Der Rohstoffbedarf der Elektromobilität

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5.5. Herausforderungen

Wie bereits ausgeführt, sind physische Verknap­pungen von Schlüsselrohstoffen der Elektro­mobilität auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Allerdings bestehen grundsätzlich andere Heraus­forderungen wie temporäre Verknappungen, Preisanstiege bzw. -schwankungen von Roh­stoffen sowie negative soziale und ökologische Auswirkungen des Rohstoffabbaus.

Temporäre Verknappungen sind vorüber­gehende Verknappungen, die einige Wochen, ­Monate oder in extremen Fällen einige Jahre an­halten können. Den entsprechenden Anwendern – hier Batteriezellenherstellern und ihren Kunden – stehen die Rohstoffe dann nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Temporäre Verknappungen können vielfältige Ursachen haben: ­monopolartige Förderstrukturen bei den Förderländern und / oder Minenunternehmen, Beeinträchtigungen von Minenstandorten durch ­Naturereignisse, Ener­gieverknappungen usw. Generell kann es zu tempo­rären Verknappungen kommen, wenn das ­Nachfragewachstum so hoch ist, dass die Ange­botsseite (Minenproduktion und Rohstoffverarbei­tung) hier eine gewisse Zeit nicht Schritt hält. Bei den Schlüsselrohstoffen der Elektromobilität ist die Frage der temporären Verknappung bei Kobalt deutlich dringender als bei Lithium, ­Nickel oder Grafit. Dies liegt unter anderem daran, dass gut die Hälfte der aktuellen Kobaltförderung und auch der bekannten, natürlichen Reserven auf die Demokra­tische Republik Kongo entfallen.

Preissteigerungen bei Rohstoffen sind eine weitere Herausforderung. Die Preise für Kobalt und Lithiumcarbonat haben sich in den letzten 1,5 Jahren mindestens verdoppelt gegenüber den fünf Jahren zuvor. Ein eindeutiges Indiz, dass die Marktakteure nicht zuletzt einen starken Ausbau der Elektromobilität erwarten. Andererseits sind die Kosten der fertigen Batterien von vielen Fak­toren abhängig: Verbesserte ­Produktionsprozesse und Energiedichten lassen die Batteriepreise je kWh ständig sinken. Da Kobalt unter den Roh­stoffen der Batteriezellen das deutlich höchste Preisniveau aufweist, arbeiten die Hersteller der Kathodenmaterialien und Batteriezellen bereits an kobaltärmeren Batteriezellen (im Wesent­lichen höherer Nickelgehalt und dafür ­niedrigerer ­Kobaltgehalt). Durch kontinuierliche Innova­tionen bei den Batteriezellen kann somit auch steigenden Rohstoffpreisen begegnet werden.

Lithium (genauer Lithiumverbindungen wie Lithiumcarbonat) wird entweder aus geeigne­ten Salzseen (z.B. in Chile, Argentinien) oder im Festgesteinsbergbau (z.B. in Australien) gewon­nen. Bei der Gewinnung aus Salzseen stehen vor allem Fragen des Wasserhaushalts in den übli­cherweise ariden Gebieten im Mittelpunkt. Bei der bergmännischen Gewinnung aus Erzen sind hohe Energie- und Chemikalieneinsätze sowie der Anfall von entsprechenden Abfällen eine ökologische Herausforderung. Kobalt wird der­zeit überwiegend im industriellen Maßstab als Nebenprodukt des Kupfer- oder Nickelbergbaus gewonnen. Der Kobaltabbau ist in erster Linie aufgrund der angespannten politischen Situa­tion in der Demokratischen Republik Kongo aus sozioökonomischer Sicht kritisch zu betrachten. Weiterhin trug in der Demokratischen Republik Kongo in den Jahren 2015 und 2016 der Klein­bergbau über die Förderung von Kobalterzen 15 – 20 % zur Gesamtproduktion des Landes bei [9]. Den ökologischen und sozialen Herausfor­derungen bei der Gewinnung von Lithium und Kobalt muss mit klaren Standards für die Gewin­nung und Weiterverarbeitung begegnet werden.

Im nächsten Abschnitt werden zentrale Schlussfolgerungen und Empfehlungen zusam­mengefasst, die mögliche Herausforderungen im Kontext der Schlüsselrohstoffe der Elektro­mobilität wie Lithium, Kobalt usw. adressieren.

6.6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Das Öko-Institut hält sieben Handlungsempfeh­lungen für essenziell für eine Strategie zur nach­haltigen Rohstoffversorgung der Elektromobilität (siehe ausführlich unter [1]). Die erste Empfeh­lung umfasst ein kontinuierliches Monitoring der Entwicklung der Angebots- und Nachfrageseite. Die zweite, dritte und vierte Empfehlung zielen auf eine Dämpfung der Nachfrage nach Batterie­materialien und die Empfehlungen fünf, sechs und sieben auf die Verbesserung von Umwelt- und ­Sozialbedingungen bei der Rohstoffförderung.

