Der Rohstoffbedarf der Elektromobilität

Der Bedarf an Schlüsselrohstoffen für Lithium-Ionen-Batterien ist ein viel diskutiertes Thema. Doch sind bei zunehmender Elektromobilität wirklich Engpässe zu erwarten?Das Öko-Institut fasst in einer Gesamtschau die wesentlichen aktuellen ­Erkenntnisse und Entwicklungen zusammen und gibt sieben Handlungsempfehlungen an die Hand, um eine nachhaltige Rohstoffversorgung langfristig sicherzustellen.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 03/2018 erschienen.

Im 2-Grad-Ziel-­Szenario (nach IEA) steigt der Gesamtbedarf an Lithium im Jahr 2030 auf rund 160.000 Tonnen und im Jahr 2050 auf einen Jahresbedarf von rund 500.000 Tonnen an. Eine physische Verknappung von ­Lithium ist dennoch auf absehbare Zeit nicht zu befürchten. Für Kobalt ergeben sich aus den ­Szenarien vergleichbare Ergebnisse. Dennoch bestehen Herausforderungen hinsichtlich der Roh­stoffversorgung für Elektromobilität.

1.1. Einleitung

Mit dem Einstieg in das Elektromobilitäts­zeitalter werden Fragen zur Veränderung des Rohstoffbedarfs oder gar von Rohstoffver­knappungen immer häufiger gestellt. Unbe­stritten ist, dass bei einem globalen Wandel weg vom Verbrennungsmotor hin zu elektri­schen Antrieben fossile Rohstoffe (in erster Linie Erdöl) für die Nutzungsphase der Fahr­zeuge massiv an Bedeutung verlieren werden. Wenn gleichzeitig in den nächsten Jahren und Jahrzehnten regenerative Energieträger weltweit ihren Siegeszug fortsetzen, werden ebenso die fossilen Energieträger zur Erzeu­gung elektrischer Energie – für Elektromobi­lität und andere Sektoren – nach und nach zurückgedrängt.

Kritische Aufmerksamkeit haben in den letzten Jahren jedoch die Technologiemetalle erregt, die für die Batterien, Elektromotoren usw. der Elektrofahrzeuge benötigt werden. Debatten über Seltene Erden, Lithium, Kobalt etc. werden zu Recht geführt und Fragen zu deren Rohstoffversorgung und -sicherheit, den sozialen und ökologischen Auswirkungen der Rohstoffförderung sowie zum Recycling dieser Metalle gestellt.

2. 2. Relevante Komponenten und Rohstoffe

Wesentliche neue Komponenten in Elektro­fahrzeugen im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind die Antriebsbatterie, der Elektromotor und die Leistungselektronik.

Für die Antriebsbatterien sind aller Vor­aussicht nach Lithium-Ionen-Batterien (LIB) ­zumindest bis 2030 die klar dominierende Technologie [1]. Hierunter erlangen die LIB mit Nickel-Mangan-Kobalt (abgekürzt NMC) im Kathodenmaterial aufgrund günstiger Eigen­schaften wie Energiedichte usw. mehr und mehr Marktanteile. Wesentliche Schlüsselroh­stoffe für diesen Batterietyp sind Lithium, Ko­balt, Nickel sowie Grafit. Die Entwicklungen in der Batterietechnik nach 2030 sind schwer vorherzusehen bzw. zeitlich zu verorten. Neue, für die weitere Zukunft denkbare Systeme wie ­Natrium-Ionen-Batterien, Lithium-­Schwefel-Batterien usw. (siehe ausführlich [2]) werden daher in diesem Beitrag nicht weiter behandelt.

Im Bereich der Elektromotoren sind perma­nent erregte Synchronmotoren mit Neodym-­Eisen-Bor-Magneten zurzeit die erste Wahl auf­grund einer Reihe technologischer Vorzüge wie geringes Gewicht und Volumen bei gleichzeitig hoher Energieeffizienz. Für die Permanent­magnete dieser Elektromotoren werden rund 30 % Seltenerdmetalle wie Neodym, Praseo­dym, Dysprosium und Terbium eingesetzt. Vor allem bei den Elektromotoren für vollelek­trische Pkw existieren allerdings bereits sehr unterschiedliche Motorkonzepte, die gänzlich ohne Seltene Erden auskommen. Alternativen wie Asynchronmotoren (ASM) und der Electri­cally/Externally-excited-Synchronmotor (EESM) sind in einzelnen vollelektrischen Modellen be­reits schon auf dem Markt. Vor allem für Hyb­ridfahrzeuge wird ein Umstieg auf Alternativen zu permanent erregten Synchronmotoren mit Neodym-Eisen-Bor-Magneten am schwierigs­ten eingeschätzt, da hier die Gewichts- und Volumen­vorteile dieses Motorentyps besonders zum Tragen kommen. Allerdings gibt es neuer­dings Teillösungen wie Elektromotoren mit Neodym-Eisen-Bor-Magneten, die ohne den Einsatz der schweren Seltenen Erden Dyspro­sium und Terbium (in vielen natürlichen Lager­stätten für Seltene Erden nicht relevant enthal­ten und daher tendenziell kritischer hinsichtlich Preis und Versorgung) auskommen.

