HEAT

Er ist da – der neue Kleinbus für HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation), das deutschlandweit einmalige Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Integration eines autonomen Shuttlebusses in den regulären Straßenverkehr.

5 Meter lang, knapp 3 Tonnen schwer, elektrisch angetrieben und damit emissionsfrei wird der Shuttlebus ab Mitte 2020 bis zu 10 Fahrgästen Platz für die Fahrt durch die Hamburger HafenCity bieten. Der jüngste Spross der HOCHBAHN-Flotte soll dabei selbständig fahren, wobei anfangs noch ein Fahrzeugbegleiter an Bord sein wird. Um seinen Weg auf der Teststrecke sicher zu fahren, kommuniziert er laufend mit der auf der Strecke installierten Sensorik und der zentralen HOCHBAHN-Leitstelle. Noch im August wird der Probebetrieb starten.

Das Ziel des Forschungs- und Entwicklungsprojektes HEAT ist absolutes Neuland und dementsprechend ehrgeizig: Es soll erforscht und im Erfolgsfall nachgewiesen werden, dass selbstständig fahrende Kleinbusse vollständig in den Straßenverkehr und den ÖPNV einer Metropole integriert werden können. Das HEAT-Fahrzeug wird unter realen Bedingungen im öffentlichen Straßenraum getestet und soll – so der Untersuchungsansatz des Projektes – mit bis zu 50 km/h autonom fahren können.

Michael Westhagemann, Hamburgs Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, betonte bei der Fahrzeugpräsentation: „HEAT bietet der Stadt die Chance, das automatisierte und vernetzte Fahren selbst in allen Facetten zu erforschen. Dabei gilt für uns: Safety first! Die Akzeptanz bei den Menschen ist ein wesentlicher Faktor für den künftigen Einsatz von autonomen Fahrzeugen. Mit der herstelleroffenen Teststrecke für vernetztes und automatisiertes Fahren und mit dem Projekt HEAT machen wir deutlich, dass wir neue Mobilitätsangebote in Hamburg ausprobieren wollen und der Industrie und Wissenschaft dafür optimale Bedingungen bieten. Beim ITS-Weltkongress 2021 werden wir mit HEAT und vielen weiteren Projekten zeigen, dass Hamburg Vorreiter bei innovativen Mobilitätslösungen ist.“

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN), die für die Projektleitung, die betriebliche Umsetzung und die Einbindung der Leitstelle verantwortlich ist: „Die Mobilität der Zukunft ist emissionsfrei und konsequent auf die Bedarfe der Kunden zugeschnitten. Autonomes Fahren bietet uns eine Perspektive, noch attraktivere Angebote zu schaffen. Gerade zu Tageszeiten oder für Gebiete, in denen konventionelle ÖPNV-Lösungen heute wirtschaftlich an ihre Grenzen stoßen und deshalb nicht attraktiv genug sind, um die Menschen zum Umsteigen vom privaten Pkw zu motivieren.“

Wesentliches Kennzeichen des HEAT-Projektes ist ein stufenweises Vorgehen. In der ersten Phase, die mit dem Probebetrieb startet, wird es auf einer festgelegten Strecke einen Testbetrieb ohne Fahrgäste und mit einem professionellen Fahrzeugbegleiter geben, der bei Bedarf unmittelbar eingreifen kann. Ab Mitte 2020 sollen dann auch erstmals Fahrgäste mitgenommen werden, ein Fahrzeugbegleiter wird weiter an Bord sein. Bis zum ITS-Weltkongress im Oktober 2021 soll dann der autonome Betrieb (ohne Fahrzeugbegleiter) gemäß SAE Level 4 erfolgen.

Matthias Kratzsch, Geschäftsführer IAV: „Das Projekt HEAT ist ein Paradebeispiel, wie die Mobilität der Zukunft erfolgreich gestaltet werden kann: im Zusammenspiel von Stadt, ÖPNV und sich in ihren Stärken ergänzenden Unternehmen. IAV arbeitet bereits seit 1995 an verschiedensten Technologien rund um das automatisierte Fahren. All diese Erfahrung bringen wir in das HEAT-Konsortium ein. Mit dem selbständig fahrenden Kleinbus gelangt ein umweltfreundliches Verkehrsmittel auf Hamburgs Straßen, das technologische Maßstäbe setzt.“ IAV ist im Projekt für die Entwicklung, die Bereitstellung und die Wartung des Fahrzeugs verantwortlich.

Der von IAV entwickelte Kleinbus ist aktuell für zehn Fahrgäste zugelassen und hat zwei Sitzbänke mit je vier Plätzen sowie eine klappbare Sitzbank mit zwei Plätzen. Zusätzlich ist er mit einer Rampe ausgestattet, sodass der Bus barrierefrei zugänglich ist. Die Batterien für den Elektroantrieb werden bei Vattenfall in der HafenCity aufgeladen.

Neben dem eigens für dieses Projekt entwickelten Fahrzeug stehen vor allem Fragen nach der verkehrs- und informationstechnischen Infrastruktur, der digitalen Leittechnik und den technischen Schnittstellen im Fokus des Forschungs- und Entwicklungsprojektes. Für die Integration in den realen Straßenverkehr und die dafür notwendige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ist neben der Ausstattung des Fahrzeugs mit Kameras, Radar und Lidar auch eine Ausrüstung der Strecke mit zusätzlicher, intelligenter Infrastruktur, unter anderem mit Sensorikelementen und digitalen Kommunikationssystemen, notwendig.

Darüber hinaus erfolgt eine Überwachung der Fahrzeugfahrt über die Leitstelle der HOCHBAHN, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrssituation dem Fahrzeug entsprechende Fahrbefehle geben kann. Fahrzeug, Infrastruktur und Leitstelle bilden das Gesamtsystem ab, das für hohe Sicherheit und Verfügbarkeit des autonomen Betriebs sorgen soll.

