Das 2013 gegründete Münchner Unternehmen FAZUA hat mit seinem Evation-Antrieb einen Nischenmarkt salonfähig gemacht: Rennräder mit Motorunterstützung. Warum diese Kombination kein Widerspruch ist und im Downsizing-Prinzip der Schlüssel zum Erfolg liegt, hat Marketing-Chef Felix Kuffner im Interview verraten.
Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal Ausgabe 04/2018 erschienen.
Herr Kuffner, wie kam es zur Gründung von FAZUA und zur Entwicklung des Evation-Antriebs?
Felix Kuffner: Die Gründung von FAZUA hatte ihren Ursprung in der Masterarbeit des Gründers und heutigen Geschäftsführers Johannes Biechele, bei der es darum ging, die Effizienz von E-Bike-Motoren zu steigern. Da Johannes Biechele selbst leidenschaftlicher Mountainbiker und Radfahrer ist, hat er zur selben Zeit immer mehr den Widerspruch zu dem, wie Fahrradfahren eigentlich sein sollte, wahrgenommen: Die Entwicklung von E-Bikes ging immer mehr in Richtung Leistungssteigerung und entfernte sich immer weiter vom Fahrspaß. Aus diesem Grund wollte er einen E-Bike-Antrieb entwickeln, der wieder den Spaß am Radfahren bringt.
Dabei ging es Johannes Biechele im Prinzip bei allen Aspekten um das „Downsizing“: Das Rad sollte wieder leichter werden, der Antrieb durfte nicht sichtbar sein, die Gewichtsverteilung musste so zentral wie möglich sein, damit sich das Rad auch mit Motorunterstützung genauso „anfühlt“ wie eines ohne Antrieb. Und, der wichtigste Aspekt von allen, der den heutigen Evation-Antrieb ausmacht: Der Motor wird bei einer Geschwindigkeit von über 25 km/h komplett vom Tretlagergetriebe entkoppelt. Das sorgt dafür, dass der Fahrer ab diesem Punkt wieder mit eigener Muskelkraft fährt, aber ohne jeglichen Widerstand vom Motor. Das typische Bremsgefühl, was viele E-Bike-Fahrer stört, fällt damit weg.
Für welche Situationen ist der Evation-Antrieb damit konzipiert?
Unser Antrieb unterstützt nur, wenn man anfährt, Gegenwind hat oder es steil bergauf geht – also in Situationen, in denen man typischerweise langsamer als 25 km/h fährt. Wenn man Rennrad fährt, ist man normalerweise deutlich schneller als 25 km/h unterwegs. Eine Unterstützung wünscht man sich dann beispielsweise nur, wenn es bergauf geht. Das ist auch meistens der Moment, wo sich Fahrradgruppen auseinanderziehen, weil es innerhalb der Gruppe unterschiedliche Leistungsniveaus gibt. Der Schwächere wird dann dank der Motorunterstützung nicht abgehängt. Auf der Ebene, wenn sich die Geschwindigkeiten wieder angleichen, kann man wieder auf den Antrieb verzichten.
Stichwort Rennrad: Widerspricht sich das Konzept Rennrad, wo überspitzt gesagt jedes Gramm zählt, und Motorunterstützung – also zusätzliches Gewicht – nicht?
Diese Frage bekommen wir gerade auch von Rennradfahrern recht häufig gestellt. Man muss differenzieren: Da gibt es natürlich die eine Gruppe, die alles aus reiner Muskelkraft schaffen will. Unsere Zielgruppe ist aber eine andere: In Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich sind unsere Antriebe sehr beliebt. Warum? Dort sind viele große Rennradgruppen unterwegs – teilweise bis zu 20 Fahrer, die nicht nur die Leidenschaft für den Radsport teilen, sondern auch oftmals darüber hinaus miteinander befreundet sind. Wenn man dann gemeinsam auf der Straße unterwegs ist, will man diese Gruppendynamik nicht von der sportlichen Leistung abhängig machen.
Gerade wenn es innerhalb dieser Gruppe Teilnehmer gibt, die gesundheitliche Einschränkungen haben oder sich aus anderen Gründen nicht so sehr verausgaben können wie der Rest, ist es wichtig, dass der Gruppencharakter gewahrt bleibt. Man möchte zusammen fahren, die Landschaft genießen und Zeit miteinander verbringen. Genau für diese Leute ist eine solche Lösung das Richtige – Unterstützung da wo sie nötig ist, aber trotzdem noch genug sportliche Herausforderung. Die komplette Antriebseinheit mit Batterie, Motor und Tretlagergetriebe wiegt 4,6 Kilogramm. Beim Bergauffahren merkt man das Gewicht nicht, und beim Bergabfahren ist es sogar so, dass der tiefere Schwerpunkt direkt über dem Tretlagergetriebe ein sichereres Fahrverhalten ermöglicht.