Zu den Materialien bzw. Rohstoffen, die für die Komponente Leistungselektronik wichtig sind, liegen aus einem Verbundvorhaben mit Beteiligung des Öko-Instituts dezidierte Daten vor [3]. Neben Basismetallen wie Aluminium und Kupfer sind hier vor allem wertvolle Edel­metalle wie Gold, Silber und Palladium sowie Zinn zu nennen, die für die Platinen benötigt werden. Eine Demontage dieser Komponente aus Altfahrzeugen und eine effiziente Verwer­tung der unterschiedlichen Metalle ist eine rea­listische Perspektive [3].

Da die Rohstoffnachfrage bezüglich der Komponente Antriebsbatterie aktuell und vor allem mit Perspektive auf die nächsten Jahre besonders relevant ist, werden sich die folgen­den Ausführungen auf die Schlüsselrohstoffe der Lithium-Ionen-Batterien fokussieren.

Ungeachtet dessen ist hinsichtlich der ­Gesamtentwicklung der Elektromobilität in­klusive der notwendigen Infrastruktur an­zumerken, dass das Basismetall Kupfer auf ­breiter Front starke Nachfrageimpulse bekom­men wird. Kupfer ist wichtiger Bestandteil für alle drei genannten Fahrzeugkomponenten (Antriebsbatterie, Elektromotor, Leistungs­elektronik), ist aber zusätzlich relevant im Be­reich der Ladeinfrastruktur, der Verteilnetze in den Stadtquartieren und perspektivisch auch für Oberleitungen auf Autobahnen und aus­gewählten Bundesstraßen zur Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs. Es ist aber mit Nach­druck darauf hinzuweisen, dass die Abkehr von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auch zu spezifischen Rohstoffeinsparungen führen wird: Wichtige Beispiele sind Blei für Starter­batterien oder Platingruppenmetalle für die Autoabgas-Katalysatoren.


3.3. Szenarien-Ergebnisse für Batterierohstoffe

Das Öko-Institut hat im Auftrag der Agora Ver­kehrswende speziell die Schlüsselrohstoffe der Antriebsbatterien analysiert. Die umfassenden Ergebnisse wurden im Herbst 2017 veröffent­licht [1]. Zunächst wurden dafür globale Sze­narien auf Basis von Vorausschätzungen der IEA aufgestellt [4]. Eines der Szenarien ist ein 2-Grad-Ziel-Szenario (2DS), welches den An­stieg der globalen Temperatur bis zum Jahr 2100 begrenzt. Im Bereich Mobilität beinhaltet dieses Szenario neben einem stark wachsenden Anteil von Elektrofahrzeugen einen wachsen­den Anteil des öffentlichen Personenverkehrs im Vergleich zum Individualverkehr und eine verstärkte Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Das 4-Grad-Ziel-­Szenario (4DS) ist als konservativer Benchmark aufzufassen, da hier die internationalen Klima­schutzziele klar verfehlt werden. Dementspre­chend unterstellt das 4DS-Szenario im Vergleich zum 2DS-Szenario einen deutlichen, stärkeren Anstieg der globalen Pkw- und Lkw-Zahlen so­wie eine erheblich langsamere Elektrifizierung in allen Fahrzeugkategorien.

In Bild 1 sind ausgehend vom Startjahr 2015 die jährlichen Verkäufe und die Bestandent­wicklung für Pkw in der globalen Entwicklung nach dem 2-DS-Szenario dargestellt. Bei den Pkw-Verkäufen nehmen unterschiedliche Kate­gorien (teil-)elektrifizierter Fahrzeuge bereits 2030 einen sehr relevanten Anteil ein; 2050 werden Pkw mit reinem Verbrennungsantrieb nicht mehr verkauft.

