Multitasking: Merkmal hoher Leistungsfähigkeit oder Stresssymptom?

Der Chef steht in der Tür, am Telefon braucht der Kollege wichtige Infos und eine eilige E-Mail will auch sofort beantwortet werden. Multitasking, also das parallele Managen mehrerer Aufgaben zur gleichen Zeit, scheint mittlerweile zur Selbstverständlichkeit in der Arbeitswelt geworden zu sein. Wie schafft man sich genügend Freiraum, um effizient zu arbeiten?

Viele Arbeitnehmer sind mit teilweise hoch komplexen und facettenreichen Aufgabenstellungen konfrontiert. Speziell im Umfeld des Projektmanagements und der Projektleitung haben die Verantwortlichen oft mehrere „Hüte“ parallel auf, bearbeiten verschieden große Projekte in unterschiedlichen Phasen und mit differenzierten Themenstellungen. „Das ist heute so“, heißt es meistens. Doch: Ist man denn tatsächlich in der Lage, hier stets beste Leistungen abzurufen und alle Aufgaben gleich gut zu erfüllen? Viele von uns sind ständig erreichbar, meistens online und so gut wie immer ansprechbar. Wie gehen wir mit diesem Phänomen Multitasking am besten um? Was ist besser: gleichzeitig oder nacheinander? Und was machen die ständigen Arbeitsunterbrechungen mit uns und unserer Arbeitsqualität?

Ablenkung durch Unwichtiges

Die Meinungen hierüber gehen extrem auseinander, manche Experten sehen darin auch eine der Hauptursachen für krankmachenden Stress am Arbeitsplatz. Klassisches Beispiel: Gerade entsteht eine prima Idee, ein „Geistesblitz“ – und im gleichen Augenblick klingelt das Telefon oder es läutet an der Tür. Ehe man sichs versieht, ist der Gedanke weg – oft genügt schon eine kurze Ablenkung. Solche Störungen, die zu Arbeitsunterbrechungen führen, erleben wir alle häufig. Eine Arbeitsunterbrechung ist als durch eine externe Quelle verursachte Aussetzung der ausgeführten Aufgabe definiert – und damit logischerweise weder zeitlich steuerbar noch wirklich vorhersehbar. Im Arbeitsleben sind wir häufig gezwungen, mit diesen Unterbrechungen klarzukommen. Wobei wir auch beim Multitasking nicht verschiedene Informationen gleichzeitig verarbeiten, sondern (meist unbewusst) sehr schnell zwischen den einzelnen Aufgaben hin und her wechseln. Weil das aber so schnell geht, wird es als gleichzeitig wahrgenommen. In Wirklichkeit ist es aber auch hier ein „Nacheinander“, weil wir uns tatsächlich nur auf eine Aufgabe konzentrieren können.

Der Mensch scheint nicht dafür gemacht, viele Informationen parallel zu verarbeiten und über mehrere Kanäle gleichzeitig zu kommunizieren. Einschlägige Tests beweisen, dass „Multitasker“ Informationen, die auf sie einströmen, aber nichts mit ihrer aktuellen Tätigkeit zu tun haben, schlecht ausblenden können. So werden sie von momentan unwichtigen Dingen abgelenkt und arbeiten letztlich langsamer und mit schlechteren Ergebnissen.  „Multitasking funktioniert nicht“ – diese Aussage wurde inzwischen von Wissenschaftlern, Coaches und Trainern getroffen, die sich auf Zeit- und Ressourcenmanagement sowie Stress- und Burnout-Prävention spezialisiert haben.

Wer seine verfügbaren Ressourcen auf mehrere parallele Aufgaben aufteilt, überfordert sich selbst und kann seine Konzentration nicht auf eine Sache bündeln. Aber wir können der Realität nicht ausweichen. Deshalb sollten wir versuchen, unseren Tagesablauf bestmöglich zu gestalten, um uns auf die jeweils im Vordergrund stehende Aufgabe fokussieren zu können. Ein erster Schritt ist es, herauszufinden, wie man bisher mit Arbeitsunterbrechungen umgegangen ist. In welchen Situationen ist man gut damit zurechtgekommen, in welchen eher nicht? Welche Strategien haben sich dabei als empfehlenswert herauskristallisiert? Wenn man sich bestimmte Unterbrechungen nochmals vor Augen führt, sollte man darüber nachdenken, mit welchen Möglichkeiten die Situation vielleicht besser bewältigt werden konnte? Durch diese Überlegungen lässt man Dinge nicht mehr passiv mit sich geschehen, sondern gestaltet den Prozess aktiv mit.

