CO2-Emissionen reduzieren und E-Bike-Antriebe noch umweltfreundlicher herstellen: Die drei Jungforscher Sebastian Durchholz aus Frankfurt, Tony Oehm aus Lütau und Tom Hinzmann aus Haßfurt wollen die Ladeeffizienz von E-Bikes und deren Reichweite erhöhen. Dafür entwickeln sie Superkondensatoren, hergestellt aus biologischen Abfällen wie Tee, Kaffeesatz oder Apfelschalen.
Erste Testergebnisse zeigen: Die Leistung der Ökocaps ist mit der herkömmlicher Kondensatoren vergleichbar. Für einen „Jugend forscht“-Wettbewerb haben die drei Schüler einen funktionierenden Prototyp an einem E-Bike realisiert – nun bereiten sie gemeinsam mit dem Spezialchemie-Hersteller Kuraray, der sich als Sponsor einbringt, die Patentanmeldung vor. Im Gespräch mit der eMobilJournal-Redaktion verraten die drei Jungforscher sowie Dr. Robert Fuss, Leiter New Business Development bei Kuraray, mehr über die Entwicklung und die weiteren Schritte auf dem Weg zur Marktreife.
Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 04/2018 erschienen.
Sebastian Durchholz, Tom Hinzmann und Tony Oehm, Sie haben sich an einer Schülerakademie der Umweltorganisation WWF kennengelernt. Wie kam es zur Idee, Superkondensatoren aus biologischen Abfallprodukten zu entwickeln?
In der Akademie hatten wir die wunderbare Möglichkeit, an einer Thematik unserer Wahl im Bereich der Mobilität zu forschen. Hier wurde unser Verständnis für neue Antriebsformen und somit für die Elektromobilität geschärft. Wir wussten von den zahlreichen Vorteilen der Kondensatoren, hauptsächlich natürlich von der beeindruckenden Ladegeschwindigkeit – genau das, was wir für die Energierückgewinnung bei Bremsvorgängen benötigen. Wir beschäftigten uns also weiter mit dem Gedanken und starteten schließlich unser Jugend forscht-Projekt.
Zu den Nachteilen der Kondensatoren zählen vor allem die geringe Kapazität und die schlechte Umweltbilanz der Elektroden, da sie in kommerziellen Supercaps aus fossiler Aktivkohle bestehen. Für uns lag es nahe, Industrieabfälle als Elektrodenmaterial zu verwenden, um diesen Nachteil auszuräumen. Wenn man sich vorstellt, wie viele Lebensmittel wie beispielsweise Kaffeesatz jeden Tag unvermeidbar im Müll landen, dann versteht man schnell, wie groß das Potenzial für den Umweltschutz ist, wenn recycelte Bioabfälle als Pendant zu fossilen Rohstoffen genutzt werden können.
Wie sind die Rollen in Ihrem Forschungsteam verteilt und welche Erfahrungswerte bringt jeder einzelne von Ihnen mit ein?
Vielleicht liegt darin das Geheimnis unseres bisherigen Erfolges begründet. Tatsächlich gibt es in der Gruppe keine klare Aufgabenverteilung. Wenn mal jemand keine Zeit hat, sich einzubringen, übernehmen die beiden anderen wie selbstverständlich den übrigen Part. Apropos Selbstverständlichkeit: Als wir 2017 unsere Forschung begannen, kannten wir uns erst wenige Monate, gingen zur Schule und wohnten 880 Kilometer voneinander entfernt. Skype oder WhatsApp waren die einzige Möglichkeit, unser Projekt zu organisieren.
Bei genauerer Betrachtung lassen sich allerdings gewisse Tendenzen im Team erkennen. Sebastian bringt viele umweltpolitische Gedanken ein und Tom hat wichtige technologische Aspekte im Kopf, während Tony eher wirtschaftlich denkt. Unabhängig voneinander haben wir sehr ähnliche Wege eingeschlagen. Wir bringen allesamt ein großes Technikinteresse und vielfältige Erfahrungen aus sozialem und politischem Engagement mit: Wir waren beispielsweise alle als Schülersprecher für unsere Mitschüler im Einsatz.
Worin unterscheiden sich Superkondensatoren von herkömmlichen, in der Elektromobilität eingesetzten Akkumulatoren?
