Elektromobilität: Entwicklungsstau smart umfahren

Der Anteil an Elektroautos am gesamten Pkw-Markt in Deutschland erfüllt die hoch gesteckten Ziele der Bundesregierung nicht. Wie lässt sich der "Entwicklungsstau" auflösen? Unser Gastautor Christian Teipel zeigt Lösungsansätze auf.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 01/2019 erschienen.

Vorwort

Keine Frage: Die Mobilitätswende steht im Stau. War man noch mit Vollgas in das neue Mobilitätszeitalter gestar­tet, bleibt die Entwicklung heute weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. In Deutschland wurden im Jahr 2018 laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 36.000 reine Elektroautos zugelassen. Das entspricht gerade einmal 1% der Neuzulassungen. Auch unter Hinzunahme der Plug-In-Hybride beläuft sich Anzahl lediglich auf rund 65.000 Fahrzeuge [1]. Was sind die Gründe? Unsicherheitsfaktoren, wie infrastrukturelle Probleme bei der Ladesäulenver­fügbarkeit und nicht standardisierte Abrechnungsmodalitäten verstellen den Blick in die Zukunft – und damit auf einen bedeutsamen Anteil von Elektromobilität am gesamten Mobilitätsmarkt. Allerdings: Ein neues Modell zeigt, wie sich der Stau auf besonders smarte Art und Weise umfahren lassen kann.

Ernüchternde Bilanz

Woanders rollt er störungsfreier – der Verkehr rund um die Elektromobilitätswende und nachhaltige Lösungen. Im Gegensatz zu Deutsch­land ist die Elektromobilitätswende in anderen Ländern sogar deutlich weiter. Beispiel Norwegen: Hier sind be­reits fast 50 % aller Neuzulassungen Elektrofahrzeuge oder Plug-In-Hybride [2]. Das vergleichsweise kleine skandinavische Land mit nur 5,3 Millionen Einwohnern gilt als einer der Leitmärkte der Elektromobilität. Das Erfolgsrezept der Norweger ist dabei eine starke staat­liche Förderung. Durch sie entfallen eine 25-prozentige Umsatzsteuer, Zulassungsgebühren und Importabgaben. Zusätzlicher Anreiz für vorausschauende Fahrer von Elektromobilen: keine Mautgebühren – und damit eine Pole-Position auf der kostensparenden Überholspur auf Norwegens Straßen.

Entwicklungsstau: Was bremst den Verkehrsfluss für Elektromobile in Deutschland?

Die gute Nachricht vorab: Die stolze Zahl von 300.000 Fahrzeuginhabern könnte bei der Neuanschaffung von Elektrofahrzeugen von staatlicher Förderung profitieren. Immerhin. Die schlechte Nachricht: De facto in Anspruch genommen haben das Angebot auf Bundesfördermit­tel nur vergleichsweise wenige Interessenten: Bis zum 31.12.2018 wurden 91.498 Anträge auf die Kaufprämie für Elektro- und Hybridfahrzeuge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt [3]. Die Gründe: Neben den immer noch vergleichsweise hohen Anschaffungskosten, dem überschaubaren Modellange­bot sowie langen Lieferzeiten scheinen vor allem zwei Kernfaktoren für den bisher nicht erfolgten Durchbruch verantwortlich. Zum einen ist die noch immer geringe Verfügbarkeit von Ladepunkten, vor allem da, wo sie benötigt wird – bei Arbeitgebern und zuhause – ein Bremsfaktor, zum anderen gelten nicht standardisierte Abrechnungssysteme vielen Verbrauchern als unkalku­lierbares Wagnis beim Kauf eines Elektromobils.