Strategien aneignen

Wichtig ist es, angemessen auf die unterschiedlichen Unterbrechungen zu reagieren. Dafür stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

  • sofortige oder verzögerte Bearbeitung
  • Neustrukturierung der Tagesaufgaben
  • Weitergabe von Aufgaben

Nicht jede Unterbrechung ist gleich ein Notfall. Prioritäten zu setzen, ist hier essentiell wichtig! Besser ist es, zunächst die aktuelle Aufgabe zu beenden, bevor man sich einem neuen Thema zuwendet. Wenn das nicht möglich ist, sollte die aktuelle Aufgabe bis zu einem Punkt bearbeitet werden, an dem sie gut unterbrochen werden kann. Ständige Unterbrechungen machen jeden Menschen nervös, sie führen zu Unkonzentriertheit und Unzufriedenheit. Als Konsequenz wird auch die Arbeitsqualität darunter leiden. Ein Lösungsansatz kann sein, sich unterbrechungsfreie Zeiten einzuplanen, die natürlich idealerweise mit den Kollegen und Vorgesetzten abgestimmt sein sollten. Hierunter fällt zum Beispiel das Stummschalten von Telefon und E-Mail. Telefonate können auch auf der Mailbox eingehen und im Anschluss gebündelt beantwortet werden. Die Strategie der „offenen Türen“ ist gut und begrüßenswert – das muss aber nicht heißen, dass man jederzeit ansprechbar und verfügbar ist. Für viele Themen gibt es fix terminierte Meetings, Regel- und Steuerkreise. Fragen und offene Punkte können in diesen Gremien zur Sprache kommen. Durch eine sorgfältige Vorbereitung auf diese Besprechungen lässt sich einiges an Druck kanalisieren und wegnehmen.

Bestehende Projektpläne sollten einer gründlichen Prüfung unterzogen werden: Sind alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Teilbereiche und -verantwortlichkeiten konsequent zu delegieren? Vorsicht aber bei sogenanntem Micro-Management – ein guter Projektmanager sollte seinen Teammitgliedern vertrauen und sich auf deren Leistung verlassen können. Wenn die Unterbrechungen überhand nehmen, muss man auch in der Lage sein, seinen schön ausgeklügelten Tagesplan über den Haufen zu werfen und die Prioritäten neu zu sortieren – das befreit! Nun sitzt man also am Schreibtisch und bereitet sich auf das anstehende Meeting vor – da steht ein Kollege mit einer wichtigen Frage in der Tür, ein dringendes Problem, dessen Lösung nicht aufgeschoben werden kann. Also: Prioritäten neu ordnen, Feuer löschen und dann zurück zur ursprünglichen Aufgabe – aber unter veränderten äußerlichen Voraussetzungen.

Bevor man ein Thema wieder und wieder neu angeht und verbissen versucht, den Faden wieder aufzunehmen, der durch die Störung abgerissen ist – erst einmal Abstand schaffen! Das eigene Büro kann kurzzeitig gegen einen ruhigeren Rückzugsraum getauscht werden. Auch das Home-Office kann punktuell eine zielführende Alternative sein. Und wenn der Wirbel zu groß und die Konzentrationsfähigkeit am Limit ist, sollte jeder Betroffene ruhig persönlich das Heft in die Hand nehmen und für selbst herbeigeführte Unterbrechungen und kreative Pausen sorgen. Viele Arbeitgeber bieten hier spezielle Möglichkeiten und Programme an – Health Management ist ein wichtiger aktueller Aspekt in den Unternehmen. Bewegung, Sport, Entspannungstechniken oder Mentaltraining helfen, Ausgleich zu schaffen und die Konzentrationsfähigkeit zu trainieren.

Und schließlich – was spricht dagegen, das dringende Thema mit dem Kollegen bei einem gemeinsamen Spaziergang an der frischen Luft zu erörtern?

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    Autorin

    Hildegard Freund

    Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Hildegard Freund mit den Themen Human Resources und der Personalberatung, schwerpunktmäßig in der Ingenieursbranche. Zu ihren Kunden zählen Internationale Unternehmen im Automobil- bzw. Kfz-Zuliefer-Umfeld sowie namhafte Entwicklungspartner.

 

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