In den meisten elektrisch betriebenen Fahrzeugen sind bislang vor allem Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Grund dafür ist deren hohe Energiedichte – sie können also große Mengen Energie speichern. Deshalb bringen sie auch im Vergleich zu anderen Methoden die höchste Reichweite. Supercaps sind zunächst einmal anders aufgebaut. Während Lithium-Ionen-Akkus eine festgelegte Anode und Kathode aus unterschiedlichen Materialien haben, bestehen beide Elektroden des Kondensators aus Aktivkohle. Deren physikalische Polarität entscheidet sich erst beim Ladevorgang. Anstatt aus einer chemischen Reaktion resultiert die Spannung beim Superkondensator aus vorausgegangener Ladungstrennung – die positiv und negativ geladenen Teilchen lagern sich in einer Helmholtz-Doppelschicht jeweils an einer Elektrode an.
Im Einsatz haben Kondensatoren den bedeutenden Vorteil, deutlich zyklenfester zu sein. Man kennt es vom Handyakku – nach einiger Zeit lässt die Kapazität nach. Supercaps überstehen Millionen von Ladevorgängen ohne relevante Leistungseinbußen – das macht sie umso geeigneter für den Einsatz in der Elektromobilität. Genau diese Beobachtung konnten wir bei unseren Kondensatoren aus organischen Abfallprodukten ebenfalls machen.
Welches Potenzial haben darüber hinaus die von Ihnen mit Unterstützung des Batterieforschungszentrums der Universität Münster entwickelten „Ökocaps“?
Seit über 20 Jahren wird die kommerziell eingesetzte, fossile Aktivkohle weiterentwickelt und optimiert. Das macht unsere Ergebnisse umso erstaunlicher: Wir haben mit unserer Methode auf Anhieb vergleichbare Messwerte im Hinblick auf Kapazität und Zyklenfestigkeit erzielt. Und das bei einer deutlich besseren Umweltbilanz, weil wir Abfallprodukte wie Kaffeesatz verwenden, die sonst bestenfalls auf dem Komposthaufen landen würden. Dies ist ein nennenswerter Erfolg in Anbetracht der geringen Entwicklungszeit. Außerdem zeigt dies das große Potenzial, das im Recycling steckt: Wir werfen immer noch viel zu viele Ressourcen ungenutzt in den Müll. Auch die Kosten spielen eine wichtige Rolle: Abfall ist in großen Mengen und einfach verfügbar, Kohle muss erst abgebaut werden.
Tee, Kaffee, Äpfel: Welche recycelbaren Materialien können in Superkondensatoren eingesetzt werden und sind dabei am nachhaltigsten?
Unser Ziel ist es, die fossile Kohle als Grundrohstoff der Elektroden unserer Supercaps mit ökologisch nachhaltigen, organischen Materialien zu ersetzen. Ausschlaggebend ist dabei der Kohlenstoffanteil der Proben: Je höher er ist, desto höher ist auch die Kapazität der fertigen Kondensatoren. Besonders gut eignen sich Stoffe, die über 80 Prozent Kohlenstoff enthalten.Das ist bei Abfallprodukten häufig der Fall. Sie sind außerdem besonders nachhaltig, da sie in großen Mengen anfallen. Beispiele dafür sind etwa Kaffee- oder Teesatz, Biermaische, Gemüse- und Obstschalen sowie eine Vielzahl anderer Stoffe aus dem häuslichen Biomüll.
In unserer Forschung haben wir Kaffee- und Teesatz, sowie Kartoffel- und Apfelschalen auf ihre Eignung untersucht. Der Kaffee schneidet besonders gut ab, da er durch die Röstung einen sehr hohen Kohlenstoffanteil hat und außerdem sehr leicht verfügbar ist. Bei den zahlreichen Cafés fällt er tonnenweise an, denn allein in Deutschland konsumieren wir jeden Tag rund 32 Millionen Liter Kaffee.
Leider haben die Ökocaps auch einen Nachteil: die geringere Reichweite. Wie begegnen Sie diesem Problem?
