Elektrobus-Quote: Darum sind Verkehrsunternehmen dagegen

Im Februar 2019 wurde auf EU-Ebene eine vorläufige Einigung über eine Reform erzielt, die zu einer Reduzierung der Verkehrsemissionen beitragen soll. Darin sind unter anderem Mindestquoten für die Beschaffung „sauberer“ leichter Nutzfahrzeuge, Lkw und Busse vorgesehen, die bei der öffentlichen Auftragsvergabe eingehalten werden sollen. Martin Schmitz, Geschäftsführer für den Bereich Technik im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), erklärt, warum Verkehrsunternehmen den EU-Vorstoß kritisch sehen.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 02/2019 erschienen.

Herr Schmitz, die sogenannte Clean Vehicles Directive (CVD) als Teil des im Februar durch die EU beschlossenen Clean Mobility Package stößt bei Ihnen auf Ablehnung. Erklären Sie kurz, welchen Inhalt diese hat und wie verbindlich diese auf EU-Ebene schon ist?

Die EU gibt mit der CVD erstmals Technologien vor und keine Grenzwerte beziehungsweise Rahmenbedingungen. Damit wird aus unserer Sicht das generelle Prinzip unseres Wirtschaftssystems in Frage gestellt, bei dem bislang die politischen Instanzen Rahmenbedingungen vorgeben, die Industrie Produkte entwickelt und die Kunden, in dem Falle die Verkehrsunternehmen, die
besten Lösungen im Wettbewerb kaufen. Es handelt sich daher eher um eine Wirtschaftsförderung als um ein Gesetz zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).

Die EU-Kommission will die Mitgliedstaaten zu bestimmten Quoten bei der öffentlichen Beschaffung von Fahrzeugen mit fest vorgegebenen und von der Kommission als „sauber“ definierten Antriebskonzepten verpflichten. Die CVD fordert nach aktuellem Verhandlungsstand, dass nach 24 Monaten der Ratifizierung, die noch in diesem Frühjahr geplant ist, bei allen Beschaffungen von Linienbussen 45 Prozent und ab 2025 sogar 65 Prozent der Fahrzeuge den vorgegebenen „sauberen“ Antriebskonzepten entsprechen und jeweils davon die Hälfte der beschafften Busse emissionsfrei sein müssen.

Warum sind die Verkehrsunternehmen der CVD gegenüber kritisch eingestellt?

Die EU gibt Beschaffungsquoten für eine unreife Technologie vor, ohne für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Wir befürchten nun, dass ohne eine deutliche finanzielle Aufstockung der Fördermittel teurere Fahrzeuge und Infrastrukturen finanziert werden müssen und somit keine Mittel für einen angestrebten und nötigen Kapazitätsausbau zur Verfügung stehen. Gerade in Metropolregionen erleben viele Pendler, dass die Kapazitäten der Straße und des öffentlichen Verkehrs (ÖV) ausgeschöpft sind. Daher wäre es aktuell wichtig, den an sich schon umweltfreundlichen ÖV mit Bussen und Bahnen strategisch auszubauen.

Haben das die Politiker auf EU-Ebene nicht im Blick, beziehungsweise womit erklären Sie sich derartige Bestrebungen nach einer Quote? Sind Klimaschutzziele nicht ehrenwert?

Unsere Branche unterstützt die Klimaziele und hat seit 1990 auch zu einer 32-prozentigen CO2-Reduktion beigetragen. Damit müssten konsequenterweise aus umweltpolitischer Sicht eine Stärkung und ein Ausbau des ÖV erfolgen, um den Weg der CO2-Reduktion zu stärken und um Verkehrsverlagerungen vom Pkw auf den ÖV zu ermöglichen. Die CVD verfolgt jedoch eher wirtschaftspolitische Ziele und keine verkehrliche Verlagerungsziele beziehungsweise nennenswerte CO2-Minderungseffekte, da
Busse zum Beispiel in Metropolregionen nur fünf Prozent der verkehrlichen CO2-Emissionen verursachen.

Werden alle alternativen Antriebsarten mittels der CVD gefördert?

Die CVD fördert die Beschaffung sauberer und emissionsfreier Fahrzeuge. Als „sauber“ wurde unter anderem Gas definiert, nicht aber Dieselkraftstoff, obwohl die Emissionen sehr ähnlich sind und keine Differenzierung rechtfertigen. Alternative Kraftstoffe sind auch zugelassen. Hierbei wird aber die Nutzung von Biogas eingeschränkt, um keinen weiteren Druck auf die Umwandlung von
Ackerflächen aufzubauen.

Um was geht es letztlich?

Das langfristige Ziel des UN-Klimaabkommens von Paris ist die fast vollständige Defossilisierung der Wirtschaft. Das bedeutet, dass wir im Jahr 2050 kein Öl mehr unter anderem auch für die Mobilität einsetzen sollen. Das Zwischenziel einer CO2-Minderung
im Jahr 2030 um 40 Prozent ist aus unserer Sicht im ÖV mit aktueller Technik erreichbar. Daher vertreten wir die Position, dass der Migrationspfad hin zu einer Defossilisierung beschritten werden muss, dieser aber nicht überstürzt werden sollte.

