bleiben. Wir brauchen Technologieoffenheit.

Mich hat verstört, dass Frau Merkel sich das von den Grünen ausgegebene Ziel nahezu zu eigen gemacht hat, im Jahr 2030 auf den Verbrennungsmotor zu verzichten. Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann, der den Grünen angehört, hat das Programm der Grünen in diesem Punkt, wenn ich es richtig erinnere, als „Schwachsinn“ bezeichnet. Und er hat recht. Denn reine Elektromobilität ist angesichts von so viel Braunkohle, die für die Batterien benötigt werden würde, um sie zu laden, ökologisch schlechter als moderne Verbrennungsmotoren.

"Das Verhalten von VW ist skandalös"

Würden Sie sich heute noch guten Gewissens einen Diesel kaufen?

Lindner: Ja. Ich finde es unverantwortlich, wie nicht nur die Grünen die Autoindustrie schlechtreden. Wenn die Umweltministerin (Anm.d.Red.: Barbara Hendricks, SPD) nur Diesel mit der Euro-6d-Norm von Fahrverboten ausnehmen will, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Es gibt ja diese besagten Autos noch nicht einmal im Handel. Wenn die Umweltministerin so weitermacht, redet sie eine Schlüsselindustrie in den Niedergang.

Aber auch Frau Merkel hält das Ende der Verbrennungsmotoren für gekommen.

Lindner: Ich habe das mit Erstaunen gelesen. Von mir werden Sie eine solche Aussage nicht hören. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass es den Diesel auch in mehreren Jahrzehnten noch geben wird. Auf der anderen Seite warne ich davor, die Erwartungen in die Elektromobilität fast schon religiös zu überhöhen. Wir sollten die Mobilität der Zukunft nicht am grünen Tisch festlegen, sondern technologieoffen forschen.

Die FDP will die Entscheidung über ökologisch überzeugende Antriebe der Kreativität der Ingenieure überlassen. Wegdiskutieren lassen sich die Abgas-Manipulationen aber nicht.

Lindner: Natürlich nicht. Ich finde das Verhalten von VW und anderen skandalös. Deshalb müssen die betreffenden Autobauer auch die Käufer entschädigen und die Autos entsprechend nachrüsten. Entschädigungen dürfen nicht das Privileg von Käufern in den USA sein.

 

 

 

Quelle: FDP Presse / Interview-Auszug aus „Deutschlandfunk“ und dem „Fränkischen Tag“. Die Fragen stellten Christoph Hägele (Fränkischer Tag) und Klaus Remme (Deutschlandfunk)

Bildnachweis: christian-lindner.de

 

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