Die geringe Reichweite ist, wie bei allen Superkondensatoren, eine Folge ihrer geringeren Energiedichte im Vergleich zu konventionellen Akkus. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Nachteil der Technologie. Die meisten Konsumenten überlegen sich wahrscheinlich genau deswegen zweimal, ob sie sich ein E-Bike oder Elektroauto kaufen.
Wir können dieses Problem nicht gänzlich vermeiden – wir fragen uns allerdings, ob die Industrie zu sehr in Schwarz und Weiß denkt, entweder Superkondensatoren oder Akkumulatoren. Mit unserem Forschungsprojekt konnten wir nachweisen, dass die Lösung in einem kombinierten System aus Superkondensatoren und Lithium-Ionen-Akkus liegt, das im Zusammenspiel die Nachteile gegenseitig ausgleicht und so ein neues, ungekanntes Effizienzlevel erreicht.
Für die Teilnahme am Landeswettbewerb von Jugend forscht haben Sie die Ökocaps in einem E-Bike getestet. Inwiefern eignen sie sich insbesondere für die Anwendung in E-Bikes und Pedelecs?
Uns war sehr wichtig, die Ergebnisse unserer Hochrechnungen mit einem Praxisbeispiel zu belegen und erlebbar zu machen. Wir wollten zeigen, dass unsere ökologischen Superkondensatoren für die Rückgewinnung der Bremsenergie besonders geeignet sind und außerdem effizienter arbeiten als herkömmliche Lösungen.
Es wurde schnell klar, dass das E-Bike einen perfekten Ausblick auf ein marktreifes Produkt geben könnte. Dank der überschaubaren elektronischen Steuerkomponenten lässt sich ein komplettes System realisieren, das die Vorteile der Ökocaps veranschaulicht. Kleinere Anwendungen wie E-Bikes haben bislang keine Möglichkeit, Bremsenergie zurück zu gewinnen, und ein komplettes Elektroauto wäre zu komplex für ein Jugend-forscht-Projekt und nicht realisierbar gewesen.
Die Ökocaps haben in Verbindung mit herkömmlicher Technologie großes Potenzial für die Verwendung in E-Bikes. Um es in Zahlen auszudrücken: Mehr als 90 Prozent der Bremsenergie können gespeichert werden. Je nach Anwendung verdreifacht sich damit der Wirkungsgrad des Batteriesystems.
Werden Ihre Ökocaps in Zukunft auch die Effizienz von Batterien in Elektroautos und anderen Elektrofahrzeugen erhöhen?
Die Chancen stehen sehr gut, dass Technologien wie unsere Ökocaps auch in größeren Anwendungen zum Einsatz kommen – das Wirkprinzip bleibt das Gleiche, ob es nun um ein E-Bike oder ein großes Elektroauto geht. Regierungen rund um den Globus subventionieren derzeit Elektrofahrzeuge, während deren Hersteller ständig nach Möglichkeiten suchen, die Reichweite und Effizienz ihrer Elektroautos zu steigern. Denn die Verbraucher sind natürlich stark an neuartigen, nachhaltigen und kostengünstigen Lösungen interessiert.
Wir freuen uns über jede Anfrage, die uns erreicht, über jede helfende Hand, die uns unterstützend zur Seite steht, über jede interessierte Person, die uns begeistert kontaktiert und sich nach unserem Projekt erkundigt. Gemeinsam mit unseren Partnern und Unterstützern von Kuraray arbeiten wir zurzeit an einem Zukunftskonzept für unsere Technologie. Man darf gespannt sein.
Herr Fuss, wie wurde Kuraray auf die drei Jungforscher aufmerksam und welches Potenzial sehen Sie in der Zusammenarbeit?
Dr. Robert Fuss: Kuraray betreibt am Standort Hattersheim bereits seit mehreren Jahren ein lokales Nachbarschaftsprogramm (Social responsibility for/within our local community). Dabei unterstützen wir die Freiherr-vom-Stein Schule in Frankfurt regelmäßig mit diversen Aktivitäten. Auf die drei Jungforscher wurden wir zufällig aufmerksam, weil der zuständige Fachlehrer uns darauf ansprach, ob wir die Schüler bei ihrem Jugend forscht-Programm unterstützen könnten. Das taten wir auch spontan, denn Kuraray setzt sich an allen seinen Standorten für die lokale technische und wissenschaftliche Bildung ein.
