Kommunale Handlungsmöglichkeiten nach dem Diesel-Urteil

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Mit den Urteilen vom 27.02.2018 des Bundesverwaltungsgerichts sind Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge grundsätzlich zulässig. Experte Christian Mayer gibt eine Einschätzung zu den Diesel-Urteilen und kommunalen Handlungsmöglichkeiten. 

Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß der Pressemitteilung zu den beiden Urteilen vom 27.02.2018 – die schriftlichen Gründe werden erst kurz vor Ostern veröffentlicht – hält das Bundesverwaltungsgericht Zonen wie streckenbezogene Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge nach Bundesrecht für nicht zulässig. Für den Erlass von Verkehrsverboten gelte die spezialgesetzliche „Plakettenregelung“ (rote, gelbe und grüne Plakette).

Nach europäischem Recht hingegen sind Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge rechtlich zulässig. Da die schnellstmögliche Einhaltung der NO2-Grenzwerte eine unionsrechtliche Verpflichtung ist, die aus den europäischen Richtlinien folgt, kommt das Bundesverwaltungsgericht zu folgendem Ergebnis: Die „Plakettenregelung“ sowie die Straßenverkehrsordnung müssen soweit sie der Verpflichtung zur NO2-Grenzwerteinhaltung entgegenstehen, unangewendet bleiben, wenn sich ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge als einzige geeignete Maßnahme erweist, um den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO2-Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Ungeachtet nationaler Bestimmungen sind Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge damit – als kurzfristige Ultima Ratio – zulässig.

Allerdings müssen die zuständigen Behörden nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ihre Luftreinhaltepläne und die dort verankerten Maßnahmen daraufhin prüfen, dass der auch im Europäischen Recht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Aus diesem Grund dürfen Euro-5-Dieselfahrzeuge nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor dem 01.09.2019 (vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6) mit einem Verkehrsverbot belegt werden. 


Kommunale Handlungsmöglichkeiten

Diese Urteile des Bundesverwaltungsgerichts werden weitreichende Auswirkungen haben.Viele betroffene Kommunen müssen ihre Luftreinhaltepläne überarbeiten und – mindestens – um gleich geeignete, ebenso kurzfristige Maßnahmen wie ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge ergänzen. Andernfalls müssen Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge als Ultima Ratio ergriffen werden.

Privilegierung von Elektrofahrzeugen

Bereits viele Luftreinhaltepläne enthalten unterschiedliche Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität in einer Kommune. Dabei stehen den Kommunen unterschiedliche Handlungsinstrumente zur Verfügung. Sie können von den, durch das Elektromobilitätsgesetz geschaffenen Möglichkeiten zur Privilegierung von Elektrofahrzeugen Gebrauch machen. Namentlich also Sonderparkplätze für Elektrofahrzeuge ausweisen, Elektrofahrzeuge von Parkgebühren befreien, Busspuren für Elektrofahrzeugefreigeben sowie Ausnahmen von Zu- und Durchfahrtsbeschränkungen für Elektrofahrzeuge gewähren.

Förderprogramme und Beschaffungsinitiativen

Weitere probate kommunale Handlungsinstrumente sind insbesondere kommunale Förderprogramme, wie sie etwa in der Landeshauptstadt München seit mehreren Jahren erfolgreich angeboten werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es zu keiner Doppelförderung kommt. Die Förderprogramme müssen mithin Fördergegenstände adressieren, die nicht andernorts (Bundes- und/oder Landesförderung) bereits gefördert werden.

Häufig strengen Kommunen außerdem sogenannte „Beschaffungsinitiativen“ für ihre kommunalen Fuhrparks an. Diese Umstellung der kommunalen Flotten auf Elektrofahrzeuge wird inzwischen auch breit von der Bundesregierung gefördert. Gleiches gilt für die Umstellung des ÖPNV auf Elektromobilität, wobei hier ein veritables Hindernis die im Grunde nicht verfügbaren elektrischen Busse sind. Insoweit bleibt zu hoffen, dass die europäischen Hersteller zeitnah ein breites Angebot in großer Stückzahl bereitstellen.

Von kommunaler Planungshoheit Gebrauch machen

Zuletzt soll hier noch dafür geworben werden, dass Kommunen bei der Förderung von Elektromobilität zur Luftreinhaltung von einem, ihnen ureigenen Handlungsinstrument Gebrauch machen: der kommunalen Planungshoheit. Immer mehr Kommunen verknüpfen Quartiersentwicklungen mit verbindlichen Mobilitätskonzepten, die darauf abzielen, teure – oft ungenutzte– Stellplätze durch alternative Mobilitätsangebote zu substituieren.

Immobilienentwickler können verpflichtet werden, einen Teil der eingesparten Herstellungskosten für Stellplätze in alternative Mobilitätsangebote zu investieren. Dadurch werden diese Angebote (noch) attraktiver und leisten ihren Beitrag dazu, dass die Bewohner eines Quartiers auf eigene Fahrzeuge verzichten. Modellprojekte hierfür sind beispielsweise die LINCOLN-Siedlung in Darmstadt und das neue Benjamin-Franklin-Village in Mannheim.

Alle erforderlichen Handlungsinstrumente zur Umsetzung solcher Quartiersentwicklungen und Mobilitätskonzepte hat die Kommune selbst in der Hand: Bauleitplanung, Stellplatzsatzung, städtebauliche Verträge sowie zivilrechtliche Verpflichtungen in Grundstückskaufverträgen. Wie so oft braucht es aber selbstredend einen politischen Willen, diese Instrumente auch wirksam einzusetzen. Dazu leisten hoffentlich die nun sehr konkret drohenden Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ihren Beitrag.

 

Dieser Fachbeitrag geht auf einen Vortrag des Autors auf der 5. Fachkonferenz Elektromobilität am 27.02.2018 in Leipzig zurück. Der vollständige Beitrag ist in der neuen Ausgabe des eMobilJournals erschienen. Mehr zu unserer Fachzeitschrift für Smart Mobility erfahren Sie hier

 

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