Als Batterietechnologieunternehmen arbeiten Sie eng mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammen. Wie könnten die Speichertechnologien der Zukunft aussehen?
Das Schöne an der Batterietechnologie ist, dass es keine großen Sprünge in der Entwicklung gibt, genauso wenig wie Wunder – auch wenn es manchmal in den Medien einen anderen Eindruck macht. Batterieforschung ist sehr zeitintensiv. Das, was wir tatsächlich heute in den Händen halten, gibt es seit mindestens zwei Jahrzehnten schon funktionierend im Labor. Das wurde immer weiter verbessert, bis man einen Reifegrad erreicht hat, ab dem man die Technologie in Serie bringt. Und auch dann kann es nochmal ein paar Jahre dauern. Das liegt zum einen daran, dass die Lithium-Ionen-Batterien ein Zusammenspiel von verschiedenen Teilsystemen sind: Anode, Kathode, Elektrolyt, Separator, Ableiter und so weiter. Dazu kommen noch viele Kreuzabhängigkeiten der einzelnen Teilsysteme. Zudem sind Lithium-Ionen-Batterien ein bunter Strauß an Material-Paarungen, die man intelligent miteinander kombiniert, um bestimmte Eigenschaften zu erzielen. Ich glaube, dass Lithium-Ionen-Batterien auch noch in 20 Jahren eingesetzt werden – natürlich in viel besserer Qualität, mit mehr Leistung und höherer Lebensdauer.
Dass wir auf eine ganz andere Technologie wechseln, das bezweifle ich, weil dazu die Alternativtechnologien wie Lithium-Luft, Lithium-Schwefel und Festkörper auch im Labor noch zu viele Probleme machen, als dass sie in absehbarer Zeit in Serie gehen könnten. Natürlich wird an diesen Ansätzen weiter geforscht – ich würde aber nicht darauf warten.
Vor welchen Herausforderungen stehen Batterie-Management-Systeme der Zukunft?
Die Autoindustrie verlangt natürlich nach möglichst günstigen Lösungen, gleichzeitig soll die „Time-to-Market“ möglichst kurz sein. Deswegen müssen wir uns immer wieder fragen: Wie können wir unseren Kunden helfen, noch schneller auf den Markt zu kommen? Also müssen wir die Entwicklungszyklen reduzieren. Das bedeutet wir müssen weg von den Entwicklungszyklen der Autoindustrie – hin zu Entwicklungszyklen der Consumer-Electronics-Industrie und das bei Erhaltung der Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Am Anfang hat man Elektrofahrzeuge so geplant und entwickelt wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Meiner Meinung nach lässt sich das bei den kontinuierlichen Verbesserungen der Zellen und den mitunter dramatischen Kostenreduktionen nicht lange durchhalten. Inzwischen zeichnet sich aber ab, dass sich in der Richtung etwas tut. Es steht also bei den Elektrofahrzeugen die schnelle Entwicklung der Technologie im Vordergrund – so wie man es auch von der Consumer-Elektronik kennt.
Können Sie sich vorstellen, auch selbst in die Produktion einzusteigen?
Bisher arbeiten wir als Dienstleister mit einem eigenen System, weil viele der Kunden heute nicht nur einen reinen Prototypen und eine Machbarkeitsstudie, sondern schon den Weg in Richtung Serie einschlagen und selbst ein Produkt herausbringen wollen. Dafür brauchen sie einen technischen Dienstleister, der ihnen neben dem reinen Engineering auch die Technologie liefern kann. Unser Ziel ist es, unsere Kunden dazu zu befähigen, die Batteriesysteme selbst zu bauen. Das heißt wir bauen eine kleine Musterfertigung auf, in einer Größenordnung von ein paar hundert Batterien pro Jahr. Wer zehntausend oder mehr herstellen will, der wird die Batterien dann auch selbst bauen wollen. So können wir unseren Charakter als Technologie- und Engineering-Unternehmen beibehalten und uns auf unsere Stärken konzentrieren.
Wir glauben, dass sich das Modell, das sich aktuell im Zusammenbau von Motoren zeigt, künftig auch für den Zusammenbau von Batterien bei den OEMs bewähren wird. Möglicherweise geht der Trend sogar so weit, dass die OEMs auch die Batteriezellen selbst bauen. Es wird dann darauf hinauslaufen, dass die OEMs Lizenzen kaufen und die Produktion selbst übernehmen. Unsere Aufgabe wird es sein, hier als Gatekeeper ein Auge darauf zu haben, dass zum Beispiel ein Lizenznehmer, der nicht sauber arbeitet, seine Lizenz verliert. So stellen wir sicher, dass die Reputation des Systems durch die Nutzung nicht zugelassener Komponenten keinen Schaden nimmt.
Wie Sie auch schon angesprochen haben, sind Sie nicht nur Dienstleister für die Automobilindustrie, sondern auch für andere Industriezweige wie die Luftfahrt. Können Sie schon mehr zu den Forschungen in diesem Bereich verraten?
