Die SAE J2954™ Task Force steht kurz davor, einen global einheitlichen Standard festzulegen, der die Kompatibilität zwischen Elektrofahrzeugen und kontaktlosen Ladestationen herstellerübergreifend gewährleistet – ein wichtiger Schritt für den Marktdurchbruch der Elektromobilität und die Stunde der Magnetic-Resonance-Technologie.

Dieser Beitrag ist zuerst in eMobilJournal 04/2018 erschienen

1. Einleitung

Eines ist klar: Damit Elektrofahrzeuge den Markt erobern können, ist ein globaler einheitlicher Standard für kontaktlose Ladesysteme notwendig. Erst dann können Autofahrer die Energiespeicher ihrer Elektromobile bequem kabellos und herstellerunabhängig immer wieder auffüllen. Die SAE J2954™ Task Force arbeitet daher an einem Standard, der die Kompatibilität zwischen Elektrofahrzeugen und kontaktlosen Ladestationen gewährleistet. In Zukunft reicht es dann aus, das Auto über einer Bodenplatte zu parken, um es aufzuladen (siehe Bild 1). Sie verbindet sich automatisch mit der Kontaktstelle am Unterboden des Fahrzeugs und der Fahrer muss sich um nichts mehr kümmern.

Mit der SAE Recommended Practice (RP) ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan: Die Spezifikation gilt für eine Ladeleistung von bis zu 11kW (WPT3) und stellt eine einheitliche Richtschnur für alle Unternehmen dar, die am kontaktlosen Laden von Elektroautos beteiligt sind. Sie ermöglicht außerdem eine Prüfstation, mit deren Hilfe Hersteller von Elektrofahrzeugen und Ladestationen ihre Produkte erproben können. So kann geprüft werden, ob die entwickelten Systeme mit der Bodenplatte interoperabel sind (Bild 1). Auf Grundlage dieser Testdaten soll der endgültige SAE J2954™ Standard noch im Jahr 2018 veröffentlicht werden. WiTricity unterstützt diese Entwicklung als Spezialist für kontaktloses Laden mit der Magnetic-Resonance-Technologie und setzt auf Zirkularspulen, die die Basis des SAE-Teststands bilden. Damit wird eine End-to-End-Effizienz von 91 % – 94% erzielt.

Kontaktloses Laden WiTricity Bodenplatte

Bild 1: Die Bodenplatte verbindet sich automatisch mit der Kontaktstelle am Unterboden des Fahrzeugs und es wird geladen. © WiTricity

2. Energieübertragung mit der Magnetic-Resonance-Technologie

Die Magnetic-Resonance-Technologie baut auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion auf. Elektromagnetische Induktion nutzt Magnetfelder, um Energie von einer Primärspule zu einer Sekundärspule zu übertragen. Eine direkte elektrische Verbindung ist damit nicht mehr nötig. Allerdings ist das System zum Laden von Elektrofahrzeugen allein wenig praktikabel. Denn damit es effizient arbeitet, müssen sich die Spulen in direkter Nähe zueinander befinden und sorgfältig zueinander positioniert werden, sonst kommt es zu Verlusten. Größere Abstände, wie beispielsweise zwischen Bodenplatte und Auto, oder nicht akkurat geparkte Fahrzeuge, verhindern eine optimale Ladeleistung.

Witricity forschte daher nach einer Lösung, die eine Energieübertragung auch über mittlere Distanzen und mit mehr Positionierungsfreiheit ermöglicht. Mit dem „highly resonant wireless power transfer“ (HR-WPT) entstand so ein Ansatz, der die Effizienz der Energieübertragung durch Resonanz steigert. Denn hochwertige Resonatoren übertragen Energie auch bei schwacher Kopplung ohne große Verluste. Das bedeutet: Mit der Magnetic-Resonance-Technologie können Elektrofahrzeuge kabellos genauso effizient geladen werden, wie mit einem Stecker. Bei Leistungen im Kilowatt-Bereich – wie es beim Aufladen von Elektrofahrzeugen notwendig ist – werden End-to-End-Effizienzen (AC-Eingang zu DC-Ausgang) von mehr als 94 % erreicht. Voraussetzung, um solche Wirkungsgrade zu erreichen, ist allerdings, dass jede Stufe im System einen Wirkungsgrad von 98 % – 99% oder mehr aufweist. Jeder Schritt im Ladevorgang muss daher sehr sorgfältig ausgelegt werden, um Verluste zu minimieren. [1]