Das hier angesprochene Projekt sehen wir als Beleg dafür, welches Potenzial die Zusammenarbeit zwischen Schule und Industrie haben kann. Wir wollen diese Chancen mit verschiedensten Aktionen nutzen – von Betriebsbesichtigungen über Labortage und soziokulturellen Austausch (Japan – Deutschland) bis eben zur gezielten Förderung von Einzelaktionen wie dem Projekt unserer jungen Forscher.
Kuraray stellt neben vielen weiteren Produkten aus dem Bereich der Spezialchemie auch Aktivkohle her. Ist Ihr Produkt auch für das Projekt des Forschungsteams geeignet?
Mit unserer Expertise in diesem Bereich konnten wir die drei bei ihrem Projekt bestens unterstützen. Unsere Aktivkohle wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt – wenn auch nicht aus Kaffeesatz, wie bei den Jungforschern. Sie könnte daher gut in weitere Testreihen einbezogen werden. Es ist ein glücklicher Zufall, dass ein Kuraray-Produkt hier potenziell Anwendung finden könnte. Diesen Aspekt hatten wir bei der Entscheidung, die jungen Forscher zu fördern, nicht gesehen und deshalb auch nicht im Hinterkopf. Wir freuen uns aber natürlich trotzdem sehr darüber.
Wie setzt sich Kuraray darüber hinaus für nachhaltige Mobilität ein?
Zahlreiche unserer Produkte finden Anwendung im Bereich Automotive/Mobilität. So lassen sich mit Kuraray Liquid Rubber (K-LR) beispielsweise Haftung, Kraftstoffeffizienz und Abnutzungsbeständigkeit von Reifen gleichzeitig kontrollieren und optimieren. Unsere Trosifol und SentryGlas-Zwischenlagen reduzieren darüber hinaus das Gewicht von Autoscheiben und steigern außerdem den UV- und Lärmschutz in der Fahrerkabine.
Diese Produkte und ihre komplette Produktion unterliegen strengen Umwelt- und Qualitätsstandards. Kuraray legt dabei, wie bei allen unseren Produkten, großen Wert auf die Schonung von Ressourcen wie Wasser und Energie sowie auf umweltverträgliche Prozesse. All dies trägt in Summe zur Nachhaltigkeit auch im Bereich Mobilität bei.
Die Patentanmeldung für die Entwicklung der Ökocaps ist bereits in Vorbereitung. Wie unterstützen Sie das Forschungsteam weiterhin auf dem Weg zur Marktreife?
Wir unterstützen die jungen Forscher vor allem fachlich – unsere Fachabteilungen helfen etwa bei komplexen Themen wie dem Umgang mit dem Patentwesen und bei der Vorbereitung auf die Produktherstellung. Außerdem unterstützen wir sie darin, hilfreiche Industriekontakte herzustellen. Ein gutes Netzwerk ist wichtig, um Marktbedürfnisse erkennen zu können. Im Austausch mit anderen Fachleuten und potenziellen Nutzern lassen sich auch gut die Anforderungen an das noch zu entwickelnde Endprodukt formulieren. Bei all diesen Aktionen stehen wir mit Rat und Tat zur Seite, wenn die Jungforscher das möchten.
Werden Sie an der Eurobike 2018 in Friedrichshafen teilnehmen?
Die Eurobike ist eine globale Leitmesse für das Fahrradgeschäft und deshalb eine gute Plattform für die jungen Forscher, ihre Ergebnisse mit uns vorzustellen. Bisher stand eine Teilnahme für uns nicht auf der Tagesordnung, aber gerade denken wir tatsächlich darüber nach, uns dort einmal umzusehen.
Herzlichen Dank für das Gespräch. (sih)
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Interviewpartner
Sebastian Durchholz
Selbstständiger Unternehmer, IT-Berater und Servicedienstleister, Fachreferent
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Interviewpartner
Tom Hinzmann
Studium Computational Engineering, TU Darmstadt
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Interviewpartner
Tony Oehm
Studium International Management, Frankfurt School of Finance & Management
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Interviewpartner
Dr. Robert Fuss
Leiter New Business Development, Kuraray Europe GmbH
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