Fazit: Damit der Marktanteil endlich wächst, muss die Ladeinfrastruktur durch größere Flächendeckung verbes­sert werden. Im zweiten Quartal 2018 gab es in Deutsch­land laut Chargemap rund 9.400 Ladestationen [4]. „Auf technischer Seite sollten sich die Ladeleistungen von 3,7-kW-Anschlüssen wegen der gestiegenen Kapazitä­ten der Elektrofahrzeuge hin zu Anschlüssen mit 11 kW als neuem Standard entwickeln. Denn damit ist ein gän­giges 80-kWh-Auto in annehmbarer Zeit geladen“, rät Christian Teipel, Prokurist und Leiter Erneuerbare Ener­gien und Elektromobilität bei der Sonepar Deutschland Technical Solutions GmbH. Dabei sieht der Experte: „Während die Verfügbarkeit der Ladepunkte jedoch nur eine Frage der Zeit ist, sind die unterschied­lichen Abrechnungsmodi ein deutlich komplexer es Problemfeld. Genau hierzu haben wir uns Gedanken gemacht.“

Tanken und bezahlen: Vom Wollen – und nicht Können

„Wo kann ich tanken und wie kann ich bezahlen?“ Diese Frage stellen sich unzählige Interessenten, die gerne elektrisch unterwegs sein möchten – aber oftmals schlichtweg nicht können. Über 30 Anbieter und Ab­rechnungsmodi gibt es. Genauso unübersichtlich, wie unpraktisch. Die am Markt befindlichen Modelle reichen von geschlossenen Plattformen über Prepaid-Karten, vertraglich fixierten, an den Verbrauch gekoppelten Monatstarifen bis hin zu Flatrates, wie man sie aus dem Telekommunikationsmarkt kennt. Eben dieser springt auch dann zur Seite, wenn es um Zahlungen per App oder über kostenpflichtige SMS, die über die Mobil­funkrechnung abgerechnet werden, geht. Dazu Christian Teipel: „Es gibt momentan zu viele Standards, obwohl die Ladesäulenverordnung II das punktuelle Laden vor­schreibt [5]. Dies bedeutet, dass ich an jeder öffentlich zugänglichen Ladeeinrichtung, egal ob Vertrag oder nicht, sicherstellen muss, dass ein Kunde sein Elektro­fahrzeug laden kann. Aber da sind wir noch nicht.“

Dabei sind rein technisch durchaus Inkompatibilitäten ausgeräumt: „In der Ladesäulenverordnung I sind die tech­nischen Anforderungen an Ladesäulen klar definiert [5]. Der Typ2-Stecker für das Laden mit Wechselspannung hat sich in der EU als Standard durchgesetzt. Ein neuer CCS-Kombistecker ermöglicht neben dem Laden über Wechselspannung auch das Aufladen über Gleichspan­nung. CCS wird sich auf lange Sicht sicherlich durchset­zen“, prognostiziert Teipel.

Mit E-Roaming verschiedene Anbieter vernetzen

Bei der Abrechnungspraxis steht ein solcher Standard noch aus. Allerdings zeigen sogenannte E-Roaming-Platt­formen wie Hubject, ein gemeinsames europaweites Pro­jekt unter anderem von BMW, Bosch, Daimler, EnBW, innogy und Siemens, erste Bestrebungen, Ladestationen verschiedener Anbieter zu vernetzen. E-Roaming ermög­licht den Nutzern von Elektrofahrzeugen den Zugang zu den Ladestationen verschiedener Anbieter. Über die­sen Datenaustausch erfolgt die Verrechnung der Lade-kosten zwischen Endkun­de, Mobilitätsanbieter und Ladestationsbetreiber um einiges einfacher.