3. Die Funktionsweise des Magnetic-Resonance-Systems

Ein kabelloses Energieübertragungssystem auf Basis des HR-WPT verfügt in der Regel über gemeinsame Funktionsblöcke. Ein allgemeines Diagramm dieses Systems stellt Bild 2 dar. Die Eingangsleistung stammt meist aus einer Wandsteckdose (AC-Netz) und wird zunächst von einem Gleichrichter in Gleichspannung umgewandelt. Alternativ kann die Gleichspannung auch direkt aus einer Batterie oder weiteren DC-Versorgungsquellen bezogen werden. Im nächsten Schritt wandelt ein Leistungsumrichter diese Gleichspannung in hochfrequente Wechselspannung um und speist damit den Quellresonator. An dieser Stelle kommt oftmals ein Impedanz-Anpassungsnetzwerk (IMN) zum Einsatz. Dieses verbindet den Wechselrichter effizient mit dem Quellresonator und optimiert dadurch die Effizienz der Energieübertragung.

Bild 2: Blockdiagramm eines Systems zur kontaktlosen Energieübertragung ohne TMN. In diesem Fall lädt das Fahrzeug ausschließlich mit konstanter Ladeleistung.

Bild 2: Blockdiagramm eines Systems zur kontaktlosen Energieübertragung ohne TMN. In diesem Fall lädt das Fahrzeug ausschließlich mit konstanter Ladeleistung. (Quelle: WiTricity)

Die hochfrequente Wechselspannung erzeugt am Quellresonator ein Magnetfeld, das mit dem Geräteresonator koppelt. Dort induziert es eine Spannung und ruft im angeschlossenen Verbraucherstromkreis einen Stromfluss hervor. Mit der übertragenen Energie können dann die Batterien der Elektrofahrzeuge geladen werden. Ein zweites IMN auf Geräteseite steigert die Effizienz des Systems noch weiter. Die tatsächliche Lastimpendanz wird dabei in effektive Lastimpendanz umgewandelt und entspricht so der Belastung für den optimalen Wirkungsgrad. Erfordert die Last in diesem Schritt eine Gleichspannung, wandelt ein Gleichrichter die empfangene Wechselspannung wieder in DC um. [1]

Hoher Wirkungsgrad trotz größerer Distanzen

Wie effizient die Ladeleistung ist, hängt von den charakteristischen Parametern der Resonatoren und deren Kopplungsfaktoren (k) ab. Bild 3 zeigt eine entsprechende Serienresonanzschaltung. Der Generator ist eine sinusförmige Spannungsquelle mit Amplitude Vg und einem Generatorwiderstand Rg. Ls und LD stellen die Spulen der Quell- und Geräte-Resonatoren dar, die durch die gegenseitige Induktivität M gekoppelt sind. Dabei gilt: . Jede Spule wird mit einem Kondensator beschaltet und bildet so einen Resonator. Rs und RD repräsentieren die parasitären Widerstände der Spule sowie den Resonanzkondensator in den jeweiligen Resonatoren. Die Last wird durch einen äquivalenten Wechselstromwiderstand RL dargestellt.

Bild 3: Serienresonanzschaltung – eine äquivalente Schaltung für gekoppelte Resonatoren. Der Generator ist eine sinusförmige Spannungsquelle mit Amplitude Vg mit einem Generatorwiderstand Rg

Bild 3: Serienresonanzschaltung – eine äquivalente Schaltung für gekoppelte Resonatoren. Der Generator ist eine sinusförmige Spannungsquelle mit Amplitude Vg mit einem Generatorwiderstand Rg. (Quelle: WiTricity)

Beim Kopplungsfaktor (k) handelt es sich um einen dimensionslosen Parameter. Er beschreibt den Bruchteil des magnetischen Flusses, der mit Quell- und Geräteresonator verbunden ist. Seine Größe kann zwischen Null (keine Kopplung) und eins (ideal feste Kopplung) liegen. Der Wert ergibt sich aus einer Funktion aus der relativen Größe der Resonatoren, ihrem Abstand zueinander sowie ihrer relativen Orientierung.

Induktive Energieübertragungssysteme, beispielsweise Akku-Zahnbürsten, sind meist auf große Kopplungsfaktoren ausgelegt. Das bedeutet, sie benötigen einen kleinen Abstand und eine genaue Ausrichtung zwischen Quell- und Geräteresonator. Der Einsatz qualitativ hochwertiger Resonatoren ermöglicht hingegen auch bei niedrigeren Kopplungswerten einen hohen Wirkungsgrad. Quell- und Geräteresonator müssen dann nicht mehr präzise positioniert werden, was eine größere Bewegungsfreiheit ermöglicht. Diese Fähigkeit erweitert den Einsatzraum für drahtlose Energieübertragung weit über den der traditionellen Induktion hinaus – beispielsweise für das kontaktlose Laden von Elektrofahrzeugen. [1]