Entsprechende Fahrzeugszenarien wurden neben Pkw für Lkw, Busse, 2-3-Räder (Motor­roller etc.) und Pedelecs aufgestellt. Sie dienen als Grundlage für die Bedarfsszenarien ausge­wählter Schlüsselrohstoffe wie Lithium oder Kobalt, die bezüglich der Rohstoffdebatte be­sonders im Fokus liegen.

Pkw Bestandsentwicklung 2050

Bild 1: Jährliche Verkäufe (links) und Bestand (rechts) von Pkw nach dem 2DS-Szenario (Millionen Fahrzeuge). (Quelle: Öko-Institut e.V.)

3.1 Lithium

In Bild 2 sind die Szenarien-Ergebnisse für Lithium (in Summe für alle Fahrzeugtypen) dargestellt. Der Gesamtbedarf für die Elektromobilität steigt im 2DS-Szenario (grüne Säulen) im Jahr 2030 auf rund 160.000 Tonnen und im Jahr 2050 auf einen Jahresbedarf von rund 500.000 Tonnen. Das 4DS-Szenario (blaue Säulen) zeigt erwartungs­gemäß einen deutlich schwächeren Anstieg.

Die Entwicklung des Lithiumbedarfs für die Elektromobilität nach dem 2-DS-Szenario bedeu­tet im Vergleich zur globalen Primärproduktion von Lithium im Jahr 2015 (gut 30.000 Tonnen) für 2030 gut eine Verfünffachung. Weiterhin ist in den Szenarien eine positive Entwicklung des Bei­trags von Recyclingmaterial abgebildet. Für 2030 wird bereits ein Beitrag von 10 % des Lithiumbe­darfs für Elektromobilität aus dem Recycling von Batterien gedeckt. Für 2050 – vorausgesetzt die Lithium-Ionen-Batterien bleiben am Markt domi­nierend – kann der Beitrag durch Sekundärlithium unter günstigen Annahmen bereits auf 40 % an­wachsen.

Dieser mögliche Beitrag des Recyclings (siehe hierzu Abschnitt 4) ist demnach von stra­tegischer Bedeutung zur Deckung des Lithium­bedarfs. Schließlich sind in der Grafik neben der Entwicklung des Lithiumbedarfs für die Elektro­mobilität die bekannten (Stand 2016) natürlichen Reserven (14 Millionen Tonnen) sowie Ressourcen (46,9 Millionen Tonnen) aufgeführt [5]. Physische Verknappung von Lithium aufgrund der natür­lichen Vorkommen ist demnach auf absehbare Zeit kein Thema – die Werte für die bekannten Lithiumreserven und -ressourcen wachsen zudem fortlaufend. Auf andere Herausforderungen wird in Abschnitt 5 näher eingegangen.

Lithiumbedarf 2050 OekoInstitut b

Bild 2: Globaler Lithiumbedarf in Lithium-Ionen-Batterien für Fahrzeuge 2015, 2030, 2050 in den Szenarien 2DS und 4DS und Sekundärmaterialpotenziale (in Tonnen). (Quelle: Öko-Institut e.V.)

3.2 Kobalt

In Bild 3 ist die entsprechende Bedarfsentwick­lung für Kobalt aufgeführt. Auch hier ist ausge­hend von 2015 über 2030 bis 2050 ein erhebliches Anwachsen des Kobaltbedarfs für die Elektro­mobilität zu erwarten. Wie bei Lithium ist auch für Kobalt das Recycling von Lithium-Ionen-­Batterien eine wichtige Strategie, um den Druck auf die natürlichen Vorkommen zu dämpfen (siehe schraffierte Anteile der Balken). Weiterhin ist ein erhebliches Engagement der Zellenher­steller hinsichtlich der Reduktion des ­spezifischen Kobalt­bedarfs je Batteriezelle evident. Gründe hierfür sind der (relativ) hohe Preis von Kobalt im Vergleich zu Nickel sowie die Tatsache, dass gut 50 % der globalen Kobaltproduktion auf die Demokratische Republik Kongo fallen.

