Mit dem angestrebten Ausbau der Ladeinfrastruktur steigt auch die Ladeleistung, die das elektrische Versorgungssystem bereitstellen muss. Mithilfe von Gleichstromtechnologie können Elektrofahrzeuge in das bestehende Versorgungssystem integriert werden. Wie die Integration betriebs- und kosteneffizient erfolgen kann, lesen Sie in diesem Fachbeitrag der RWTH Aachen University.
Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 03/2018 erschienen.
1. 1. Ausgangslage
Getrieben durch das Bestreben nach sauberer Luft in den Städten, niedrigen Lärmpegeln und geringem Verbrauch von fossilen Energieträgern, geht der Entwicklungstrend heute hin zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Dieser Trend ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu beobachten. In Norwegen lag beispielsweise 2017 der Anteil neu zugelassener Elektrofahrzeuge bei rund der Hälfte aller neu zugelassenen Fahrzeuge. In der Stadt Amsterdam versucht die lokale Regierung öffentliche Verkehrsmittel bis 2026 vollständig zu elektrifizieren.
Ähnliche Bestrebungen gibt es in Hamburg: Dort sollen ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse beschafft werden. Zwar ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen zu haben, derzeitig eher unrealistisch, jedoch hält die Bundesregierung an diesem Ziel fest. Im Jahr 2017 konnte zudem ein deutlicher Anstieg der Zulassungszahlen verzeichnet werden. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Marktanteil von 0,8 auf rund 1,6 % verdoppelt.
Parallel zur steigenden Anzahl von Elektrofahrzeugen steigt auch der Bedarf an Ladeinfrastruktur. Um den Bedarf zu decken, hat sich die deutsche Regierung zum Ziel gesetzt, ca. 15.000 öffentliche Ladestationen durch ein Förderprogramm zu schaffen [1]. Derzeit gibt es in Deutschland rund 10.700 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon sind 530 Schnellladesäulen. Die Nationale Plattform Elektromobilität geht zudem von einem Bedarf von rund 70.000 öffentlichen Ladenpunkten und rund 7.100 Schnellladesäulen im Jahr 2020 aus.
Mit der steigenden Zahl der Ladestationen steigt auch die insgesamt benötigte Ladeleistung, welche vom elektrischen Versorgungssystem zur Verfügung gestellt werden muss.
2. 2. Ladeleistung und Ladestelle
Die in naher Zukunft benötigte zusätzliche Ladeleistung ist nicht nur von der verbauten Batteriekapazität, sondern auch von der akzeptierten Dauer eines Ladevorgangs abhängig. Die Akzeptanz der Ladedauer wird dabei vor allem durch die Bedürfnisse der Endnutzer bestimmt. So sind die meisten Nutzer vermutlich mit einer langsamen Ladung am Arbeitsplatz oder zu Hause über Nacht zufrieden, während an Autobahnen oder Supermarktparkplätzen höhere Ladeleistungen nachgefragt werden. Auf Supermarktparkplätzen beispielsweise ist mit einer Verweildauer von 30 – 40 Minuten zu rechnen, während hingegen an Autobahnraststätten eine deutlich kürzere Ladezeit von den Endnutzern gefordert wird.
Basierend auf einer Studie des ING Economics Department [2] akzeptiert die Mehrheit der Nutzer von Elektrofahrzeugen eine Ladedauer von 15 Minuten oder weniger. Um die maximal akzeptierte Ladedauer zu erfüllen, werden in Abhängigkeit von der Batterie Ladeleistungen, wie in Bild 1 dargestellt, benötigt. Diese Ladeleistungen lassen sich anhand des Entwicklungstrends der Batteriekapazität für die nächste Dekade aus Sicht der Autohersteller [3] ableiten.
Bild 1: Entwicklungstrend der Ladeleistung abgeleitet von der Entwicklung der Batteriekapazität [3].
Unter Betrachtung der Entwicklung von Batteriekapazitäten in der Kompakt- und Standardklasse benötigen künftige Elektrofahrzeuge eine Ladeleistung von bis zu 200 kW, um die akzeptierte Ladedauer zu erfüllen. Erst bei Fahrzeugen der Premiumklasse werden Ladeleistungen oberhalb von 200 kW notwendig. Bereits heute werden Schnellladestationen, mit einer Ladeleistung von 350 kW für Fahrzeuge der Premiumklasse gebaut. Mit zukünftigen Fahrzeugen, die ein 800-Volt-Batteriesystem nutzen, lassen sich dann die Anforderungen an die Ladedauer erfüllen. Betrachtet man allerdings die vorgelagerte Versorgung von Schnellladestationen, wird erkennbar, dass heutige Verteilnetze die benötigte Ladeleistung für das Schnellladen nicht zur Verfügung stellen können, ohne die vorhandenen Komponenten zu überlasten.
Für Schnellladestationen werden Autobahnen, Schnellstraßen und Hauptkreuzungspunkte als geeignete Installationsstellen identifiziert. Da die Reichweite der Batterie für eine gesamte Fahrstrecke nicht ausreichend ist, sind diese Orte entlang von Transitstrecken prädestiniert zur Schnellladung. Darüber hinaus bieten sich weitere Punkte in der urbanen Umgebung, wie beispielsweise Supermärkte oder Kinos, als geeignete Stellen für Schnellladestationen an. In der urbanen Umgebung ist die Installation von Schnellladestationen aus Nutzersicht sinnvoll, da so parallel Aktivitäten ermöglicht werden, welche eine ähnliche Dauer haben (zum Beispiel Einkaufen und Laden). Dadurch wird der Ladevorgang nicht als Verlust an Reisezeit betrachtet. Des Weiteren ergeben sich so neuartige Geschäftsmodelle für die Betreiber von Einrichtungen im öffentlichen Raum.
3. 3. Leistungselektronik im modernen Bordnetzsystem
Das moderne elektrische Bordnetzsystem setzt sich aus einer Vielzahl an Komponenten zusammen, welche miteinander interagieren und aufeinander abgestimmt werden müssen. Bild 2 zeigt ein beispielhaftes Bordnetz mit den einzelnen Komponenten der elektrischen Bordnetzstruktur. Generell können verschiedene Spannungsebenen unterschieden werden.
Bild 2: Struktur eines modernen Bordnetzsystems für Elektrofahrzeuge.
Beim Einsatz mehrerer unabhängiger Batteriepacks bietet sich die Anbindung mittels individuellen DC-DC-Wandlern an den internen Spannungszwischenkreis an, welcher die Antriebsumrichter und somit die Antriebsmaschinen speist. Mit der steigenden Marktreife und der Verbreitung moderner Wide-Bandgap-Halbleiterbauelemente ergeben sich neue Potenziale bezüglich Effizienz, Leistungsdichte und leistungsbezogener Systemkosten. Für das Aufladen mit niedriger Leistung, beispielsweise über Nacht oder am Arbeitsplatz, bieten sich kompakte und effiziente in das Fahrzeug integrierte Ladegeräte an.
Bereits heute erreicht man mit herkömmlichen Siliziumkarbid-Halbleitern eine Leistungsdichte von 20 kW/kg und 30 kW/l. Unter Verwendung von Wide-Bandgap-Bauelementen hingegen (wie z.B. Gallium-Nitrit) lässt sich das gravimetrische sowie volumetrische Leistungsgewicht noch deutlich senken. Daher stellen diese On-Board-Ladegeräte eine integrierte und flexible Lösung dar. Dabei wird keine umfassende Kommunikation mit der Ladeinfrastruktur benötigt, was die Einsatzmöglichkeiten besonders vielseitig macht.