myETOURS: Elektromobilität im Stadttourismus

Wie in einer Pferdekutsche – nur ohne Pferde: Wer in den Elektrokutschen des Kölner Start-ups myETOURS eine Stadtrundfahrt macht, kann sich um mehr als ein Jahrhundert zurückversetzt fühlen. Oder auch in eine Zukunft, in der touristische Mobilitätskonzepte neu definiert sind. Denn die Elektrokutschen, mit denen myETOURS Touristen ein neues Erlebnis anbietet, spannen den Bogen von der Tradition hin zur Moderne.

Umwelt- und tierfreundlich in der Elektrokutsche

Das Thema Klimawandel und Umweltschutz ist inzwischen in der Gegenwart angekommen. Hat man die verheerenden Folgen der Massenproduktion, der industriellen Verpackungen, der Waldrodung oder des Fliegens noch vor wenigen Jahrzehnten nicht ernst genommen, so sieht man sich spätestens jetzt in der Verantwortung, Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Thema zu machen. Vor allem der Tourismus ist von dem Nachhaltigkeitsaspekt betroffen und gezwungen, neue Lösungen zu finden.

So ist inzwischen ein Trend in Richtung des „Sanften Tourismus“ entstanden, eine Form des Reisens, die einen Gegenentwurf zum Massentourismus darstellt und so wenig wie möglich der Natur und der Umwelt schaden soll. Neben den vielen Umweltfaktoren, die im Sinne eines nachhaltigen und sanften Tourismus neu bedacht werden müssen, ist es vor allem der Stadttourismus, der neue Lösungen braucht. Die Verkehrssituation vieler Großstädte erzwingt inzwischen politische Beschlüsse und Verbote und erfordert eine Neukonzeption für touristische Mobilitätskonzepte.

Die Geschichte der Elektrokutschen - Wie alles begann

Wie weit die Geschichte der Elektrokutschen zurückreicht, ist beispielsweise bei der Fahrzeugmarke Porsche zu sehen. 1898
präsentierte Ferdinand Porsche mit dem Egger-Lohner-Elektromobil Modell C.2 Phaeton (kurz P1 genannt) den ersten Porsche der Welt, der den heutigen Elektrokutschen ähnelt. Erst 2014 war ein Fahrzeug nach 116 Jahre wiedergefunden worden – ein sensationeller Fund – und bereichert seitdem unrestauriert die Sammlung des Porsche-Museums in Stuttgart.

Der P1 rollte als eines der ersten zugelassenen Fahrzeuge Österreichs ab 26.06.1898 über die Straßen Wiens. In alle wichtigen Bauteile schlug Ferdinand Porsche das Kürzel „P1“ (für Porsche Nummer 1) ein, das dem Elektrowagen seinen inoffiziellen Namen gab.

Die Leistung des 130 kg schweren Elektroantriebs betrug 3 PS. Kurzfristig waren durch Überlastung sogar bis zu 5 PS möglich, womit der P1 bis zu 35 km/h erreichte. Die Fahrgeschwindigkeit konnte dabei mittels eines „Controller“ genannten Reglers in zwölf Stufen gewählt werden. Die Gesamtreichweite des Fahrzeuges betrug 80 km. Dank Wechselkarosserie konnte der Wagen sowohl im Sommer als auch im Winter genutzt werden.

Porsche Egger Lohner Elektromobil Modell P1

Im Porsche-Museum in Stuttgart ist die erste Konstruktion von Ferdinand Porsche aus dem Jahr 1898 zu sehen. (Quelle: Porsche)

Genau hier setzt das 2017 in Köln gegründete Start-up myETOURS an, das nicht zuletzt wegen der Möglichkeit auf Pferde zu verzichten, eine tierfreundliche Rundfahrtenalternative anbietet, die trotzdem das Flair einer Kutschfahrt vermittelt. Die Gründer Peter Czwiertnia und Steffen Krug (siehe Bild 1) haben eine Plattform geschaffen, auf der Stadtrundfahrten mit Elektrofahrzeugen angeboten werden. Ihr erstes Fahrzeug ECARRUS, eine elektrisch betriebene Droschke, konnten Kunden bereits in der Kölner Altstadt in der Vorweihnachtszeit im vergangenen Jahr buchen. Ab 2019 sollen auch andere Städte folgen. In der Zukunft sollen weitere Elektromobilitätskonzepte über die Plattform vertrieben werden, die Kunden weltweit eine Möglichkeit zur Buchung nachhaltiger touristischer Mobilitätsangebote bietet.

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Bild 1: Die Gründer Peter Czwiertnia (links) und Steffen Krug vor dem ersten ECARRUS. (Quelle: myETOURS)

Jede E-Kutsche ein Unikat

Mit maximal 25 km/h fährt der derzeit erste und bis zum Start in den zwei weiteren Städten noch einzige TÜV-SÜD-zertifizierte ECARRUS, der die Erlaubnis zum Fahren auf öffentlichen Straßen in der EU hat, sechs bis sieben Gäste durch die Gassen Kölns. Das Fahrzeug, das wie ein Pkw zugelassen ist, hat eine Länge von 4,10 m und ist 2 m breit. Die Hersteller von ECARRUS hatten
vor allem eins im Sinn: „Die Batterie sollte schon 120 Kilometer täglich reichen“, so Peter Czwiertnia, der Geschäftsführer von myETOURS, der sich der Zurückhaltung vieler Menschen gegenüber Elektromobilität aufgrund der geringen Reichweite
bewusst ist. Ein Stuttgarter Unternehmen half bei der Realisierung des Fahrzeugs, wobei jede Kutsche handgefertigt und damit zum Unikat wird.