Markus Schlitt, Leiter Intelligent Traffic Systems der Siemens Mobility GmbH: „HEAT ist für uns ein Leuchtturmprojekt. Unsere intelligente Infrastruktur unterstützt den HEAT-Bus mit einer zusätzlichen Informations-ebene, die vorausschauendes Fahren ermöglicht. Das trägt zur Effizienz und vor allem Sicherheit beim autonomen Fahren bei. Darüber hinaus wird unser Shuttlemanagement der Hochbahn-Leitstelle dabei helfen, die Fahrzeuge der Zukunft effektiv steuern zu können.“

Für den Start des Probebetriebs war zunächst eine Straßenzulassung für ein komplett neues Fahrzeug erforderlich, das ganz andere Komponenten aufweist und auf klassische Komponenten wie beispielsweise Lenkrad und Außenspiegel komplett verzichten kann. Auch hier gilt der stufenweise Ansatz, der die Entwicklung der jeweils erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen im Rahmen des Projektes vorsieht. Die Genehmigung für den jetzt beginnenden Probebetrieb erhielt das Fahrzeug Mitte Juli.

Die erforderliche rechtliche Begleitung des HEAT-Projektes übernimmt das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM), welches sich auch mit den daraus abgeleiteten Anforderungen an das Fahrzeug, die Infrastruktur und den regelmäßigen Betrieb mit Fahrgästen befasst. Die Besonderheit beim autonomen Fahren liegt darin, dass die Technik alle Aufgaben des Fahrzeugführers in Bezug auf die Einhaltung der Verkehrsregeln übernehmen muss.

Matthias Hartwig, Projektverantwortlicher am IKEM: „HEAT soll zeigen, wie Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen ordnungsgemäß und sicher zugelassen und betrieben werden können. Das ist rechtliches Neuland. Im Probebetrieb des Fahrzeugs werden die Anforderungen an die Weiterentwicklung des Straßenverkehrsrechts nun konkret und greifbar. Damit setzt HEAT auch Impulse für die Gesetzgebung.“

Die Teststrecke in der Hamburger HafenCity wird insgesamt 1,8 Kilometer lang sein. Im Gegensatz zu den ersten Planungen musste die Strecke aufgrund von Großbauprojekten in der HafenCity verkürzt werden, was aber keinen Einfluss auf die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse des Projektes haben wird. Auf der Gesamtstrecke steuert der Kleinbus fünf Haltestellen an, davon drei reguläre HVV-Haltestellen und zwei für HEAT neu eingerichtete Haltestellen.

Der Testbetrieb ist hinsichtlich der Strecke bewusst stufenweise angelegt, um auf den einzelnen Stufen Erfahrungen zu sammeln und darauf aufbauend die Strecke zu verlängern, den Automatisierungsgrad zu erhöhen und die Geschwindigkeit zu steigern. Der Umfang und die stufenweise Entwicklung des Testbetriebs werden dabei so ausgerichtet, dass stets eine höchstmögliche Sicherheit gewährleistet ist, wie sie der Zulassungsprozess vorschreiben wird.

In der ersten Phase wird das Fahrzeug über die Straßen Am Dalmannkai, Großer Grasbrook, Am Sandtorkai und Am Sandtorpark fahren. Dabei wird mit dem Fahrzeug zunächst im Bereich Am Dalmannkai/Großer Grasbrook die selbständige Kreuzungsfahrt sowie die Kommunikation mit der Streckensensorik und der Leitstelle getestet. Danach soll der komplette Rundkurs selbstfahrend bewältigt werden. In der letzten Phase wird dann das Fahrzeug auch die Straße Am Kaiserkai nutzen und damit direkt an der Hamburger Elbphilharmonie entlangfahren.

Besondere Aufmerksamkeit im HEAT-Projekt gilt den Menschen, für die das neue Verkehrsangebot eines autonom fahrenden Busses gestaltet wird. Die Nutzung des Busses soll einfach, angenehm und mit einem hohen Sicherheitsgefühl verbunden sein. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) führt als Projektpartner die Begleitforschung durch, ermittelt die Nutzeranforderungen, leitet Hinweise für die Gestaltung der Fahrzeuge und des Verkehrsservices ab. Hinzu kommen die Evaluation der Akzeptanz bei den Fahrgästen und die Untersuchung des Zusammenwirkens weiterer Verkehrsteilnehmer mit dem System im Erprobungsgebiet der HafenCity Hamburg.

Dr. Annika Dreßler, DLR-Projektleiterin der Nutzerzentrierten Begleitforschung HEAT: „Wir wollen die Chance nutzen, öffentliche Mobilitätsangebote so zu gestalten, dass sie aus Nutzersicht eine attraktive Alternative zum eigenen Auto bieten. Um das zu erreichen, fragen wir die Nutzer selbst, was sie dafür brauchen und sich wünschen und entwickeln gemeinsam mit ihnen Ideen.“

Für die Finanzierung des Projektes HEAT hat die Freie und Hansestadt Hamburg Zusagen für Fördermittel des Bundesumweltministeriums in Höhe von insgesamt 3,7 Millionen Euro erhalten. Davon entfallen auf die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI), den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und Hamburg Verkehrsanlagen (HHVA) 2,7 Millionen Euro sowie auf die HOCHBAHN als Projektleitung 1 Million Euro. Ein wesentlicher Teil des Gesamtprojektes wird durch Eigenmittel der privaten Partner getragen.

Projektpartner: Hamburger Hochbahn AG, Behörde für Wirtschaft, Verkehr und InnovationIAVSiemens Mobility GmbHIKEMDLR