Das Münchner Unternehmen LION Smart hat sich in der innerhalb der Batterietechnologie-Szene einen Namen gemacht. Daniel Quinger, Gründer und Geschäftsführer der LION-Gruppe, spricht im Interview über seine Batterieprojekte, fliegende Scheunentore und was die Erdölindustrie mit seinem Batteriepatent zu tun hat.
Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 02/2018 erschienen.
Herr Quinger, Sie haben LION Smart noch während Ihres Studiums mit Ihren Kommilitonen Michael Geppert und Tobias Mayer gegründet. Wie sahen die Anfänge aus?
Kennengelernt hat sich das Gründerteam vor etwas mehr als zehn Jahren bei einem Elektrofahrzeug-Projekt der TU München, dem Vorgängerprojekt des heutigen Fahrzeugs Mute / Visio.M. Im Zuge des Projekts haben insgesamt dreißig Studenten und Doktoranden ein Elektroauto entwickelt und umgesetzt. Wir drei Gründer haben zusammen an den Batterien für das Autoprojekt gearbeitet, bevor wir 2008 die Firma LION Smart gründeten.
Die Gründungsidee war damals, Testdienstleistungen anzubieten. Die Idee ist aus dem Problem heraus entstanden, dass große Batterien ein hohes Gefahrenpotenzial bergen und wir die Batterie erst einmal testen wollten, bevor wir sie einbauen und durch Fehler an der Batterie womöglich die Arbeit unserer Kommilitonen in Flammen aufgegangen wäre. Bei dem Versuch, hierfür eine geeignete Testeinrichtung zu finden, waren wir sehr erstaunt, festzustellen, dass es keine Möglichkeit gab, ein gesamtes Batteriesystem testen zu lassen. Aus dieser Erkenntnis heraus ist dann letztendlich LION Smart entstanden – ausgerechnet im Jahr der Wirtschaftskrise. Wir haben daher erst einmal auf einem Bauernhof angefangen und dort ein Testlabor eingerichtet. Glücklicherweise war der Landwirt als ehemaliger Sprengmeister entspannt, denn bei dem ein oder anderen Versuch ist uns auch schon mal ein Scheunentor um die Ohren geflogen.
Bald haben Sie aber auch eigene kundenspezifische Batterieprojekte entwickelt und Prototypen gebaut.
Es kamen schnell auch Kunden, die nicht nur Tests durchführen lassen, sondern auch Batterien in Auftrag geben wollten. So ist der Prototyping-Bereich schon früh parallel zur reinen Testdienstleistung entstanden. Im Prototyping-Bereich bauen wir für eine große Bandbreite an Kunden aus verschiedenen Industriezweigen Batteriesysteme – inzwischen auch unser eigenes Batterie-Management-System (BMS).
Wir arbeiten von Anfang an mit LINEAR Technology (heute Analog Devices) zusammen, die im BMS-Bereich der größte Chip-Hersteller und Weltmarktführer sind. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die wir bis heute von diesem großen Unternehmen erhalten. Auf der Hannover Messe 2016 waren wir auf dem Messestand von LINEAR Technology mit unserem BMS vertreten. LINEAR stellte dort ein Projekt mit Dust-Chips vor, das man sich im Prinzip wie ein Wireless-LAN vorstellen kann. Das Besondere an diesem sogenannten Mesh-Netzwerk ist jedoch, dass jeder Netzwerkteilnehmer als Router fungieren und die Signale an andere Teilnehmer weiterleiten kann, bis das Datenpaket seine Zieladresse erreicht hat. Das System kommt eigentlich aus dem Industrial IoT-Bereich, in dem es darum geht, kabellose Sensoren in Fabriken, die sehr weitflächig verteilt sind, aufzubauen und robust zu betreiben.
Noch auf dem Messestand hatten wir mit den Kollegen von LINEAR die Idee, das Prinzip auf Batterien zu übertragen, weil man sich damit einige Kabel und Stecker in der Batterie sparen kann, die ohnehin fehleranfällig sind. Auch die Möglichkeit, intelligente Batteriemodule darzustellen, hat uns fasziniert. Weil man nicht mehr via Kabel arbeitet, sondern über Funk mit dem Batteriemodul kommunizieren kann, lassen sich so interaktive Fertigungskonzepte realisieren, bei denen die Fertigungsmaschine kontaktlos Daten mit dem Produkt austauscht. Man kann beispielsweise auch eine Diagnose-Software auf die Batterie spielen und dann end-of-line einen finalen Softwarestand aufspielen, um die Produktionsprozesse zu monitoren und eventuelle Fehler in der Produktion frühzeitig zu erkennen.