In den ­Szenarien-Ergebnissen sind die Daten der Zellen für 2015 mit NMC 111 (stöchiometrisches Ver­hältnis Nickel, Kobalt und Mangan) angesetzt, für 2030/2050 mit NMC 622, das heißt bereits reduziertem Kobaltgehalt. Ein wichtiger For­schungsstrang ist jedoch die Entwicklung von NMC 811-Zellen. Wird hier ein Durchbruch erzielt, würde sich der Kobaltbedarf je Zelle halbieren und die Bedarfsbalken nach dem 2DS-Szenario (­unten) ebenfalls. Bezüglich Kobalt darf man in den nächsten Jahren also durchaus auf Innovatio­nen bei den Batteriezellen gespannt sein.

Kobaltbedarf 2050 Oeko Institut

Bild 3: Globaler Kobaltbedarf in Lithium-Ionen-Batterien für Fahrzeuge 2015, 2030, 2050 in den Szenarien 2DS und 4DS und Sekundärmaterialpotenziale (in Tonnen). (Quelle: Öko-Institut e.V.)


4.4. Die Rolle des Recyclings

Wie bereits bei den Szenarien-Ergebnissen zu Lithium und Kobalt hervorgehoben, kommt dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien eine hohe strategische Bedeutung zu. Bislang fokussierte sich das Recycling von Lithium-­Ionen-Batterien – neben dem Recycling von Komponenten wie Aluminiumgehäuse, Kup­ferkabel und Batterie-Management-System in bestehenden Anlagen – auf Kobalt, Nickel, Kupfer und gegebenenfalls Aluminium aus den Batteriezellen. Hierfür sind mehrere Verfahren in der Entwicklung [6] und in Europa (z.B. bei den ­Unternehmen Umicore und Accurec), Asien usw. auch erste Anlagen am Markt. Ökobilan­zen des Öko-Instituts zu unterschiedlichen Re­cyclingverfahren für Lithium-Ionen-Batterien zeigten durchweg positive Ergebnisse [6].

Das Recycling von Lithiumverbindungen aus den Batteriezellen rechnete sich bis vor Kurzem für die Recyclingunternehmen nicht. ­Relativ geringe Lithiumpreise und (noch) geringere End-Of-­Life-Mengenströme von Lithium-Ionen-­Batterien machten diesen Weg wirtschaftlich nicht ­attraktiv. Im Jahr 2017 kamen durch deut­lich ­steigende Preise für Lithiumverbindungen und den stark wachsenden Elektromobilitäts­bereich entscheidende Impulse für ein Lithium­recycling. So verkündete Umicore, dass seit 2017 aus dem ­Nebenprodukt Schlacke, welche beim Betrieb der pyrometallurgischen ­Recyclinganlage für Batterien in Hoboken/Belgien anfällt, nun auch ­Lithium – nach bisher schon Kobalt, Nickel und Kupfer – zurückgewonnen wird [7].

Für einen optimierten Recyclingkreislauf von Lithium-Ionen-Batterien sind jedoch nicht nur optimierte Technologien und Anlagen notwen­dig. Wichtig und unverzichtbar sind optimier­te Erfassungs-, Sammel- und Vorbehandlungs­systeme, beispielsweise auch für die Millionen Pedelec-Batterien, die in den nächsten Jahren in der EU in die End-of-Life-Phase kommen. Die aktuell gültige EU-Batterie-Direktive ist nicht zu­letzt aufgrund der stürmischen Entwicklungen der Elektromobilität in einer Reihe von Punkten veraltet bzw. ergänzungsbedürftig. Das Öko-­Institut arbeitet aktuell für die EU-Kommission an einem Evaluierungsreport zur derzeit gültigen Richtlinie. Dies ist die erste Stufe für eine Revision der Richtlinie, die so schnell wie möglich kommen muss. Notwendig sind ambitionierte Ziele für das Sammeln, die Zweitnutzung und das Recy­celn gebrauchter Antriebsbatterien sowie spezi­fische Ziele für die Rückgewinnung strategischer Schlüssel­rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel. ­Weiterhin müssen Fragen der Verantwortung, der Kostenübernahme und die Minimierung von Sicherheitsrisiken umfassend geregelt werden [8].


5.5. Herausforderungen

Wie bereits ausgeführt, sind physische Verknap­pungen von Schlüsselrohstoffen der Elektro­mobilität auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Allerdings bestehen grundsätzlich andere Heraus­forderungen wie temporäre Verknappungen, Preisanstiege bzw. -schwankungen von Roh­stoffen sowie negative soziale und ökologische Auswirkungen des Rohstoffabbaus.