Mit Airbus haben wir hier in München ein Forschungsprojekt, das vom Land Bayern mit der Ludwig-Bölkow-Stiftung gefördert wird. Dabei geht es um Batteriesystemtechnik, das heißt der Fokus liegt nicht auf der Chemie, sondern tatsächlich auf dem System und dem Zusammenspiel mit der Zelle als solches. Interessanterweise führen die strengen Anforderungen der Luftfahrt dazu, dass man sich eingehender mit Rundzellen beschäftigt.
Die Frage ist insbesondere, welche Systeme entwickelt werden sollen. Da gibt es Ideen, dass man eben nicht die üblichen viereckigen Batterien baut, sondern Formen von Tragflächen wählt oder den ganzen Rumpf als ringförmige Batterie anlegt. Mit unserer Batterie können wir fast jede geometrische Form oder jeden geometrischen Grundkörper darstellen. Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass ein elektrisches Flugzeug zu bis zu 70 Prozent aus Batterie bestehen wird – im Prinzip wird das E-Flugzeug also eine riesige fliegende Batterie und die Batterie ist Teil der Struktur. Daran arbeiten wir gemeinsam mit Airbus und betreiben im weiteren Sinne Grundlagenforschung.
In der Luftfahrt werden wir im Bereich der Forschung sehr interessante Dinge sehen. Wenn wir aber 2030 zum ersten Mal in einem elektrischen oder hybrid-elektrischen Flugzeug von München nach Frankfurt fliegen können, dann haben wir schon viel geschafft. Vorher sollte man nicht damit rechnen, weil die Luftfahrt noch einmal längere Entwicklungszyklen hat.
Vor sechs Jahren sind Sie an die Börse gegangen und seitdem auch international vertreten. Welche Wege wollen Sie in der Zukunft gehen?
Die LION E-Mobility AG ist als Holding in der Schweiz aufgestellt und hat die Aufgabe, die Unternehmen in unserer Gruppe zu refinanzieren. Das heißt dort ist im Augenblick nur die Verwaltung, man wird aber sicher auch mal ein Team vor Ort aufbauen. Die LION E-Mobility ist seit etwa 6,5 Jahren an der Börse gelistet. LION E-Mobility North America haben wir im vergangenen Jahr als Tochter gegründet, um unsere Expansion im Ausland voranzutreiben. Hier versprechen wir uns insbesondere die Chance, qualifizierte Leute zu finden, was im deutschen und auch europäischen Markt schwierig ist. Es mangelt in der Elektromobilität meist an Talent – an Ingenieuren. Außerdem geht international beim Thema Elektromobilität auch entschieden mehr voran als in Deutschland und Europa. Wir denken für nächstes Jahr über eine weitere Tochter zum Beispiel in China nach, um uns diese Geschäftsfelder auch auf dem asiatischen Markt sukzessive zu erschließen.
Resultiert die Mangelware Ingenieur daraus, dass es noch keine oder zu wenig adäquate Studiengänge gibt oder dass sich hier gerade einfach so viele Themenbereiche öffnen und der Ingenieur als solches sich erst auf das neue Thema einlassen muss?
Es gibt inzwischen tatsächlich Studiengänge für Elektromobilität oder Energiespeicher – beispielsweise in München, Münster, an der RWTH Aachen oder sehr gute Wissenschaftler an der Forschungseinrichtung ZSW in Ulm. Wir Gründer mussten uns das Maschinenbaustudium damals noch entsprechend zusammenstellen.
Es mangelt aber in erster Linie an Ingenieuren mit passendem theoretischen Hintergrund und entsprechender Praxiserfahrung. Wir sind bei den allermeisten Ingenieuren darauf angewiesen, diese erst einmal ausführlich anzulernen – zwischen einem halben und einem Jahr dauert es, bis die Leute soweit auf Flughöhe sind, dass sie mit den Systemen vertraut sind und eigenständig an den Batterien arbeiten können.
Hervorragend für die Praxiserfahrung ist die „Formula Student“, ein Konstruktionswettbewerb unter der Schirmherrschaft des VDI, von dem es inzwischen auch eine elektrische Disziplin gibt. Im Zuge des Wettbewerbs treffen sich Studenten aus aller Welt für fünf Tage zum Kräftemessen am Hockenheimring und müssen vorab in einem halben Jahr ein komplettes Auto bauen – mit der kompletten Elektronik und allem Drum und Dran. Da bekommen die Studenten dann auch „hands-on-Erfahrung“. Wenn wir solche Bewerber bekommen, sind uns diese definitiv am liebsten, weil unsere Arbeitsweise sehr „hands-on“ ist.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Quinger. (ks/sih)
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Interviewpartner
Dipl.-Ing. Daniel Quinger
Gründer und Geschäftsführer, Leiter Batterie-Management-Systeme LION Smart GmbH