Reichweite bei Batteriezügen: Schnell und günstig machbar?

Nicht nur auf der Straße, auch auf der Schiene stellt sich inzwischen die Reichweiten-Frage: wie sieht ein schnell umsetzbares, kosteneffizientes und technisch sinnvolles Batteriesystem bei Triebzügen aus? Der Elektrotechnik-Verband VDE hat einen Vorschlag.

Batterie ist nicht gleich Batterie

Tausende Kilometer im deutschen Eisenbahnnetz sind nicht elektrifiziert: hier fehlen Oberleitungen zur Energieversorgung elektrisch betriebener Züge. Diese Lücken zu stopfen, ist zwar möglich, aber kostenintensiv: knapp 12 Milliarden Euro würde die flächendeckende Elektrifizierung der Nebenstrecken nach Experten-Einschätzungen kosten. Eine Alternative sind oberleitungsunabhängige Triebzüge mit Brennstoffzellen- oder Batterieantrieb; letzteres hatte der kanadische Bahnausrüster Bombardier jüngst vorgestellt.

Doch auch hier gilt: Batterie ist nicht gleich Batterie. Welche Technologie am zügigsten eine Reichweite von mehr als 80 Kilometern bei günstigeren Kosten verspricht, zeigt der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) in seiner aktuellen Studie „Batteriesysteme für Schienentriebzüge“ auf.

Zwei Batterien für zwei Anforderungsprofile

Die Studienautoren schlagen in ihrem Fazit ein zweigleisiges Batteriekonzept vor, welches das Gesamt-Batteriesystem in zwei parallele Stränge aufteilt: in eine Reichweiten-Batterie mit hoher Energiedichte und eine Dynamik-Batterie mit hoher Leistungsdichte. Letztere wird für die Beschleunigung genutzt und dient der Speicherung der Rekuperationsenergie aus den Elektromotoren. Abgesehen von „wesentlichen“ Kostenvorteilen sei die stetig wachsende Reichweite ein weiterer positiver Nebeneffekt dieser Vorgehensweise, so die VDE-Experten.

Bislang setzt die Bahnbranche auf Traktionsbatterien mit sogenannte Lithium-Titanat-Oxid (LTO) –Anoden mit hoher Leistungsdichte, da sie den Ruf genießen, die hohen Anforderungen an Schienentriebzüge über Jahrzehnte zu erfüllen. LTO ist zudem ein sehr sicheres Material und verfügt über sehr gute Entladecharakteristiken selbst bei niedrigen Temperaturen. Ein Nachteil der LTO-Zellen ist jedoch ihre tendenziell niedrige Energiedichte mit 60 Wh/kg, was dem Triebfahrzeug erhebliche Gewichtsprobleme bescheren kann.

Die Autobranche gibt den Takt vor

„Die hohe Leistungsdichte von Lithium-Ionen-Zellen mit LTO-Anoden ist vor allem beim Anfahren und Beschleunigen notwendig, Reichweite schafft sie aber nicht. Mehr als 80 Kilometer sind mit Akku-Schienentriebzügen, die nur auf LTO-Zellen basieren, auf lange Sicht technisch nicht drin“, erklärt Studienautor Wolfgang Klebsch vom VDE. Das wichtigste Argument gegen diese Lösung sei jedoch, dass bei LTO-Traktionsbatterien kaum noch größere Innovationssprünge zu erwarten sind.

Klebsch und seine Kollegen empfehlen daher den Einsatz einer zweiten Batterielösung, die auf Standard-Zellchemien wie NCA/C, NCM/C oder LFP/C basiert: Diese werden unterem anderen von Panasonic, Tesla, Toyota, Nissan und weiteren asiatischen Autoherstellern verwendet. „Der Innovationsdruck ist bei dieser Vielzahl von Herstellern enorm. Sie alle konkurrieren um noch mehr Reichweite bei niedrigeren Kosten“, begründet Klebsch und weist auf die Vorteile dieser Technologie hin: „Die Automobilbranche erwartet bis 2030, dass die Grenzkosten für Lithium-Ionen-Zellen auf unter 100 Euro pro kWh fallen. Hiervon kann auch die Eisenbahn profitieren“. Mittelfristig würden so die Kosten fallen und nicht stagnieren, wie das bei LTO der Fall sei.

Die Wahl einer Zelltechnologie ist ein Optimierungsproblem, bei dem die Aspekte Leistungsdichte, Energiedichte, Zyklenfestigkeit, Lade-/Entladeströme, Kosten pro kWh, aber auch langfristige Verfügbarkeit und Wettbewerb der Anbieter eine wichtige Rolle spielen. Für die VDE-Experten überzeugt das Kathodenmaterial NCM hinsichtlich der Planbarkeit seiner Verbesserungen und Optimierungen, insbesondere angesichts der Vielzahl von Zellherstellern, die sich weltweit beteiligen. Sie bietet die Option, prinzipiell unabhängig von der gewählten Anode höhere Energiedichten zu realisieren.

Batterieforschung in Deutschland stärken

„Die Wahl einer Batterielösung für Triebzüge entspricht letztlich der Entscheidung an einer Weiche, die auf zwei separate Technologie-Schienen führt. Wer auf LTO setzt, denkt konservativ an lange Laufzeiten von 30 Jahren mit wenigen Wartungszyklen und ist bereit, hierfür einen hohen Preis zu zahlen. Wer auf Standard-Zellchemien wie NCM/C setzt, will an Innovationszyklen teilhaben und erwartet, dass sich über die Zeit sowohl die Kosten rechnen wie auch die Reichweite sich ständig verbessert“, fasst VDE-Experte Klebsch zusammen. Technisch sei die vom VDE vorgeschlagene Lösung, das Gesamt-Batteriesystem des Triebzuges in zwei parallele Stränge aufzuteilen, definitiv machbar.

Unabhängig davon für welchen Pfad sich die Hersteller entscheiden, appelliere man als Verband an die Politik, die Batterieforschung in Deutschland stärker zu fördern. Gleiches gelte für innovative Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind. „Der VDE begrüßt umso mehr die Entwicklung von Batteriezügen, wenn zukünftig auch deutsche und europäische Anbieter bei innovativen Zelltechnologien beteiligt sein werden“, so Klebsch abschließend. (aho)

 

Quelle: VDE via Newsletter

 

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