Schnell war klar, dass wir das in einem Auto umsetzen müssen. Wenn wir das als Modell nur auf dem Schreibtisch entwickelt hätten, hätten Kunden aus der Autoindustrie unser Konzept zurecht als „Jugend forscht“-Projekt abgetan. Also haben LINEAR Technology und wir in Zusammenarbeit mit der Firma Kreisel Electric aus Österreich unser Batteriekonzept Wireless BMS 2016 aufgebaut. Das Gesamtprojekt mit der Integration in einen BMW i3 haben wir dann innerhalb von nur fünf Monaten realisiert und auf der Electronica 2016 präsentiert (siehe Bild 1). Natürlich war es spannend, ob wir das in der kurzen Zeit stemmen können; aber da wir sonst aus Geheimhaltungsgründen sehr selten unsere Arbeit der Öffentlichkeit präsentieren können, war das Team extrem motiviert und hat es letztendlich trotz der knappen Zeit geschafft.
Bild 1: LION Smart stellte das Wireless BMS im Jahr 2016 auf der Electronica in einem BMW i3 vor. (Quelle: LION Smart GmbH)
Auf dem 3M-Fachforum „Faszination Elektromobilität“ im vergangenen Dezember haben Sie erste Details zum neuen LION Smart LIGHT Battery Konzept vorgestellt. Wie kann man sich die Entwicklung eines solchen Konzepts vorstellen?
Bei den Batterien, die wir bisher für das Prototyping eingesetzt hatten, gab es einige ungelöste technische Aspekte. Ziel unseres Unternehmens ist es aber unseren Kunden dabei zu helfen, mit ihren Produkten die Serienreife zu erlangen. So haben wir, als wir das Wireless BMS 2016 entwickelt hatten, parallel auch ein „Stealth-Projekt“ gestartet. Wir wollten Batterie-Architektur noch einmal völlig neu denken. Bisher sind Batterien immer sehr ähnlich aufgebaut. Viele optimieren nur das bestehende System, weil es schon seit mehr als 20 Jahren verwendet wird. Wir aber wollten ganz neue Wege gehen und versuchen all die Aspekte anzugehen, die uns als Ingenieure seit jeher an der Architektur heutiger Batteriesysteme gestört haben. Dafür haben wir uns ganz klare Ziele gesetzt und wirklich sehr harte Anforderungen definiert. Das hört sich deutlich leichter an, als es tatsächlich ist, da man einfach betriebsblind wird, Dinge als gegeben hinnimmt und nicht mehr hinterfragt.
Welche Zielsetzungen waren das?
Erstens wollten wir nicht, dass die Dichtungen sich direkt an den Zellen befinden und haben daher entschieden, dass wir das Modul komplett fluten. Das hat den Vorteil, dass wir so nicht mehr wie in der Wireless-i3-Batterie knapp 10.000 Dichtstellen, sondern tatsächlich nur noch maximal 110-120 Dichtungen haben. 100 Dichtungen kann ich gut absichern in der Produktion – bei 10.000 Dichtungen pro Batteriesystem ist die Prüfung mit zusätzlichem Ausschuss ein Albtraum für jeden Ingenieur.
Zweitens wollten wir wirklich alle Kabel eliminieren. Das ist uns gelungen, indem wir die Kühlflüssigkeit als Datenträgermedium benutzt und auf eine sogenannte Einzelzell-BMS-Architektur gesetzt haben. Das heißt also, wir schicken optische und akustische Signale durch die Kühlflüssigkeit und haben eine Elektronik, die Spannung und Temperatur pro Zelle einzeln überwacht. Heute hat man immer eine Gruppe von Zellen, normalerweise zwölf Stück, die als Elektronikeinheit von einer Platine überwacht werden und wo man entsprechend die Kabel hinführt. Um diesen ganzen Kabelweg loszuwerden, sind wir dahingehend einen Kompromiss eingegangen, dass wir pro Zelle eine eigene Elektronik in Kauf nehmen, die aber dafür sehr einfach gehalten ist. Das heißt diese Platine wird dort, wo die Zellen miteinander verbunden werden, gesteckt – fast wie man es von einer Steckdose kennt. Die Zellen werden also in ihren Rahmen gesteckt, die Elektronik auch und dann wird beides aneinandergefügt. Das ist dann auch von der Fertigung her ein sehr einfacher Prozess.
Bild 4:Daniel Quinger präsentiert das LION Smart Light Battery Konzept auf dem 3M-Fachforum „Faszination eMobilität“ im Dezember 2017. (Quelle: LION Smart GmbH)