Mit den Rennradprofis der italienischen Traditionsmarke Pinarello, die unter anderem im Mai dieses Jahres sehr erfolgreich beim Giro d ´Italia gefahren sind – nach der Tour de France das weltweit wichtigste Etappenrennen – haben wir gemeinsam ein Rennrad mit dem Evation-Antrieb entwickelt. Sie sind damit gefahren und waren einstimmig der Meinung, dass man damit ohne Probleme 70 – 80 km/h beim Bergabfahren erreichen kann und man sich dabei so sicher vorkommt, als sei man auf Schienen unterwegs. Daher lautet unser Fazit: Sportler fühlen sich durch das zusätzliche Gewicht nicht beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil: Der Evation vermittelt ein völlig natürliches Fahrverhalten.
Wie sieht der typische Nutzer des Evation aus? Fühlen sich auch Profi-Radsportler angesprochen?
Für einen absolut fitten und gesunden Sportler, der alles mit reiner Muskelkraft schaffen will und tendenziell eher als Einzelkämpfer unterwegs ist, dürfte unser Antrieb nicht übermäßig interessant sein. Wir positionieren uns daher eher bei Radfahrern, bei denen die soziale Interaktion und die gemeinschaftliche sportliche Erfahrung im Vordergrund stehen. Aber auch diejenigen, bei denen das körperliche Leistungsniveau zwar durchaus hoch ist, aber die von ihrem immer gleichen Trainingsradius gelangweilt sind, finden den Evation-Antrieb zunehmend interessant und scheuen sich dann auch nicht, als „gestandener“ Sportler ein E-Bike zu fahren. In Zahlen ausgedrückt: Eine Trainingseinheit selbst ohne Motorunterstützung kann schon mal um die 200 Kilometer am Tag betragen. Mit einem Range Extender ist dann eine höhere Reichweite möglich: statt der üblichen 180 Kilometer beispielsweise auf einmal 300 Kilometer. Das eröffnet dem Fahrer dann völlig neue Routenmöglichkeiten.
Versuche, Elektrorennräder auf den Markt zu bringen, sind übrigens nicht neu, aber die sind immer wieder gescheitert. Tatsächlich hat der Fahrradhersteller Cube im August 2017 das allererste serienreife Elektrorennrad (Anm. d. Redaktion: Cube Agree Hybrid C:62) mit unserem Antrieb vorgestellt. Kurz darauf kamen dann auch andere Firmen wie Fantic aus Italien oder die schon erwähnte Firma Pinarello. Erst seitdem haben sich auch Rennräder mit Elektroantrieb am Markt etabliert. Das ist also eine sehr junge Sparte. Auf dem Markt gibt es aktuell vielleicht zehn unterschiedliche Rennräder mit Motorunterstützung. In acht davon ist unser Antrieb verbaut, und im Laufe dieses Jahres kommen noch weitere dazu. Darauf sind wir natürlich stolz, aber wir wollen uns nicht auf die Rennradsparte beschränken, sondern uns auch weiterhin bei Mountainbikes und anderen sportlichen Rädern positionieren. Auch vollgefederte Fahrräder und City-Bikes wird es mit unserem Antrieb geben. Wir wollen auch die Pendler und Menschen, die im Alltag mit dem Rad unterwegs sind, abholen.
Wie hoch ist die maximale Reichweite des Antriebs? Auf Ihrer Website findet man dazu nichts.
(lacht): Das haben wir mit Absicht nicht angegeben, weil das schnell für Verwirrung sorgt. Verständlicherweise ist die Reichweite eine wichtige Kennzahl bei Elektromotoren. Als Käufer investiert man ja relativ viel Geld, da will man natürlich vergleichen. „Für 100 Euro mehr bekomme ich 100 Wh Stunden mehr“ ist da eine typische Rechnung. Die geht bei unserem Konzept aber nicht ganz auf, weil wir das geringere Gewicht und die schon angesprochene Entkopplungsfunktion des Motors haben. Wenn man mit dem Evation schneller als 25 km/h fährt, verbraucht das System keinen Strom. Wenn man jetzt theoretisch eintausend Kilometer weit über 25 km/h fährt, ist die Reichweite dann natürlich eintausend Kilometer. Wir haben die Reichweite aber von dem externen Prüflabor ExtraEnergy in Thüringen testen lassen.