Vorteil: Nutzt der Kun­de eine Ladekarte oder App eines an ein solches E-Roaming-Netzwerk ange­schlossenen Anbieters, kann er mittlerweile deutsch-land- und auch europaweit auf ein großes Netzwerk an Ladestationen zugreifen. Ein wichtiger Schritt voraus. Und dennoch: Laut Christian Teipel bieten derzeit leider immer noch viele Stadtwer­ke den Strom kostenlos bzw. über eigene Vertragsmodelle an, um die Problematik der Bezahlmodelle zu umgehen. „Das wird sich jedoch künftig mit zunehmender Standar­disierung der Abrechnungsmodalitäten ändern.“

Die Lösung: Smartes Konzept mit intelligenter Ladesäule und Back-End

Was kann Elektrogroßhändler Sonepar zur Lösung der Probleme beitragen? „Wir setzen auf ein System aus effizientem Energiemanagement und damit verbun­dener Elektromobilität“, so Christian Teipel. „Das Lö­sungskonzept umfasst im Rahmen eines dreistufigen Vertriebswegs eine herstellerunabhängige Beratung und Bedarfsanalyse sowie die anschließende Realisation mit Herstellern durch Dienstleister.“ Ein System, mit dem sich Unternehmer und private Elek­trofahrzeugnutzer zumindest ein ganzes Stück weiter aut­ark bewegen und sich den erläuterten Problemfeldern der Elektromobilität partiell entziehen kann.

Lokale Energieerzeugung mit PV-Anlage

Ein Fortschritt. Zudem: Über den Weg der lokalen Energieer­zeugung mit einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) wird reiner Ökostrom gewonnen. Als Teil eines Gesamtsys­tems, bestehend aus PV-Anlage, Speicher und Ladepunkt sowie einem in das Gebäude integriertes Lademanage­ment, entstehen somit ganz neue Modelle zur Nutzung der Gebäudeinfrastruktur (siehe Bild 2). „Damit lässt sich sogenannte grüne Elektrizität bestmöglich lokal erzeu­gen und nutzen“, so Christian Teipel.

Bild 2

Bild 2: Smartes Konzept aus PV-Anlage kombiniert mit intelligenter Ladesäule. (Quelle: Sonepar Deutschland GmbH)

Alle nutzen mit

„Ein übergeordnetes Gebäudemanagement regelt, dass nicht nur das Elektroauto an der Ladesäule auflädt, son­dern auch alle anderen Verbraucher, wie beispielsweise die Büroinfrastruktur eines Gewerbes oder die elektri­schen Geräte eines Haushalts, bedarfsgerecht versorgt werden können“, erklärt Christian Teipel. „Die Ladema­nagementlösungen unterschiedlichen Umfangs stehen für Privatpersonen und für das produzierende sowie nichtproduzierende Gewerbe zur Verfügung. Demnach können auch Arbeitgeber Ladepunkte zur Verfügung stellen, die öffentlich allen zur Verfügung stehen oder als private Ladestationen die privaten Pkw der Mitarbei­ter oder aber die Fahrzeuge der eigenen Betriebsflotte aufladen.“

Ausblick: Perspektivisch werden elektrische Großspei­cher im gewerblichen Umfeld aber auch in Quartierskon­zepten eine wichtige Rolle in Bezug auf die Pufferung von Leistungsspitzen haben. Das über die beschriebene Roaming-Technologie organisierte Back-End-System von Sonepar rechnet den Ladevorgang ab. Bezahlt werden kann wahlweise über eine RFID-Kundenkarte oder direkt über eine App. Eine Abrechnung erfolgt anschließend über ein hinterlegtes Bezahlmedium und kann je nach Wunsch des Ladestromanbieters nach Ladezeit, Strommenge oder über einen Pauschalbetrag angeboten werden.

Mit der Lösung Eigenstromgewinnung wird die klimaneutrale Mobilität also faktisch umsetzbar Wichtigster Punkt bei der Bezahlung des Ladestroms an einer Ladesäule ist die korrekte Messung der abgegebenen Strommenge und eine darauf aufbauende klare, transparente Ausweisung des Preises. Dies gilt insbesondere für Lösungen in Industrieunternehmen sowie Gewerbebetrieben oder im öffentlichen Bereich. Hier fehlt es weiterhin an der notwendigen Transparenz und Klarheit für Investoren, da bis dato entsprechende Ladelösungen einzeln auf Eichrechtskonformität geprüft werden. „Hier müssen seitens der Politik endlich Fakten geschaffen werden, damit für Investoren eine entsprechende Sicherheit gegeben ist“, fordert Teipel.