4. Optimierte Ladeleistung durch TMN

Damit Fahrzeuge nicht nur über größere Distanzen effizient geladen werden können, sondern auch die Auswirkungen von Positioniertoleranzen und variabler Batteriespannung ausgeglichen werden, ist ein Tuneable Matching Network (TMN) notwendig. Das TMN beeinflusst die Impedanzen im IMN, stellt jeden Arbeitspunkt optimal ein und optimiert so den Energietransfer. Dabei gilt: Je größer die Güte der Resonatoren, desto effizienter ist das System, da die Verluste in den Resonatoren gering gehalten werden. Bild 4 zeigt den schematischen Aufbau eines Ladesystems mit TMN. In der Ladeplatte wird das TMN zwischen Inverter und Spule verbaut. Im Fahrzeug befindet sich das TMN zwischen Spule und Gleichrichter. Im Aufbau sind beide TMN-Blöcke identisch und bestehen aus diskreten passiven Bauelementen und Halbleitern, die die Energieübertragungseigenschaften des Systems optimieren.

 

Bild 4: Skizze eines Ladesystems mit TMN. In der Ladeplatte wird das TMN zwischen Inverter und Spule verbaut während auf der Fahrzeugseite das TMN zwischen Spule und Gleichrichter angeordnet wird.

Bild 4: Skizze eines Ladesystems mit TMN. In der Ladeplatte wird das TMN zwischen Inverter und Spule verbaut während auf der Fahrzeugseite das TMN zwischen Spule und Gleichrichter angeordnet wird. (Quelle: WiTricity)

Echtzeiterfassung durch Microcontroller

Das TMN wird von einem C28x-basierten 32-Bit-Microcontroller von Texas Instruments gesteuert. Dieser verfügt über einen hochleistungsfähigen Kern und anwendungsoptimierte Peripherie. Die integrierten Peripheriekomponenten nehmen hier eine Sonderstellung ein. Die äußerst leistungsfähigen Bauelemente dienen der Echtzeitsteuerung. Damit fungieren sie beim kontaktlosen Laden als Ein-Chip-Steuerungslösung. Auch der C28x-Core ist essenziell: Er kombiniert die Merkmale eines allgemeinen Microcontrollers mit denen eines digitalen Signalprozessors. In der Folge gewährleistet der C28x die Codedichte und Geschwindigkeit eines DSP und ist gleichzeitig so einfach zu handhaben wie ein Microcontroller. Ebenso zentral ist der Control Law Accelerator (CLA)-Echtzeitsteuerungsbeschleuniger. Beim CLA handelt es sich um einen unabhängigen 32-Bit-Fließkommaprozessor für mathematische Operationen auf der Basis des C28x-Kerns. Darüber hinaus ist er frei mit der Steuerungsperipherie verbunden. Der Nutzen: vollständig parallele Steuerungsschleifen losgelöst vom primären C28x-Kern. Der CLA stellt also alleine  ̶  ohne einen zusätzlichen Prozessor  ̶  die Parallelverarbeitung sicher. [2]

5. Perspektive

Im Vergleich mit Ladesystemen mit konstanter Leistung ist die TMN-Technologie mittel- bis langfristig die kostengünstigere Lösung. In der Anschaffung ist sie zwar zunächst teurer, senkt aber die Stromkosten dadurch, dass das TMN den Energietransfer drosseln kann. Wenn die Umweltbedingungen es erfordern, ermöglichen die Halbleiter zudem eine höhere Durchschnittsladeleistung. Das TMN-Ladesystem von WiTricity kann jeglichen Fahrzeugtyp mit Strom versorgen – sowohl einen tiefergelegten Sportwagen als auch einen Geländewagen mit viel Bodenfreiheit.

Literatur

[1] Vgl. Highly Resonant Wireless Power Transfer: Safe, Efficient, and over Distance, Dr. Morris Kesler, WiTricity Corporation, Dezember 2017. http://witricity.com/wp-content/uploads/2016/12/White_Paper_20161218.pdf, Zugriff am 01.06.2018.

 [2] Vgl. Erste Schritte mit Mikrocontroller zur C2000™ Echtzeitsteuerung, Januar 2018. http://www.ti.com/lsds/ti_de/microcontrollers-16-bit-32-bit/c2000-performance/real-time-control/getting-started.page#techdiffer, Zugriff am 01.06.2018

Redaktionstipp: Lesen Sie dazu auch das Interview mit Peter Wambsganß darüber, wie kontaktloses Laden unsere mobile Zukunft verändern wird.

  • PeterWambsganß Porträt

    Autor

    Dipl.-Ing. Peter Wambsganß

    Director of Business Development AIMM -  Europe Region, WiTricity Corporation

  • Screenshot Kontaktloses Laden Deckblatt

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