Temporäre Verknappungen sind vorüber­gehende Verknappungen, die einige Wochen, ­Monate oder in extremen Fällen einige Jahre an­halten können. Den entsprechenden Anwendern – hier Batteriezellenherstellern und ihren Kunden – stehen die Rohstoffe dann nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Temporäre Verknappungen können vielfältige Ursachen haben: ­monopolartige Förderstrukturen bei den Förderländern und / oder Minenunternehmen, Beeinträchtigungen von Minenstandorten durch ­Naturereignisse, Ener­gieverknappungen usw. Generell kann es zu tempo­rären Verknappungen kommen, wenn das ­Nachfragewachstum so hoch ist, dass die Ange­botsseite (Minenproduktion und Rohstoffverarbei­tung) hier eine gewisse Zeit nicht Schritt hält. Bei den Schlüsselrohstoffen der Elektromobilität ist die Frage der temporären Verknappung bei Kobalt deutlich dringender als bei Lithium, ­Nickel oder Grafit. Dies liegt unter anderem daran, dass gut die Hälfte der aktuellen Kobaltförderung und auch der bekannten, natürlichen Reserven auf die Demokra­tische Republik Kongo entfallen.

Preissteigerungen bei Rohstoffen sind eine weitere Herausforderung. Die Preise für Kobalt und Lithiumcarbonat haben sich in den letzten 1,5 Jahren mindestens verdoppelt gegenüber den fünf Jahren zuvor. Ein eindeutiges Indiz, dass die Marktakteure nicht zuletzt einen starken Ausbau der Elektromobilität erwarten. Andererseits sind die Kosten der fertigen Batterien von vielen Fak­toren abhängig: Verbesserte ­Produktionsprozesse und Energiedichten lassen die Batteriepreise je kWh ständig sinken. Da Kobalt unter den Roh­stoffen der Batteriezellen das deutlich höchste Preisniveau aufweist, arbeiten die Hersteller der Kathodenmaterialien und Batteriezellen bereits an kobaltärmeren Batteriezellen (im Wesent­lichen höherer Nickelgehalt und dafür ­niedrigerer ­Kobaltgehalt). Durch kontinuierliche Innova­tionen bei den Batteriezellen kann somit auch steigenden Rohstoffpreisen begegnet werden.

Lithium (genauer Lithiumverbindungen wie Lithiumcarbonat) wird entweder aus geeigne­ten Salzseen (z.B. in Chile, Argentinien) oder im Festgesteinsbergbau (z.B. in Australien) gewon­nen. Bei der Gewinnung aus Salzseen stehen vor allem Fragen des Wasserhaushalts in den übli­cherweise ariden Gebieten im Mittelpunkt. Bei der bergmännischen Gewinnung aus Erzen sind hohe Energie- und Chemikalieneinsätze sowie der Anfall von entsprechenden Abfällen eine ökologische Herausforderung. Kobalt wird der­zeit überwiegend im industriellen Maßstab als Nebenprodukt des Kupfer- oder Nickelbergbaus gewonnen. Der Kobaltabbau ist in erster Linie aufgrund der angespannten politischen Situa­tion in der Demokratischen Republik Kongo aus sozioökonomischer Sicht kritisch zu betrachten. Weiterhin trug in der Demokratischen Republik Kongo in den Jahren 2015 und 2016 der Klein­bergbau über die Förderung von Kobalterzen 15 – 20 % zur Gesamtproduktion des Landes bei [9]. Den ökologischen und sozialen Herausfor­derungen bei der Gewinnung von Lithium und Kobalt muss mit klaren Standards für die Gewin­nung und Weiterverarbeitung begegnet werden.

Im nächsten Abschnitt werden zentrale Schlussfolgerungen und Empfehlungen zusam­mengefasst, die mögliche Herausforderungen im Kontext der Schlüsselrohstoffe der Elektro­mobilität wie Lithium, Kobalt usw. adressieren.

6.6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Das Öko-Institut hält sieben Handlungsempfeh­lungen für essenziell für eine Strategie zur nach­haltigen Rohstoffversorgung der Elektromobilität (siehe ausführlich unter [1]). Die erste Empfeh­lung umfasst ein kontinuierliches Monitoring der Entwicklung der Angebots- und Nachfrageseite. Die zweite, dritte und vierte Empfehlung zielen auf eine Dämpfung der Nachfrage nach Batterie­materialien und die Empfehlungen fünf, sechs und sieben auf die Verbesserung von Umwelt- und ­Sozialbedingungen bei der Rohstoffförderung.

