Bei der Diskussion über Elektromobilität stehen momentan batteriebetriebene Elektroautos im Vordergrund. Dabei bieten mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Bezug auf Reichweite und Energieversorgung Vorteile. Allerdings ist die Technologie derzeit meist noch viel zu teuer. Günstigere Materialien könnten das ändern, erfordern jedoch umfangreiche Tests sowie eine laufende Überwachung der Brennstoffzellen.
Dieser Beitrag ist zuerst im eMobilJournal 01/2018 erschienen.
Vorwort
Angesichts der enormen Feinstaub- und Stick-oxidbelastung in Ballungsräumen gelten Elektroautos als Hoffnungsträger. Brennstoffzellenfahrzeuge stehen dabei jedoch nicht im Fokus, zu teuer ist die Technologie, zu wenig verbreitet die notwendigen Wasserstofftankstellen.
Dabei bieten Brennstoffzellenfahrzeuge – eine funktionierende Infrastruktur vorausgesetzt – gegenüber batteriebetriebenen Elektroautos den Vorteil, dass sie sich leichter betanken lassen und eine höhere Reichweite haben. Kein Wunder also, dass die Automobilhersteller weltweit große Anstrengungen unternehmen, die Kommerzialisierung von Brennstoffzellenfahrzeugen voranzutreiben. Entscheidend dabei ist die Senkung der Kosten. Neben den produzierten Stückzahlen hängen diese vor allem von den eingesetzten Werkstoffen ab.
1. Günstige Materialien können Probleme verursachen
Das Herzstück eines Brennstoffzellen-Fahrzeugs ist der PEM-Brennstoffzellen-Stapel, in dem Wasserstoff und Sauerstoff unter Freisetzung elektrischer Energie direkt zu Wasser umgesetzt werden. Hier lassen sich die Kosten beispielsweise dadurch reduzieren, dass der Anteil von Platin als Katalysator in den Elektroden entweder minimiert oder vollständig durch alternative Werkstoffe ersetzt wird. Generell gilt, dass die elektrochemisch aktive Zelle anfällig gegenüber Zuständen außerhalb des Betriebsbereiches ist. Ein Beispiel: Friert im Winter eine Wasserstoffzuleitung ein, so dass eine Zelle im System nicht mehr versorgt wird, kann darin die geplante Reaktion nicht mehr stattfinden. Es kommt zu irreversiblen Korrosionsmechanismen innerhalb der Zelle, wovon insbesondere die kohlenstoffhaltigen Komponenten betroffen sind. Die Folge: Über kurz oder lang wird der gesamte Stack nachhaltig beschädigt und fällt aus.
Um solche ungewollten Prozesse zu verhindern, müssen die Brennstoffzellen überwacht werden. Die charakteristische Größe bei der Überwachung von Brennstoffzellen-Stapeln sind die Zellspannungen. Sie geben zu jedem Zeitpunkt detailliert Auskunft über den Zustand des Stacks und dem Betreiber so die Möglichkeit, rechtzeitig auf kritische Betriebszustände zu reagieren.
2. Einzelzellüberwachung bietet Vorteile
Aus diesem Grund sind Zellspannungsüberwachungssysteme, so genannte Cell Voltage Monitoring Systems (CVM), ein wichtiger Bestandteil entsprechender Prüfstände in den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller. Gängige Systeme überwachen den Brennstoffzellen-Stack als Komplettsystem. Das hat jedoch Nachteile, denn im Falle einer Störung kann keine Aussage darüber getroffen werden, wo genau diese auftritt. Nur eine Einzelzellüberwachung wie sie Smart Testsolutions mit dem System MCM IntelliProbe ermöglicht, gibt tiefe Einblicke in das Innenleben des Stapels (Bild 1). Kritische Betriebszustände werden nicht nur erkannt, sondern können auch präzise lokalisiert werden.
Die Anforderungen an ein CVM sind vielschichtig. Für den stationären Einsatz an Prüfständen wird eine hohe Messgenauigkeit bei gleichzeitig hoher Abtastrate gefordert. Dies ermöglicht es, detailliert zu untersuchen, wie die Systeme auf Zustandsänderungen reagieren, beispielsweise auf einen Lastwechsel. Darüber hinaus fordern einige Entwickler einen erweiterten Messbereich, um kritische Betriebszustände, die zu einem Absinken der Zellspannungen in den negativen Bereich führen, simulieren zu können. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt bei der Entwicklung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen ist es, zu untersuchen, wie sich Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Feuchtigkeit auf die Systeme auswirken. Die eingesetzte Überwachungstechnik muss also auch bei tiefen Temperaturen von bis zu -40 °C einwandfreie Ergebnisse liefern und die Elektronik vor dem Eindringen von Feuchtigkeit geschützt sein.
Bild 1: Ein MCM-IntelliProbe-Messsystem besteht aus bis zu 42 zehnkanaligen Messmodulen, einem Link-Modul und einem Busterminierungstool. (Quelle: Emanuel Zifreund/Smart Testsolutions)
3. Einsatz im Fahrzeug stellt besondere Anforderungen
Sollen CVMs auch mobil eingesetzt werden können, erweitert sich das Anforderungsprofil an die Überwachungstechnik nochmals deutlich. Doch der Aufwand lohnt, eröffnet der Einsatz eines CVM in Erprobungsfahrzeugen doch die Möglichkeit, Systemerkenntnisse unter realen Betriebsbedingungen zu sammeln und Strategien für einen optimalen Betrieb zu entwickeln. Ein Beispiel: Wird im System eine Brennstoff-Unterversorgung festgestellt, könnte der Betrieb kurzfristig unter Nutzung der in der Batterie vorhandenen elektrischen Energie auf Elektrolyse umgeschaltet werden. Aus Wasser wird dann Wasserstoff und Sauerstoff, beim Prozess entsteht außerdem Wärme, mit der eine zugefrorene Leitung als Ursache der Wasserstoffunterversorgung wieder aufgetaut und so der normale Betriebszustand wieder hergestellt werden könnte. Diese Betriebsstrategie würde also die dauerhafte Funktion auch im Winter sicherstellen. Werden die Betriebsstrategien an die Einzelzellspannungen gekoppelt, müssen konsequenterweise auch die Serienfahrzeuge mit einem entsprechenden Überwachungssystem ausgerüstet werden. Tatsächlich gehen die Überlegungen vieler Automobilhersteller in diese Richtung.