Kein Aprilscherz

Bei den Kutschen handelt es sich um komplette Neubauten. So entstand eine Motorisierung der Kutsche
mit zwei Elektromotoren á 8 kW, insgesamt 16 kW (siehe Bild 2). Eine hydraulisch unterstützte Bremsanlage mit vier Scheiben-bremsen und separater Feststellbremse (siehe Bild 3), die auf die Hinterräder wirkt, sowie eine Drehtischlenkung
mit Getriebeelement und eine elektronisch unterstützte Zahnstangenlenkung sorgen für Sicherheit.

„Die Herausforderung lag darin, ein sonst mit Pferdegespann gelenktes Fahrzeug mit einem Lenkrad zu steuern,“ scherzt Czwiertnia und erinnert sich an die Anfänge der Zusammenarbeit mit den Ingenieuren. „Als wir unsere Anfrage im April 2016 stellten, dachten alle aus dem Team, es sei ein Aprilscherz!“ Davon kann nicht mehr die Rede sein. Die ersten Fahrzeuge sind getestet und können mit einer Pkw-Zulassung auf allen Straßen fahren: Elektromobilität in historischem Gewand vor moderner oder historischer Stadtkulisse (siehe Bild 4).

  • Ecarrus Myetours Elektrokutsche 1 B

    Bild 2: Lange Ausdauer: Zwei Elektromotoren von ECARRUS mit 8 kW Leistung treiben die Kutsche an. (Quelle: myETOURS)

  • Ecarrus Myetours Elektrokutsche 2 B

    Bild 3: Das Hydraulische Bremssystem der Elektrokutsche von myETOURS. (Quelle: myETOURS)

  • Ecarrus Myetours Elektrokutsche 3 B

    Bild 4: Tradition trifft Moderne: Das Unternehmen myETOURS holt die Renaissance der Kutschenfahrzeuge nach Köln. (Quelle: myETOURS)

    myETOURS sucht Partner

    Das Ziel des Unternehmens ist es, viele Partner für das Konzept zu gewinnen, die ihre Plattformen sowie ECARRUS, der in der Basisversion ab 69.900 Euro zzgl. MwSt. erhältlich ist, nutzen und anbieten. Darüber hinaus sind Leasingmodelle verfügbar.

    Die Elektrokutsche hat folgende technischen Merkmale:

    Motor: zwei wartungsfreie (Öl, Zündkerzen, Zahnriemen, Dichtungsringe und andere wartungsintensiven Komponenten fallen weg) Elektromotoren mit einer Dauerleistung von je 8 kW


    Antrieb: Einzelhinterradantrieb über zwei Elektromotoren mit einem zusätzlichen Getriebe zur Drehzahluntersetzung


    Geschwindigkeit: maximal 25 km/h

    Lenkung: Drehschemellenkung mit einem innenverzahnten Zahnkranzelement. Die Lenkung verfügt über eine elektrische   Unterstützung.


    Räder: Stahlräder in Holzspeichenoptik, Luftreifen, welche einen höheren Komfort bieten als herkömmliche Vollgummireifen, Durchmesser vorne 94 cm, hinten 114 cm


    Akku: Kapazität 10–25 kWh, Niedervoltsystem < 60 V, Reichweite: ca. 45–120 km


    Sitzplätze: acht inklusive Fahrer


    • Optional erhältlich sind eine Sitzheizung und ein Warmluftgebläse.

    Elektromobilität in der Tourismusbranche

    Während in Israel der Elektrofahrzeugmarkt boomt und in Norwegen selbst Prinz Haakon ein Elektroauto fährt, sind in Deutschland Elektrofahrzeuge noch Nischenprodukte. Das möchte das junge Unternehmen myETOURS nun auch auf dem deutschen Markt ändern. Elektrofahrzeuge können im Tourismusverkehr und insbesondere für Tagesausflüge und Events genutzt werden. Elektromobilität kann in der Tourismusbranche aber nur dann erfolgreich eingeführt und etabliert werden, wenn die Fahrzeugnutzung mit einer Aktivität oder einem Erlebnis einhergeht.

    Bei myETOURS hat man erlebt, dass die Elektrokutsche Interesse erzeugt. „Passanten bleiben stehen und staunen. Oft wird gefragt, aus welchem Jahrhundert die Kutsche sei. Wenn wir dann antworten „Baujahr 2017“, ist die Überraschung groß“, lachen Czwiertnia und Krug und erinnern mit ECARRUS an die ersten Automobile, die in ihren Anfängen ebenfalls die Motorisierung einer Kutsche vornahmen. So fügt sich das Start-up der Renaissance der Elektrofahrzeuge und verbindet historisches Aussehen und moderne Technik.

    • Alexandra Fuchs myETOURS

      Autorin

      Alexandra Fuchs

      Co-Founder & Marketing Management myETOURS GmbH & Co. KG

       

    • Myetours Elektrokutschen Cover

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