Elektromobilität 2018 – Eine Bestandsaufnahme

Die Mobilitätsbranche befindet sich im Umbruch: Autohersteller, Zulieferer, Energieversorger und Politik arbeiten weltweit auf möglichst umweltfreundliche Antriebslösungen hin. Wo ist Elektromobilität bereits heute erfolgreich? Und was braucht es für eine nachhaltige Mobilitätstransformation, gerade in Deutschland? Ein Gastbeitrag von Gerald Friederici.

Die Politik macht Druck

„Wer erinnert sich nicht an die Worte von Angela Merkel 2013, als sie das Ziel formulierte, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Strasse zu bringen. Längst ist diese Aussage zu einem Treppenwitz der Geschichte geworden, denn selbst Ende 2017 wurden nur 25056 Elektrofahrzeuge (davon 114.000 Hybridfahrzeuge) neu zugelassen. Erfolgsgeschichten wie die von Tesla, von enorm gestiegene Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge wie in Norwegen oder über 16.000 Elektrobusse in der Großstadt Shenzhen sind in Deutschland bislang ausgeblieben.

Keine Frage: gerade Chinas Großstädte müssen etwas gegen die unerträgliche Luftverschmutzung in den Innenstädten tun. Und dafür ist die chinesische Regierung auch bereit, enorme Subventionen zu zahlen. Als Land, das bereits heute über enorme Mengen an Strom aus regenerativen Energiequellen verfügt, treibt es mit solchen Zahlen die Industrienationen in Europa bei der Elektromobilität vor sich her. Ab 2019 werden PKW-Importeure zudem mindestens 10 Prozent ihrer Verkaufserlöse mit Elektromobilen erzielen müssen. Andernfalls droht der Ausschluss aus dem chinesischen Handel.

Aber auch europäische Großstädte und Regierungen machen Druck. Spätestens 2030 sollen nur noch Elektrofahrzeuge nach Paris einfahren dürfen. Selbst komplette Ausstiegsszenarien aus dem Verbrennungsmotor ab 2050 werden bereits intensiv diskutiert  - zum Beispiel in Japan. Allerdings sind solche Planungszeiträume in der schnelllebigen Zeit heute mit großen Unsicherheiten verbunden. Selbst die 2015 in Paris beschlossenen Klimaschutzziele für 2020 werden nicht erreicht werden und der Europäische Gerichtshof muss deutsche Behörden dazu zwingen, Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Innenstädten durchzusetzen.

Viel konkreter ist da die nächste Reduktionsstufe bei dem CO2-Ausstoß. Denn 95 g/ 100 km im Flottendurchschnitt ist mit PS-starken, schwergewichtigen SUV und Limousinen selbst bei bester Motortechnik nicht zu erreichen. Deswegen arbeiten alle europäischen Automobil-Hersteller fieberhaft an Modellreihen, die elektrifiziert sind. Denn ab 2020 ist sonst pro verkauftem Fahrzeug eine Strafgebühr von 95 Euro fällig. Was sich wenig anhört, wird bei über drei Million neu zugelassener PKW in Deutschland doch schmerzhaft. Gerade die breit aufgestellten Unternehmen wie VW, Mercedes und BMW stehen daher unter Druck, Lösungen anzubieten, die vom Markt auch angenommen werden.

Vorbehalte gegenüber Elektromobilität sind eine Herausforderung

Dass 80 Prozent aller Fahrten heute bereits mit den auf dem Markt befindlichen reinelektrischen Fahrzeugen ohne Probleme bewältigt werden könnten, ist zwar eine anerkannte Tatsache: Dennoch werden immer noch das unzulängliche Ladesäulen-Netz und die mangelnde Reichweite als Haupthinderungsgrund genannt. Während sich noch hierzulande Allianzen der Automobilhersteller, Stromanbieter und großen Erdölkonzerne bilden, um europaweit eine halbwegs ausreichende Anzahl an Ladesäulen zu installieren, versorgt Tesla bereits mit über 11.000 Schnellladestationen europaweit seine Kundschaft. An diesen Stationen kann man innerhalb 30 Minuten die volle Reichweite von über 400 Kilometer nachladen, während ein e-Golf bei einem Vielfachen der Ladezeit erreicht.