Grundvoraussetzung für die Integration von CVM-Systemen in Fahrzeuge ist zum einen eine sehr kompakte Bauform, denn der Platz unter der Motorhaube ist in der Regel sehr begrenzt. Außerdem ist es ratsam, die Überwachungseinheit möglichst in der Nähe des Brennstoffzellen-Stapels unterzubringen, um Störungen der Messsignale durch äußere Einwirkungen zu minimieren. Die Montage der Elektronik am bzw. auf einem Brennstoffzellen-Stack ist jedoch nur dann möglich, wenn das CVM-System auch in einem erweiterten Temperaturbereich bis 85 °C zuverlässig arbeitet. Denn die Brennstoffzellen-Stacks sind aus sicherheitstechnischen Gründen in speziell belüfteten Gehäusen gekapselt und diese Abschottung führt zu erhöhten Betriebstemperaturen innerhalb der Stapelgehäuse. Außerdem muss das System sehr robust sein und auch bei Erschütterungen fehlerfrei arbeiten.
Bild 2: Ein MCM-IntelliProbe-Messmodul ist extrem kompakt gebaut, bietet aber trotzdem eine Isolationsfestigkeit bis 1.400 Volt. (Quelle: Emanuel Zifreund/Smart Testsolutions)
Mit der vierten Produktgeneration seiner Zellspannungsüberwachungssysteme, der bereits genannten MCM-IntelliProbe, ist Smart Testsolutions der Spagat zwischen den Anforderungen stationärer und mobiler Anwendungen gelungen. Das System ist modular aufgebaut, klein und isolationsfest (Bild 2). Es arbeitet auch bei hohen Temperaturen zuverlässig und ist zudem sehr flexibel einsetzbar. So kann wahlweise von -1 bis +5 V oder von -3 bis +3 V gemessen werden. Damit ist das MCM-IntelliProbe-System, das bereits weltweit bei vielen namhaften Automobilherstellern mit Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich Brennstoffzelle im Einsatz ist, auch in anderen Branchen, etwa in der Herstellung von Lithium-Ionen-Akkupacks, eine attraktive Technologie für die Qualitätskontrolle der verwendeten Batteriezellen.
4. Zellkontaktierung kommt entscheidende Bedeutung zu
Angesichts von Zellabständen unter einem Millimeter in modernen Brennstoffzellen stellt der Potenzialabgriff an den Bipolarplatten eine besondere Herausforderung dar, wenn es um die Messung der Einzelzellspannungen geht. Bisher kommen für den Spannungsabgriff an Brennstoffzellen in der Regel Federkontakte zum Einsatz, die nicht nur aufwendig justiert werden müssen, sondern auch sehr hoch aufbauen. Gerade im Automobil ist der Bauraum jedoch sehr knapp. Daher hat der Autobauer Smart als Ergänzung zu den Zellspannungsmessmodulen die Zellkontaktierungseinheit CVP entwickelt, die einen zuverlässigen Spannungsabgriff sicherstellt, ohne dass bei der Montage von Hand nachjustiert werden muss. Gleichzeitig kommt die Kontaktierungseinheit mit nur fünf Millimetern Bauhöhe aus (Bild 3), während herkömmliche Lösungen Bauhöhen zwischen 35 und 250 Millimetern aufweisen.
Bild 3: Zellkontaktierungseinheit CVP auf einem Brennstoffzellen-Dummy montiert. Die Einheit baut mit 5 mm sehr gering auf. (Quelle: Emanuel Zifreund/Smart Testsolutions)
Die gesamte Kontaktierungseinheit wird an den Endplatten und – falls vorhanden – an einer Mittelplatte des Brennstoffzellen-Stacks befestigt. In diesem vorgespannten Zustand ist eine einfache und schnelle Einbringung der Kontakte in die Zelltaschen möglich. Dabei zentrieren sich die Kontakte größtenteils selbst. Sind kleinere Korrekturen erforderlich, lassen sich diese aufgrund des übersichtlichen Aufbaus und der guten Zugänglichkeit ohne Probleme durchführen. Stundenlange aufwendige Positionierungsarbeiten entfallen. Die endgültige Positionierung und Fixierung des Systems erfolgt durch eine Haube, die die Kupfer-Beryllium-Drähte in die Zelltaschen presst und so für einen konstanten Anpressdruck und einen zuverlässigen Spannungsabgriff sorgt.
Die Nachteile bestehender Zellkontaktierungsverfahren gehören mit CVP der Vergangenheit an. Das System ist nicht nur sehr flach im Aufbau und erfordert keine aufwendige Justierung, sondern zudem rüttelunempfindlich, temperaturunempfindlich und flexibel einsetzbar. Durch den Einsatz von 3D-Druck-Verfahren wird das Design jeweils so angepasst, dass Hersteller von Brennstoffzellenfahrzeugen das System bauraumneutral in vorhandene Seriendesigns integrieren können, ohne dass eine Änderung am Package nötig ist. (gra)
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Autor
Dr. Markus Schuster
Business Development Manager New Energy Electronics, Smart Testsolutions GmbH