Streitpunkt: Noch offene Klimaziele

Generell sehen einige Elektromobilitätskritiker die positive Ökobilanz von Elektrofahrzeugen kritisch und stellen deren Einfluss auf die Klimaziele infrage. Häufiger Diskussionspunkt ist der Ladestrom, da die Produktionsquelle die Klimabilanz eines Elektrofahrzeugs maßgeblich beeinflusst. Stamme dieser jedoch wie so oft aus dem öffentlichen Energienetz, sei dies nicht gegeben, weil der Ökostromanteil je nach Versorger variiere. Ernüchternd?

Christian Teipel hält dagegen: „Elektromobilität kann auch heute schon einen Unterschied machen. Ziel ist nicht, dass jeder individuelle Vielfahrer mit 50.000 Kilometern Fahrleistung pro Jahr auf Elektromobilität umsteigen soll. Das Ziel ist es vielmehr, den Emissionsanteil in den Städten herabzusetzen. Verhält man sich lokal klimaneutral – notfalls auch mit nicht reinem Öko- strom, ist die Emission nicht mehr in der Stadt. Dadurch erhöht auch der Einzelne die Lebensqualität aller und trägt zur Reduzierung gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei.“

Letztendliches Ziel sollte es also sein, dass Ökostrom den konventionellen Strom ersetzt, um die Elektromobilität in Gänze klimaneutral zu gestalten. Doch auch beim derzeitigen Strommix gilt, dass „das Elektroauto bezogen auf den Kraftfahrverkehr immer noch klima- freundlicher und effizienter unterwegs ist, als alle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren“, so Christian Teipel. Das von ihm begleitete und organisierte Gesamtkonzept aus PV-Anlage, Speicher, intelligenter Zapfsäule und Gebäudemanagement: „Ein Lösungskonzept, das die gegenwärtigen Unsicherheiten der Elektromobilität außen vorlässt.“

Erste Praxistests: Sektorenkopplung hilft

In Osnabrück und Augsburg hat Sonepar zu Testzwecken erste durch Ökostrom versorgte Ladesäulen mit Back-End-Anbindung errichtet. Zukünftig sollen diese auch öffentlich verfügbar werden. Abgerechnet wird der Ladevorgang per QR-Code. Insgesamt wird Elektromobilität beim Großhändler Sonepar als Baustein der Mobilitätswende gesehen, der insbesondere dann funktionieren kann, „wenn weiterhin die Sektorenkopplung von Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie vorangetrieben wird und darauf basierende Lösungen für Fahrstrom aus erneuerbaren Energien die Elektrokraftfahrzeuge von morgen bewegen“, so Christan Teipel.

Quellen

  • Kraftfahrt-Bundesamt: Fahrzeugzulassungen im Dezember 2018 – Jahresbilanz. www.kba.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/Fahrzeugzulassungen/pm01_2019_n_12_18_ pm_komplett.html, (abgerufen am 14.01.2019).
  • OFV – Norwegische Straßenverkehrs-Informationsagentur.
  • Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): Antragsstand 31. Dezember 2018 Elektromobilität (Umweltbonus). www.bafa.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/ Energie/Elektromobilitaet/2018_12_zwischenbilanz.html, (abgerufen am 14.01.2019).
  • Chargemap, https://de.chargemap.com/.
  • Verordnung über technische Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für Elektromobile (Ladesäulenverordnung – LSV).

  • Christian Teipel Sonepar

    Autor

    Christian Teipel

    Leiter Erneuerbare Energien und Elektromobilität, Sonepar Deutschland Technical Solutions GmbH

  • Entwicklungsstau Elektromobilität Cover

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