Fieberhaft arbeiten daher Automobilhersteller an neuen Lösungen, die auf der einen Seite diese Nachteile (geringe Reichweite, fehlendes Ladenetzwerk) verringern sollen und gleichzeitig die Elektromobilität für die breite Masse der Autokäufer bezahlbar und damit attraktiv machen. Doch die Abhängigkeit aller Hersteller von der Vorherrschaft Asiens in der Batterieherstellung lässt gerade den teuersten Einzelposten in einem Elektrofahrzeug zu einem schwer kalkulierbaren Risiko werden. Neben dem Lithium, dass zwar in den letzten Jahren erhebliche Preissteigerungen durchgemacht hat, jedoch nicht zu den wirklich knappen Ressourcen gehört, wird bei steigenden Produktionszahlen das derzeit  noch notwendige Kobalt ein Flaschenhals werden. Auch die Produktionskapazität der Lithium-Ionen-Hersteller sind begrenzt und werden durch Hersteller wie Samsung, HTC und Apple und Anbieter von Solarstrom-Speichern maßgeblich belegt.

Es ist ein breites Feld an Aufgaben, das auf die Automobilhersteller, aber auch auf uns als Gesellschaft zukommt. Klimaschutzziele werden nicht erreicht werden können, wenn wir weiterhin bei Verkehr, Industrie und Haushalte auf endliche Ressourcen wie Erdöl, Braunkohle oder Erdgas als Energieträger setzen. Bereits heute werden in Deutschland über ein Drittel des Bedarfs an elektrischer Energie aus regenerativen Energien gewonnen. Durch die vielen dezentralen Einspeiser (Windkraft, Solarenergie) muss jedoch zukünftig das Versorgungsnetz ausgebaut und smarter werden.  Nicht nur, damit günstiger Windstrom von der Nordsee auch in Süddeutschland verwendet werden kann, sondern um den zukünftigen Anforderungen eines elektrifizierten Verkehrs gerecht zu werden.

Der Schwerlastverkehr ist eine der Hauptquellen für CO2 Emissionen

In 2018 wurden drei Teststrecken für das Laden von Elektro-LKW und Elektrobussen auf deutschen Autobahnen aufgebaut. Hier sollen die reinelektrischen Fahrzeuge während der Fahrt über Oberleitungen aufgeladen werden. Ziel des Versuches ist, den Schwerlastverkehr nach und nach von volumenstarken Dieselmotoren auf Elektroantrieb umzustellen. Und gerade der Bereich der „Heavy Vehicle“ bietet erstklassige Möglichkeiten, ausreichend große Batterien im Zugfahrzeug unter zu bringen.

Weder Raum- noch Gewichtsbedarf sind in ihren Auswirkungen so gravierend wie bei PKWs. Selbst die sich noch sehr zögerlich durchsetzende Technologie der Brennstoffzellen ist in LKWs gut unterbringen. COOP und Esoro beweisen das mit dem weltweit ersten LKW der 34-Tonnen-Klasse. Die Total Cost of Ownership stellen sich trotz noch teurer Brennstoffzellen-Technik wegen Steuerbefreiungen, Förderungen und vor allem geringeren Wartungsaufwänden beim Elektroantrieb durchaus attraktiv dar und führen dazu, dass Betreiber großer LKW-Flotten über einen Umstieg nachdenken.

