Trotz Sparkurs: Geld für Investitionen ist nach wie vor vorhanden.

Bei den Autokonzernen regiert der Rotstift. Nicht zuletzt die Belegschaften bekommen das zu spüren. An einer Stelle allerdings entwickeln sich die Ausgaben steil nach oben: Die Investitionen in die Elektromobilität verdoppelten sich 2018 nahezu.

Ambivalente Entwicklung

Aktuelle Zahlen von Ernst & Young (EY) verdeutlichen, wie ambivalent das Thema "Mobilität der Zukunft" sein kann. Auf der einen Seite ist von Entlassungen bis hin zur möglichen Schließung ganzer Werke mancher Autokonzerne die Rede und die Gesamtinvestitionen sinken. Dabei machen anstehende Umstrukturierungen beiweitem nicht an den Werkmauern der Autobauer halt, sondern ergreifen auch die mit diesen verbundenen Unternehmen wie die Zulieferer. Mancher Branchenexperte geht davon aus, dass kaum ein Stein auf dem anderen bleiben wird und dass im Ernstfall "alles verloren sein kann", wenn hierzulande der Zug der Elektromobilität nicht schnell und nachhaltig in Fahrt kommt.

Auch die Belegschaften der Unternehmen der Automotivebranche dürften mit wachsender Skepsis auf die aktuellen Entwicklungen schauen. Die auf der anderen Seite davon geprägt ist, dass die Investitionen in die Elektromobilität von den Autobauern massiv in die Höhe geschraubt werden.

Verdoppelung ohne Berücksichtigung der Forschungsgelder

2018 wurden von den von Ernst & Young betrachteten "führenden Autokonzernen" Investitionsprojekte im Zusammenhang mit der Produktion von Elektroautos mit einem Gesamtvolumen von 8,4 Milliarden Euro angekündigt beziehungsweise gestartet, ein Plus von 97 Prozent gegenüber 2017. Die Zahlen beziehen sich auf ortsgebundene Investitionsprojekte etwa in neue oder modernisierte Fabriken. Nicht berücksichtigt werden Forschungs- und Entwicklungskosten, die sich zumeist nicht konkreten Ländern zuordnen lassen.

Die Ausgaben konzentrierten sich auf einige wenige Standorte: In China wurden seit Anfang 2015 insgesamt 6,1 Milliarden Euro investiert, in Deutschland liegt das Investitionsvolumen bei 4,4 Milliarden Euro, in Frankreich bei 1,6 Milliarden Euro. Kaum Investitionen in die Produktion von Elektroautos gab es in den vergangenen Jahren hingegen in den USA – nur acht Projekte mit einem Gesamtvolumen von 1,1 Milliarden Euro wurden identifiziert. Im laufenden Jahr deute sich aber eine Trendwende an, so die Experten von EY.

Deutsche Autobauer besonders investitionsfreudig

Die drei deutschen Autokonzerne erwiesen sich in den vergangenen Jahren als besonders aktive Investoren im Bereich Elektromobilität: 29 derartige Investitionsprojekte mit einem Volumen von insgesamt 11,1 Milliarden Euro wurden seit Anfang 2016 von Volkswagen, BMW und Daimler gestartet. Die größten Investitionsprojekte des vergangenen Jahres wurden ebenfalls von den deutschen Konzernen angekündigt. Sie bezogen sich auf den Produktionsstandort China: BMW investiert drei Milliarden Euro in ein neues Werk in Tiexi und den Ausbau eines Werks in Dadong, unter anderem um dort jeweils parallel Fahrzeuge mit konventionellem und elektrischem Antrieb fertigen zu können. Daimler kündigte eine 1,5 Milliarden Euro teure Investition in Peking an.

Gesamtausgaben sinken

Während der Trend bei Investitionen in die Elektromobilität klar nach oben zeigt, waren die Autokonzerne bei sonstigen Investitionen – etwa in Werkserweiterungen, Lackierereien oder Testgelände – zurückhaltend. Um 16 Prozent – von 26,7 auf 22,4 Milliarden Euro – sank der Gesamtwert der neu angekündigten Investitionen der Autokonzerne im vergangenen Jahr.

Das sind Ergebnisse einer EY-Analyse der weltweiten Investitionstätigkeit der 16 führenden Automobilkonzerne. Dafür wurden öffentlich verfügbare Informationen über konkrete, ortsgebundene Investitionsprojekte aus Geschäftsberichten, Investorenpräsentationen oder Pressemitteilungen der Unternehmen ausgewertet. Investitionsprojekte, die sich über mehrere Jahre erstrecken, wurden dem Jahr des Projektstarts zugeordnet.

Kurzfristig sinkende Gewinne erwartet

Constantin Gall, Leiter des Bereichs Automotive & Transportation bei EY: „Viele Hersteller setzen gerade alles auf eine Karte. Sie nehmen Milliardensummen für die Entwicklung und den Ausbau der Produktion von Elektroautos in die Hand und sparen massiv an anderer Stelle. Die Unternehmen gehen mit dieser Strategie eine durchaus mutige und teure Wette auf die Zukunft ein: Sie setzen auf einen baldigen und starken Anstieg der Verkaufszahlen von Elektroautos – trotz nach wie vor bestehender Probleme wie einer mangelhaften Ladeinfrastruktur, sehr hoher Verkaufspreise und niedriger Margen.“

Dennoch sollen vorerst Wagen mit Verbrennungsnotor weiterhin den Neuwagenmarkt dominieren. Gall geht zudem davon aus, dass der Produktionsanlauf von Elektroautos "die Margen erheblich belasten wird": "Der Ausbau der Elektromobilität muss mit den Gewinnen aus dem Verkauf von Fahrzeugen mit konventionellem oder Hybrid-Antrieb finanziert werden – unterm Strich wird in jedem Fall weniger Gewinn übrig bleiben als in den vergangenen Jahren.“

Einschwören auf einen Sparkurs

„Die Autoindustrie muss sich auf magere Jahre einstellen“, betont EY-Partner Peter Fuß: „Die aktuell angekündigten Sparmaßnahmen vieler Autokonzerne sind nur ein Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Jahren noch auf die Unternehmen und ihre Belegschaften zukommt. Wir werden erhebliche Umstrukturierungen und Kostensenkungsmaßnahmen sehen – bis hin zur Schließung ganzer Werke.“

Hier entlang geht es zu den kompletten Zahlen (PDF). (khof)

Quelle: Ernst & Young