1.Rohstoffradar Elektromobilität

Regelmäßiges Monitoring der Annahmen zur weltweiten Entwicklung der Elektromobilität, der Auswirkungen auf den Rohstoffbedarf und der Umsetzung der beschriebenen Handlungsempfehlungen

2.Forschungsoffensive Batterietechnologien

Forcierung der F&E-Anstrengungen zu Materialeffizienz, Substitution und Recycling

3.Weiterentwicklung EU-Batterierichtlinie

Schnellstmögliche Anpassung der Europäi­schen Batterierichtlinie an die Entwicklungen der Elektromobilität mit klaren Zielvorgaben und Definition von Verantwortlichkeiten

4.Weltweites Recyclingsystem für Lithium-Ionen-Batterien

Zusammenarbeit der EU mit multilateralen Institutionen und Verbänden/Unternehmen der Automobil- und Recyclingindustrie für hohe Recyclingstandards von Lithium-Ionen-Batterien weltweit

5.Globale Industrieallianz für nachhaltiges Lithium

Entschlossenes und gemeinsames Engagement von Schlüsselakteuren aus der Industrie wie Automobilhersteller, Batteriehersteller, Bergbauunternehmen für praktikable Nachhaltigkeitsstandards für die Primärlithiumgewinnung

6.Verpflichtende unternehmerische Sorg­faltspflichten (Due Dilligence) für Kobalt

Einführung einer verpflichtenden Implementierung der Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette bei Kobalt mit der Europäischen Kommission als Hauptakteur (kurz- bis mittelfristiger Zeitraum)

7.Internationale Kooperation nachhaltiger Bergbau

Ergänzung der nächsten Indikativ-Programme der EU, um Projekte im Bereich des Wissenstransfers und der internationalen Kooperation zum nachhaltigen Bergbau zu fördern

Zusammenfassend kann festgestellt ­werden, dass hinsichtlich der Rohstoffversorgung für die Elektromobilität durchaus relevante ­Herausforderungen bestehen. Gleichzeitig ist jedoch Raum für viele Handlungsmöglichkeiten und wichtige Initiativen, um eine nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität auch langfristig sicherzustellen.

Literatur

[1]Buchert, M, Dolega, P. & Degreif, S. (2017): Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektro­mobilität – Synthesepapier zum Rohstoffbedarf für Batterien und Brennstoffzellen, Öko-Institut e.V. im Auftrag der Agora Verkehrswende (Hrsg.), Berlin.

[2]Thielmann, A. et al. (2017): Energiespeicher-Roadmap (UPDATE 2017) – Hochenergiebatterien 2030+ und Perspektiven zukünftiger Batterietechnologien. Fraun­hofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, mit Förderung durch das BMBF.

[3]Schüler, D. et al. (2016): Elektrofahrzeugrecycling 2020 – Schlüsselkomponente Leistungselektronik, Öko-Insti­tut e.V. in Zusammenarbeit mit Volkswagen, Electrocyc­ling, PPM Pure Metals und TU Clausthal, mit Förderung durch das BMUB, Berlin.

[4]International Energy Agency (2016): Energy Technology Perspectives.

[5]U.S. Department of the Interior (2017): U.S. Geological Survey. Mineral Commodity Summaries 2017. https://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/mcs/2017/mcs2017.pdf

[6]Buchert, M.; Sutter, J. (2016): Ökobilanzen zu den Recyclingverfahren LithoRec II und EcoBatRec für Lithium-Ionen-Batterien – LCA-Li-Bat-Recycling, mit Förderung durch das BMUB, Berlin.

[7]Hagelüken, C.: Recycling of Li-ion batteries – imperative for sustainable e-mobility, aabc europe Mainz, 29.1.-1.2. 2018.

[8]Quoten für Elektromobilität und Regeln für Batterie­­recycling: Ist China der EU einen Schritt voraus? Presse­mitteilung des Öko-Instituts vom 10.04.2018, https://www.oeko.de/presse/archiv-pressemeldungen/2018/quoten-fuer-elektromobilitaet-und-regeln-fuer-­batterierecycling-ist-china-der-eu-einen-schritt-voraus/

[9]Al Barazi et al. (2017): Al Barazi, Kobalt aus der DR Kongo – Potenziale, Risiken und Bedeutung für den Kobaltmarkt; in: Commodity Top News 53 5/2017. BGR, DERA (Hrsg.).

  • Portrtfoto Matthias Buchert B

    Autor

    Dr.-Ing. Matthias Buchert

    Leiter des Bereichs Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V.

  • Rohstoffbedarf Elektromobilitt Cover

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