4. Herausforderungen in Bezug auf die Netzintegration
Größere Fahrzeugbatterien bringen nicht nur im Fahrzeug selbst Herausforderungen mit sich, sondern auch in Bezug auf die Netzintegration. Genauer gesagt auf die benötigten Ladeleistungen, wenn diese großen Fahrzeugbatterien in kurzer und mittlerweile in kürzester Zeit nachgeladen werden sollen. Tabelle 1 gibt einen Überblick zu den aktuellen und zukünftigen Ladeleistungen:
Studien zeigen, dass ein Großteil der aktuell genutzten Elektrofahrzeuge zu Hause geladen werden [7]. Betrachtet man die typischen Fahrprofile – 80 % der Fahrzeuge in Deutschland legen im Alltag weniger als 50 km an einem Tag zurück [8] – so erscheint es völlig ausreichend, dass nur die gefahrenen Kilometer zu Hause nachgeladen werden müssen, in der Regel also über die Nacht verteilt einige Kilowattstunden. Mit einem höheren Durchdringungsgrad an Elektrofahrzeugen wird sich dies jedoch ändern. Es müssen zum einen Lademöglichkeiten auch in Mehrfamilienhäusern geschaffen werden, dies bedeutet genügend Anschlusspunkte in den Tiefgaragen. Um leistungsseitig nicht an Grenzen zu stoßen, ist hierfür ein intelligentes Lademanagement – integriert in das Gebäude-Energiemanagement – sowie gegebenenfalls ein stationärer Pufferspeicher notwendig.
Mit der weiteren Durchdringung an Elektrofahrzeugen werden jedoch auch Schnelllademöglichkeiten – beispielsweise an Autobahnraststätten, wie sie schon seit einiger Zeit von Tesla betrieben werden – notwendig. Solche Ladepunkte sind ferner auch im Bundes- und Landesstraßennetz sowie auch in Stadtquartieren denkbar, um schnelles Nachladen von großen Fahrzeugbatterien zu ermöglichen. Denkbar sind hierbei Schnellladestationen mit Anbindung an Quartiersspeicher. Damit sind stationäre Batterien gemeint, die für lokale Energiemanagementaufgaben beispielsweise in Stadtquartieren aufgebaut werden, sobald die regulatorischen Rahmenbedingungen dies erlauben.
Die Nachladung an solchen Ladepunkten wird allerdings nur eine hohe Akzeptanz erfahren, wenn die Ladezeiten entsprechend kurz sind. Mit dem Anstieg der Batteriekapazitäten der Elektrofahrzeuge werden damit auch höhere Ladeleistungen erforderlich. So plant beispielsweise die Firma Porsche Schnellladestationen mit 350 kW (siehe Tabelle 1). Typische Verteilnetz-Transformatoren besitzen allerdings meist nur eine Leistung von 630 kVA. Ohne entsprechende Investitionen in die Netzinfrastruktur wird eine entsprechende Versorgung mit derartigen Ladestationen folglich nicht möglich sein. Eine zentrale Fragestellung ist hierbei die Abwägung zwischen „mehr Kupfer“ versus „Elektrochemie in Kombination mit intelligentem Energiemanagement“.
5. Induktive Ladekonzepte
Können auf einfache Art und Weise an verschiedenen Stellen „gefahrene Kilometer nachgeladen“ werden – auch Opportunity charging genannt – so können unter gewissen Voraussetzungen Überdimensionierungen von Batteriekapazitäten vermieden werden. Das induktive Laden ermöglicht solche Konzepte, da ohne Kabel und Stecker – also ohne manuelle Eingriffe – ein Aufladen auch für kurze Zeiträume umsetzbar ist.
Generell wird in drei Klassen von induktiven Ladesystemen unterschieden [9]:
1.Stationäres induktives Laden: Das Elektrofahrzeug steht während des Ladevorgangs, beispielsweise auf öffentlichen Parkplätzen (Supermarkt, Bahnhof, Kino, etc.)
2.Semi-dynamisches Laden: Die Batterie des Elektrofahrzeugs wird an bestimmten Punkten beziehungsweise Bereichen aufgeladen, beispielsweise vor stark frequentierten Ampeln.
3.Dynamisches Laden: Die Batterie des Elektrofahrzeugs wird während der Fahrt nachgeladen, beispielsweise an stark frequentierten Innenstadtringen oder an ausgewählten stark frequentierten Straßenabschnitten außerhalb der Städte.