Was ist denn für Busflotten derzeit in der Praxis der praktikabelste, preis-/leistungstechnisch beste Antrieb oder Mix aus Antriebsarten?

Aktuell stellt der Dieselantrieb das wirtschaftlichste und umweltfreundlichste Konzept dar. Hierzu muss man wissen, dass für Busse andere Emissionsrichtlinien und Normen gelten als für Pkw. Busse emittieren daher pro Fahrgast auch weniger NOx als Diesel-Pkw. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren die betrieblichen Abläufe auf die Laufleistungen eines Dieselbusses
ausgerichtet und große finanzielle Einsparung erzielt. Bei Einsatz von Fahrzeugen mit einer geringeren Reichweite erhöhen sich daher auch die betrieblichen Kosten für häufiges Nachladen, die unproduktiven Einsatzzeiten etc.

Stadtwerke Trier Elektrobus

Nicht immer läuft alles glatt mit den elektrifizierten Bussen: Wie im Januar dieses Jahres bekannt geworden war, wurde nach
nur zwei Wochen Liniendienst der erste Elektrobus in Rheinland-Pfalz, in Trier, vorerst zurück in die Garage gestellt. Die winterlichen Temperaturen verursachten wohl Probleme. (Quelle: Stadtwerke Trier)


Sie glauben, die Preissteigerungen bei Elektrobussen hängen mit den Fördermitteln zusammen. Greifen die Bushersteller aus Ihrer Sicht einfach tief in einen vorhandenen Fördertopf? Was fordern Sie von den Herstellern?

Die für die Elektromobilität notwendigen Produkte haben in den vergangenen sechs Jahren deutliche technische Fortschritte gemacht. Jedoch ist die Preisentwicklung für Elektrobusse entgegenläufig zu der der Dieselbusse Neben der höheren Zahlungsbereitschaft der Verkehrsunternehmen durch Förderungen sehen wir aber auch die fehlenden Fertigungskapazitäten der
europäischen Hersteller als einen Kostentreiber an.

Wenn nun entsprechend der CVD europaweit 22 Prozent der neu zu beschaffenden Busse elektrisch sein müssen, kann dieser Kaufzwang auch preispolitisch genutzt werden. Wir erwarten von den Herstellern für dieses industriepolitische Förderprogramm, dass ausreichend Fahrzeuge mit einer für den Einsatz nötigen Verfügbarkeit zu angemessenen Preisen angeboten werden.

Sie selbst fordern von der Politik auch deshalb mehr Fördermittel für Ihre Mitglieder. Was rechtfertigt höhere Fördermittel aus Ihrer Sicht außerdem?

Wie auch im Energiesektor erfordert der Prozess zur Defossilisierung einen Umbau der Infrastruktur. Wenn wir nun den Migrationsprozess verkürzen, wie es in der CVD vorgegeben wird, sind viele Investitionen nötig und nicht abgeschriebene Anlagen frühzeitiger zu ersetzen. Wir fordern daher, wie auch in der Kohlekommission für den Energiesektor vereinbart, ein Programm zum Umbau der Infrastruktur.

Ohne Fördermittel und ohne entsprechende gesetzliche Ziele für Elektrobusse: Was würde passieren?

Unter Voraussetzung der aktuellen verkehrs- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen würde ein Wandel kaum erfolgen, da seit Jahrzehnten die verkehrspolitische Ausrichtung den Individualverkehr fördert und auch die Preise für Energie kaum gestiegen sind. Ein Wandel unter anderem mit einer Anpassung der Rechtslage und der Bewertung der CO2-Emissionskosten ist nötig, um die Klimaziele von Paris weltweit umsetzen zu können.

Da wir in der Verantwortung stehen, für die nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen, müssen wir jetzt handeln und auch unser Mobilitätsverhalten ändern. Hierzu stehen wir im VDV. Für das Erreichen der Klimaziele ist es jedoch notwendig, den ÖV zu stärken und auszubauen und so mehr Kapazitäten für die verkehrlichen Verlagerungen zu schaffen. In einem zweiten Schritt muss dann die Transformation der Antriebe hin zu emissionsfreien Fahrzeugen erfolgen.

Wird irgendwann ein Großteil der Busflotten emissionsfrei unterwegs sein?

Das Ziel, alle Fahrzeuge emissionsfrei betreiben zu können, stellt eine große Herausforderung an die Energieerzeugung,
Energiespeicherung und Energiebereitstellung dar. Wenn wir diesen Prozess schaffen, werden wir auch alle Fahrzeuge emissionsfrei betreiben können. Im BMUFörderprogramm (Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit) wurden im vergangenen Jahr 1.000 Elektrobusse beantragt. Die Technologien werden jedoch unterschiedlich sein. Wir werden in Zukunft nicht mehr alle Fahrzeuge mit einem Energieträger, wie heute Dieselkraftstoff, betreiben, sondern abhängig vom Einsatzgebiet entweder Biogas, synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff oder Batterietechniken einsetzen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schmitz. (khof)

  • Matthias Vetter Fraunhofer

    Interviewpartner

    Dipl.-Ing. Martin Schmitz

    Geschäftsführer Technik, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

     

  • VDV Elektrobus Cover

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