EU plant Versicherungspflicht für Pedelecs

Eine eigene Versicherungspflicht für Pedelecs? Hersteller und Verbände reagieren mit Skepsis und Ablehnung auf den Reform-Vorschlag aus Brüssel. Sie befürchten, dass die Beliebheit der E-Räder deutlich nachlassen könnte.

EG: Pedelecs sind Kraftfahrzeuge

Was ist ein Fahrrad? Folgt man der Definition des Wiener Abkommens der Vereinten Nationen von 1968, handelt es sich dabei um ein Fahrzeug, das ausschließlich über die Muskelkraft der damit fahrenden Person, entweder mit Pedale oder Handkurbel, angetrieben wird.

Sobald ein noch so kleiner Motor an ein Fahrrad gebaut ist, ist es der Definition nach ein Motorfahrzeug. Bis jetzt hatte dieser Umstand keinen Einfluss auf den boomenden Markt für Elektroräder. Doch das könnte sich bald ändern: Denn bereits im Jahr 2014 hatte der Europäische Gerichtshof ein Urteil gefällt, aus dem hervorgeht, dass alle Kraftfahrzeuge versichert werden müssen - und Pedelecs sind per UN-Definition von 1968 Kraftfahrzeuge.

Warum schreckt die Branche also gerade jetzt auf, vier Jahre nach dem EG-Urteil? Den Grund dafür liefert ein Vorschlag der EU-Kommission vom Mai 2018: Der Entwurf sieht eine Verschärfung der Richtlinien für Kraftfahrzeugversicherungen vor. Darin heisst es: „(...) Außerdem wird in der Folgenabschätzung festgestellt, dass neue Kraftfahrzeugtypen, wie Pedelecs, Segways und Elektroroller bereits in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Die Nutzung dieser neuen Typen von Elektrofahrzeugen im Verkehr kann zu Unfällen führen, deren Opfer geschützt und zügig entschädigt werden müssen.“

Pedelec ist nicht gleich E-Bike

Zur Erinnerung: Zwar unterliegen bereits heute sogenannte S-Pedelecs und E-Bikes, deren Motorunterstützung erst bei über 45 km/h abriegelt und die ohne Muskelkraft fahren, der Kfz-Versicherungspflicht. Beide Fahrzeugtypen benötigen ein Versicherungskennzeichen. Fahrer von Pedelecs, deren Motoren 250 Watt Nennleistung erbringen und nur bis 25 km/h unterstützen, benötigen hingegen keine eigene Haftpflichtversicherung für ihr Fahrzeug, da ihre Privathaftpflichtversicherung greift, wenn es zur Schädigung von Dritten kommt (sofern sie diese abgeschlossen haben). Pedelecs unterliegen außerdem weniger strengen gesetzlichen Auflagen als ihre schnelleren Pendants, weil sie in Deutschland rechtlich gesehen mit Fahrrädern ohne Motorunterstützung gleichgestellt sind. Das hat unter anderem erheblich zum immer größer werdenden Beliebtheits- und Verbreitungsgrad der Pedelecs beigetragen.

"Kriminalisierung der Pedelec-Fahrer"

Wird die von der EU angedachte Versicherungsreform in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt, bedeutet das: wer ohne eigene Kfz-Haftpflichtversicherung auf dem Pedelec unterwegs ist, fährt zukünftig rechtlich gesehen illegal. „Damit entmutigt man Millionen von EU-Bürgern, auf Pedelecs umzusteigen und kriminalisiert gleichzeitig alle Pedelec-Fahrer“, kritisiert die European Cyclists` Federation den Vorstoß aus Brüssel. Die Anstrengungen der Mitgliedstaaten für eine nachhaltige Mobilität werde damit untergraben. Wenn Pedelecs rechtlich gesehen keine "normalen" Fahrräder mehr sind, wird die Benutzung unnötig verkompliziert und damit die Alltagstauglichkeit beschnitten, so die Befürchtung.

Mehrere Industrie- und Verbraucherverbände teilen diese Ansicht und versuchen nun, die drohende allgemeine Versicherungspflicht für die Elektrofahrräder abzuwenden. Die deutsche Organisation für Leicht-Elektro-Fahrzeuge ExtraEnergy hat deshalb eine Online-Petition gestartet, in der sie sich für eine „Definitionsanpassung“ für motorisierte Fahrräder auf europäischer Ebene einsetzt: Das Pedelec soll dem „normalen“ Fahrrad rechtlich gleichgestellt werden. „Wir brauchen außerdem einen internationaler Standard, der das Pedelec gemäß der geänderten UN-Konvention präzise beschreibt“, fordert der Verein um Hannes Neupert. Die gesetzliche Beschreibung des Pedelecs sei international nicht einheitlich.

Der Verein aus Tanna glaubt an den erfolgreichen Ausgang ihrer Kampagne. „Ein Nachtrag zum autonomen Fahren hat bereits bewiesen, dass eine Änderung mit genügend politischem Willen innerhalb kürzester Zeit möglich ist. Es ist davon auszugehen, dass es kaum Politiker geben wird, die sich trauen, aktiv gegen das Pedelec zu stimmen“, so ExtraEnergy.

Die Sache mit den Unfallstatistiken

Die von der EU vorgebrachten Sicherheitsbedenken gegenüber motorisierten Fahrrädern lässt die Organisation nicht gelten. „In manchen Situationen, wie beispielsweise beim Anfahren am Berg, fährt sich das Pedelec sogar sicherer als ein Fahrrad, da man sicherer und schneller auf eine stabile Fahrgeschwindigkeit kommt.“  Dieser Vorschlag sei seit mehreren Jahren mit Vertretern der deutschen Versicherungsindustrie abgestimmt und werde von diesen unterstützt. Ohne erhöhtes Risiko bestehe auch kein Bedarf für einen zusätzlichen Versicherungsschutz.  Auch andere Radverbände halten die Ausweitung der Versicherungspflicht für überflüssig und verweisen auf fehlende verlässliche Statistiken, die das Pedelec eindeutig als Unfall-Risikofaktor identifizieren.

Bundesjustizminsterium bezieht Stellung

Es besteht allerdings Hoffnung, dass die Versicherungspflicht für Pedelecs nicht zwingend in jedem EU-Mitgliedsstaat umgesetzt werden muss: Denn der Vorschlag der EU-Kommission sieht auch vor „dass die Mitgliedstaaten solche Fahrzeuge von der Kfz-Haftpflichtversicherung ausnehmen können, wenn sie dies für erforderlich halten. In diesem Fall würden die nationalen Garantiefonds die Kosten für die Entschädigung der Opfer von Unfällen tragen, die von diesen neuen Fahrzeugtypen verursacht werden.“ Das Bundesjustizministerium bestätigte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf Anfrage, dass im Moment keine Änderungen der Versicherungsplicht für Pedelecs geplant seien. Diese Rechtslage könnte gemäß des Richtlinienvorschlags der EU auch beibehalten werden.  

Wer dennoch ein Zeichen gegen die geplante Richtlinienreform setzen und die von ExtraEnergy initiierte Petition dennoch unterstützen will, kann sein Votum unter https://www.openpetition.de/petition/online/pedelecs-e-bikes-sollen-dem-fahrrad-gleichgestellt-werden abgeben. (aho)

 

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