Gibt es also an verschiedenen Punkten eines typischen Fahrbetriebes immer wieder die Möglichkeit, leicht gefahrene Kilometer nachzuladen, so können die erforderliche Reichweite und damit die Batteriekapazität reduziert werden – so die These! Denn für den Großteil der Fahrten reicht eine kleinere Batteriekapazität völlig aus, eine zu große Batterie bedeutet also die unnötige Bewegung von viel Masse, was sich letztlich für diese Fahrten negativ auf die Effizienz auswirkt.
6. Fazit
Fortschritte in den Lithium-Ionen-Batterietechnologien, sowohl auf Zell- wie auch auf Systemebene, ermöglichen immer größere Batteriekapazitäten in den Elektrofahrzeugen, verbunden mit immer größeren Reichweiten. So wird beispielsweise die untere Fahrzeugklasse, bisher mit Batterien um die 20 kWh erhältlich, mittlerweile mit Batterien um die 60 kWh ausgestattet. Im Premiumsegment hingegen geht der Trend bis zu 120 kWh. Sollen diese großen Batteriesysteme dennoch in überschaubarer Zeit wieder vollgeladen werden, sind auch größere Ladeleistungen erforderlich.
Größere Batteriesysteme und Schnellladestationen mit Leistungen bis zu 350 kW, wie sie sich aktuell in der Entwicklung befinden, bringen aber auch große Herausforderungen mit sich, sowohl im Fahrzeug als auch im Stromnetz. Die zugehörigen Aufgaben sind zwar lösbar, es stellt sich aber die Frage, ob der entsprechende Aufwand und die damit verbundenen hohen Investitionen sowie der Ressourcenverbrauch überhaupt gerechtfertigt sind, beziehungsweise ob durch Alternativen wie beispielsweise intelligente induktive Ladesysteme zu große Batteriekapazitäten vermieden werden können – zumindest für einen Großteil der Fahrzeugnutzer.
Literatur
[1] SMUD_Charge-Times-Chart-20170706_FINAL-LOW-RES.pdf.
[2] Vetter, M. et al.: Batterien – Von der Zelle zum System und zur Systemintegration. Beiträge zur FVEE-Jahrestagung Forschung für die Energiewende – Die Gestaltung des Energiesystems, Berlin, 2016.
[3] Gentischer, H., et al.: Passivierte Siliziummaterialien für Lithium-Ionen-Batteriezellen. Batterieforum Deutschland, Berlin 2017.
[4] Bernardi, D. et al.: A General Energy Balance for Battery Systems. Meeting of the Society, vol. 132, 1985.
[5] Millet, L.: Isothermal calorimeter heat measurements of a 20Ah lithium iron phosphate battery cell. Twelfth International Conference on Ecological Vehicles and Renewable Energies (EVER), Monte Carlo, 2017. https://ieeexplore.ieee.org/document/7935957
[6] März, M.: Energieumstieg und Elektromobilität – Systeme im Umbruch. Workshop Ladelösungen mit Zukunft – Mobilität trifft auf Energiewirtschaft, Bayern Innovativ, Nürnberg, 2017.
[7] Sole, B: Smart Charging with Energy Management Systems – Market place based energy management for PEV grid integration. Kongress Forum Elektromobilität, Berlin, 2017.
[8] Öko-Institut e.V.: Autos unter Strom, Ergebnisbroschüre erstellt im Rahmen des Projekts OPTUM „Umweltentlastungspotentiale von Elektrofahrzeugen-Integrierte Betrachtung von Fahrzeugnutzung und Energiewirtschaft“, Berlin, 2011.
[9] Nindl, T.: The future of mobility is connected, wireless and electric. ees Conference Munich, 2017.
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Autor
Dr.-Ing. Matthias Vetter
Abteilungsleiter „Elektrische Energiespeicher“ und Kontaktperson für Batteriesysteme in der Fraunhofer Batterie-Allianz; Dozent an der Universität Freiburg zu den Themen „Energiespeicher“ und „Elektromobilität“
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Autor
Dipl.-Ing. (FH) Stephan Lux
Leiter der Gruppe „Batterietechnik“ am Fraunhofer ISE
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Autor
M.Sc. Maximilian Bruch
Projektmanager am Fraunhofer ISE, aktuell verantwortlich für die Entwicklung eines EV‑Batteriesystems im Projekt JOSPEL