Das Ergebnis: Auf ebener Strecke bringt es der Eevation-Antrieb mit maximaler Unterstützungsstufe bei 24 km/h auf rund 65 Kilometer Reichweite. Oder anders ausgedrückt: Mit dem Rennrad schaffe ich 1.300 Höhenmeter und mit dem Mountainbike 750 Höhenmeter. In der Realität fallen diese Werte höher aus, weil man mit einem sportlichen Bike wohl kaum dauerhaft unter 25 km/h fährt. Deswegen versuchen wir, solche tabellarischen Vergleiche zu vermeiden, weil der Verbraucher die genannten Hintergründe zum Antrieb nicht kennt und wir dann im direkten Vergleich mit anderen Herstellern natürlich nicht besonders gut dastehen. Unsere Akkukapazität beträgt übrigens 250 Watt nominelle Leistung und 400 Watt Leistung in der Spitze. Da kommen 60 Newtonmeter an der Kurbel zusammen, das ist schon ganz ordentlich für den kleinen Motor.
Welche Hürden – falls es diese überhaupt gab – musste Ihr Team bei der Antriebsentwicklung überwinden?
Herausforderungen gab es ganz sicher, deswegen hat die Entwicklung auch ganze fünf Jahre in Anspruch genommen. Die Geräusch-und Temperaturentwicklung im Verbindungsstück zwischen dem Tretlagergetriebe und dem Drivepack war lange ein Thema. Es gibt ein männliches und weibliches Verbindungsstück, die am Anfang beide aus Aluminium bestanden. Das hat an dieser Stelle zu hohen Temperaturentwicklungen geführt. Ein zweites Resultat daraus war ein recht hoher Geräuschpegel, weil Schmutz zwischen diese beiden Verbindungselemente gelangen konnte. Unsere Entwickler haben es dann so gelöst, dass das männliche Gegenstück weiterhin aus Aluminium besteht, während das weibliche Gegenstück aus Kunststoff gefertigt wird. In der Automotive-Branche wird das auch so gehandhabt. Die Kombination ist jetzt sehr geräuscharm und muss nicht gefettet werden, weil es zu keiner Abnutzung kommt, und es bleibt auch kein Dreck oder Staub mehr haften, der Probleme verursachen könnte.
Welche Faktoren gaben letztendlich den Ausschlag für das geringe Gewicht?
Die Antwort liegt in dem schon am Anfang erwähnten Downsizing: Überall da, wo es möglich ist, haben wir Gewicht eingespart. So viel Kapazität wie nötig ist, um eine ordentliche Tagestour zu fahren, war das Minimum. Im Ergebnis waren das die 250 Wattstunden (Wh). Der Motor musste sich von der Form her auf jeden Fall in das Unterrohr eines Fahrrads anpassen. Zuletzt standen dann die 4,6 Kilogramm auf der Waage. Das ist weniger als halb so schwer wie herkömmliche Antriebe.
Ist ein fester Ladeport an der Außenseite des Akkus angedacht?
Wir stellen bereits eine Alternative zu der kompletten Entnahme des Drivepacks zur Verfügung, die in diese Richtung geht. Das Drivepack lässt eine Art Zwischenschritt zu, sodass man es nicht komplett aus dem Rahmen nehmen muss – eine spezielle Verankerung sorgt für eine Art Schwebefunktion, sodass man es im Rahmen laden kann.
Welche Neuheiten stellen Sie auf der Eurobike 2018 vor?
Wir werden dieses Jahr bereits zum vierten Mal auf der Eurobike dabei sein. Auf unserem 80 Quadratmeter großen Stand werden wir acht Fahrräder mit unserem Antrieb präsentieren und unsere Blende vorstellen. Die Blende ist eine Art Minitasche, die genau dort eingehängt werden kann, wo das Drivepack normalerweise sitzt. Das Drivepack beinhaltet die Motoreinheit und die Batterie und wiegt insgesamt 3,3 Kilo. Wenn man darauf verzichten will, kann man in dem entstandenen Hohlraum beispielsweise eine Regenjacke oder Trinkflasche verstauen. Dafür ist dann die Blende gedacht. Verbrauchermessen wie die Eurobike sind generell sehr wichtig für uns. Das Feedback und die Verbesserungsvorschläge der Kunden sind extrem hilfreich. Auch wenn wir gerade stark wachsen – letztendlich sind wir immer noch ein recht junges Team. Bei Gelegenheiten wie der Eurobike nutzen übrigens auch unsere Entwickler die Chance zum direkten Kundenkontakt. Die positiven Rückmeldungen sind für uns alle sehr motivierend.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Kuffner. (aho)
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Interviewpartner
Felix Kuffner
Head of Marketing, Fazua GmbH
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