1.Rohstoffradar Elektromobilität

Regelmäßiges Monitoring der Annahmen zur weltweiten Entwicklung der Elektromobilität, der Auswirkungen auf den Rohstoffbedarf und der Umsetzung der beschriebenen Handlungsempfehlungen

2.Forschungsoffensive Batterietechnologien

Forcierung der F&E-Anstrengungen zu Materialeffizienz, Substitution und Recycling

3.Weiterentwicklung EU-Batterierichtlinie

Schnellstmögliche Anpassung der Europäi­schen Batterierichtlinie an die Entwicklungen der Elektromobilität mit klaren Zielvorgaben und Definition von Verantwortlichkeiten

4.Weltweites Recyclingsystem für Lithium-Ionen-Batterien

Zusammenarbeit der EU mit multilateralen Institutionen und Verbänden/Unternehmen der Automobil- und Recyclingindustrie für hohe Recyclingstandards von Lithium-Ionen-Batterien weltweit

5.Globale Industrieallianz für nachhaltiges Lithium

Entschlossenes und gemeinsames Engagement von Schlüsselakteuren aus der Industrie wie Automobilhersteller, Batteriehersteller, Bergbauunternehmen für praktikable Nachhaltigkeitsstandards für die Primärlithiumgewinnung

6.Verpflichtende unternehmerische Sorg­faltspflichten (Due Dilligence) für Kobalt

Einführung einer verpflichtenden Implementierung der Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette bei Kobalt mit der Europäischen Kommission als Hauptakteur (kurz- bis mittelfristiger Zeitraum)

7.Internationale Kooperation nachhaltiger Bergbau

Ergänzung der nächsten Indikativ-Programme der EU, um Projekte im Bereich des Wissenstransfers und der internationalen Kooperation zum nachhaltigen Bergbau zu fördern

Zusammenfassend kann festgestellt ­werden, dass hinsichtlich der Rohstoffversorgung für die Elektromobilität durchaus relevante ­Herausforderungen bestehen. Gleichzeitig ist jedoch Raum für viele Handlungsmöglichkeiten und wichtige Initiativen, um eine nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität auch langfristig sicherzustellen.

Literatur

[1]Buchert, M, Dolega, P. & Degreif, S. (2017): Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektro­mobilität – Synthesepapier zum Rohstoffbedarf für Batterien und Brennstoffzellen, Öko-Institut e.V. im Auftrag der Agora Verkehrswende (Hrsg.), Berlin.

[2]Thielmann, A. et al. (2017): Energiespeicher-Roadmap (UPDATE 2017) – Hochenergiebatterien 2030+ und Perspektiven zukünftiger Batterietechnologien. Fraun­hofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, mit Förderung durch das BMBF.

[3]Schüler, D. et al. (2016): Elektrofahrzeugrecycling 2020 – Schlüsselkomponente Leistungselektronik, Öko-Insti­tut e.V. in Zusammenarbeit mit Volkswagen, Electrocyc­ling, PPM Pure Metals und TU Clausthal, mit Förderung durch das BMUB, Berlin.

[4]International Energy Agency (2016): Energy Technology Perspectives.

[5]U.S. Department of the Interior (2017): U.S. Geological Survey. Mineral Commodity Summaries 2017. https://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/mcs/2017/mcs2017.pdf

[6]Buchert, M.; Sutter, J. (2016): Ökobilanzen zu den Recyclingverfahren LithoRec II und EcoBatRec für Lithium-Ionen-Batterien – LCA-Li-Bat-Recycling, mit Förderung durch das BMUB, Berlin.

[7]Hagelüken, C.: Recycling of Li-ion batteries – imperative for sustainable e-mobility, aabc europe Mainz, 29.1.-1.2. 2018.

[8]Quoten für Elektromobilität und Regeln für Batterie­­recycling: Ist China der EU einen Schritt voraus? Presse­mitteilung des Öko-Instituts vom 10.04.2018, https://www.oeko.de/presse/archiv-pressemeldungen/2018/quoten-fuer-elektromobilitaet-und-regeln-fuer-­batterierecycling-ist-china-der-eu-einen-schritt-voraus/

[9]Al Barazi et al. (2017): Al Barazi, Kobalt aus der DR Kongo – Potenziale, Risiken und Bedeutung für den Kobaltmarkt; in: Commodity Top News 53 5/2017. BGR, DERA (Hrsg.).

  • Portrtfoto Matthias Buchert B

    Autor

    Dr.-Ing. Matthias Buchert

    Leiter des Bereichs Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V.

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