Zudem wird von Fachleuten Wasserstoff als der zukünftig aussichtsreichste Energiespeicher für regenerative Energie gesehen und der japanische Autohersteller Toyota beweist mit dem Mirai, dass Wasserstoff-Fahrzeuge auch in Serie herzustellen sind. Dennoch werden derzeit Milliarden an Investitionen vor allen in die Batterietechnologie gesteckt, weil sie einen schnelleren Erfolg bei dem Umbau der Antriebstechnologie verspricht. Auch darf man nicht unterschätzen, dass heute noch mehr als 85 Prozent des Wasserstoffs über die Dampfreformation aus Erdgas hergestellt wird und nicht aus Elektrolyseuren stammt.

Vorreiter ist auch Flixbus, Europas größter Betreiber eines Fernbusnetzes mit 1.500 Bussen. Flixbus wird dazu kommendes Jahr zunächst zwei vollelektrische Busse für den Einsatz in ihrem Reisenetz testen. Doch weder ein eCitaro von Mercedes oder ein Lion`s City E von MAN kommen zum Einsatz, sondern zwei Busse aus China (Yutong, BYD). Ein ähnliches Problem haben etliche deutsche Bürgermeister, die seit diesem Jahr einen Fördertopf zur Umrüstung des ÖPNV haben, jedoch keine emissionsfreie Busse bei den heimischen Herstellern kaufen können.

Das iPhone ist Kult, TESLA ist Kult - aber wie angesagt ist ein Elektromotor in einem normalen PKW?

Das moderne Mobiltelefon mit Touchscreen und vielerlei Funktionen hat sich binnen weniger Jahre durchgesetzt. Es bedurfte keines äußeren Drucks, damit wir Verbraucher dieses heute kaum noch verzichtbare Stück Lebensqualität angenommen haben. Bei der Autoindustrie ist das anders. Über 100 Jahre Entwicklung in immer bessere Verbrennermotoren, die Lobbymacht der großen Konzerne und auch das Verbraucherverhalten verhinderten bislang, dass sich neue Antriebskonzepte durchsetzen konnten.

Nun kommt Bewegung in die Sache – in China ist es die übermäßige Luftverschmutzung, in Europa die nächste Stufe der CO2-Regulierung. Für die europäische Automobilindustrie sind die vergangenen zwei, drei Jahre nur der Auftakt gewesen zu einem Wettrennen um die Vorherrschaft im Zukunftsmarkt „Auto“. Denn die klassische Front weniger großer Automobilhersteller in der Welt bröckelt angesichts der kommenden Herausforderungen. Diese liegen nicht nur im Verbrennermotor, sondern auch bei der Entwicklung hin zum autonomen Fahren, intelligenten Lösungen für die Elektrifizierung des Verkehrs  - Stichwort Smart Grid - und der Anpassung an gesellschaftliche Trends wie der Verzicht auf ein eigenes Fahrzeug.

Die Zukunft hat schon längst begonnen

Die 15 größten Technologieunternehmen (z.B. Google, Amazon, Samsung) haben einen fünfmal höheren Börsenwert wie die größten 25 Autohersteller. Sie drängen mit völlig neuen Ideen und Ansätzen in einen bislang gut geschützten, automobilen Markt. Sie sind finanziell und technologisch gerüstet für den Kampf um die Vorherrschaft in der Mobilitätswelt der Zukunft. Selbst zwei deutsche Beispiele zeigen, dass Fahrzeuge nicht mehr von VW, GM, Toyota oder Fiat kommen müssen: Der Streetscooter der Deutschen Post DHL Gruppe und der e.GO aus Aachen zeigen, dass es möglich ist.

Das Jahr 2020 wird uns Verbraucher stärker denn jemals zuvor vor die Wahl stellen, wie wir unsere mobile Zukunft gestalten wollen. Elektromobilität ist dann keine Evolution mehr, sondern wird zur Revolution.“

 

Über den Autor: Gerald Friederici ist Prokurist bei CMC Klebetechnik GmbH in Frankfurt am Main. Er ist Gründungsmitglied des Fachverbands EWIS und des ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. und seit 2016 Vorsitzender des Technischen Komitees und Beiratsmitglied im Fachverband „Electrical Winding & Insulation Systems“.

 

 

 

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