Beitragsseiten

Sie haben im Rahmen Ihrer Projekte auch oft Neuland betreten.

 Ja, wir haben zum Beispiel den ersten vollelektrischen Linienbus im ländlichen Raum installiert. Das war ein Projekt im Schwarzwald, bei dem es eigentlich um etwas ganz anderes ging: Ein Teilortproblem. Das erste Haus wurde gebaut, um die ärztliche Versorgung im Kernort zu sichern, es gab aber keinen Arzt, der für die Teilorte, die weit auseinanderliegen, zuständig ist. Ohne eigenes Auto war es in den Teilorten nicht mehr möglich sich nach heutigem Standard zu versorgen: Weil Einkaufsmöglichkeiten nicht erreicht werden konnten. Wir durften natürlich den ÖPNV nicht doppeln und Taxiunternehmen keine Konkurrenz machen. Noch dazu sollte die Lösung möglichst elektrisch sein und das mitten im Schwarzwald mit bis zu 18 % Steigung.

2015 haben wir dann das Konzept erarbeitet und neue ÖPNV-ergänzende Buslinien installiert. Die elektrischen 20-Sitzer fahren seit 2015 jeden Tag und sind gut ausgelastet. Das waren Sprinter, die wir haben umrüsten lassen und die in ganz unterschiedlichen Formen eingesetzt werden. Auch Bad Säckingen hat einen solchen Linienbus. Ursprünglich hatte die Kurstadt eine Citybuslinie. Die Linienführung ist die gleiche geblieben, nur dass der Bus jetzt elektrisch fährt. Im Moment sind wir viel in Baden-Württemberg, Hessen und Österreich unterwegs, wir haben aber auch schon Projekte in Bayern umgesetzt und sind jetzt wie gesagt auch in der Schweiz vertreten. 

Autonomes Fahren wird immer greifbarer und zum nächsten Trendthema der Branche. Inwieweit können Sie die technische Entwicklung in diese Richtung bei Ihren Projekten schon berücksichtigen?

Konkret umsetzen konnten wir leider noch kein Projekt mit autonom fahrenden Fahrzeugen. Manchmal bekommt man den Eindruck in Deutschland, dass man sich jetzt, da das Thema Elektromobilität gescheitert ist, schnell das nächste Thema sucht. Wir haben im Moment drei laufende Projekte, bei denen es um autonome Bussysteme geht. Bei einem Projektansatz ist es sehr schade, dass es noch keine autonom fahrenden Fahrzeuge im Pkw-Segment auf dem Markt gibt. Gäbe es diese schon, wäre ein konkreter Fall schon gelöst. Wir haben in einem Landkreis ein Konzept erarbeitet, das sämtliche Komponenten von Mitfahrdiensten, Sharing über ÖPNV miteinschließen würde. ÖPNV ist für uns immer ein wesentlicher Bestandteil, ein Rückgrat der Mobilitätslösungen. Uns ist sehr daran gelegen, diesen miteinzubinden und zu stärken. Der ÖPNV soll aber auch nicht zwingend in seiner bestehenden Form weiter ausgebaut werden. Es geht eher darum, Ergänzungen und Verdichtungen im Angebot zu schaffen. Wir haben bei diesem Ansatz das Problem, das wir einen Fahrzeugpool haben, bei dem sich das Mobilitätsangebot deutlich verbessern würde, wenn die Fahrzeuge Teilstrecken autonom fahren könnten. So weit sind wir technisch leider noch nicht, aber das wird in absehbarer Zeit kommen. Meine These ist allerdings, dass wir eher autonom fliegen werden als autonom fahren.

Können Sie über ein zukünftiges Projekt schon mehr verraten?

Im Rahmen unseres Projekts mit Bad Säckingen erarbeiten wir gerade auch ein Zweiradkonzept. Bad Säckingen liegt an der Grenze zur Schweiz im Hochrhein. Auf deutscher und auf Schweizer Seite gibt es eine Bahnlinie und Gewerbegebiete. Insbesondere das Industriegebiet auf Schweizer Seite wächst sehr stark. In den nächsten Jahren werden mehr als 1.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die spannende Frage ist deshalb, wie Mobilität so organisiert werden kann, dass die öffentliche Verkehrsachse, primär der Zug, der heute noch keine Verbindung zu den Gewerbegebieten hat, genutzt wird. Es sind einmal grenzüberschreitende Busse gefahren, die es in dieser Form aber nicht mehr gibt. Dieses Problem muss in einem Verkehrssystem gelöst werden, das ohnehin eine viel zu hohe Verkehrsdichte und Auslastung hat. Da sind wir mit den Kommunen beidseits der Grenze auf das Thema Zweirad umgeschwenkt. Es ging somit schnell um Zweiradinfrastruktur.

Gerade entsteht die erste Fahrradstraße in der Schweiz. Wir werden dazu ein Fahrrad- und Pedelec-Verleihsystem einrichten und installieren. Dabei ist der Verleih an sich weniger das Problem, da das System mittlerweile bekannt ist und es auch genug Anbieter gibt. Es findet sich bisher aber kein Anbieter aus Deutschland, der auch in die Schweiz geht und umgekehrt, weil man dabei schnell auf administrative Hürden stößt. Zudem besteht das Problem der EU-Außengrenze, die in ihrer Bewirtschaftung tatsächlich spannend ist. Was innerhalb der EU noch einfacher funktioniert, ist bei Projekten mit Ländern außerhalb der EU oftmals ein Problem. Da müssen Fahrräder verzollt werden. Ich gehe aber davon aus, dass wir diese Hürden noch überwinden werden. Es müssen aber auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass sich das Projekt wirtschaftlich umsetzen lässt. Finanziell kann das nicht nur von den Kommunen gestemmt werden. Es braucht ein System, das sich langfristig trägt. Es geht dabei nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch die soziale bzw. gesellschaftliche Verankerung und die Ökonomie.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Klaiber. (sih)

  • Portrtfoto Christian Klaiber

    Autor

    Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Christian Klaiber

    Leiter der Initiative Zukunftsmobilität
    Leiter Steinbeis-BeratungszentrumInnovation & Mobilität"

  • Screenshot Mobilittskonzepte Lndlicher Raum Artikeldeckblatt

    Diesen Beitrag jetzt als PDF downloaden

eMobilExklusiv auf einen Blick:
  • Tiefgehendes Fachwissen - kuratiert von der eMobilServer Print- und Online-Redaktion
  • Alle Beiträge als PDF zum Download
  • Abonnenten von eMobilJournal lesen umsonst
  • Alle anderen können den 14-Tage-Testzugang nutzen - kostenlos und unverbindlich

Log-in

Als Abonnent des eMobilJournal loggen Sie sich bitte mit den Zugangsdaten ein, die Sie postalisch bzw. bereits per Mail von uns erhalten haben.

Als Nutzer des 14-Tage-Digital-Testzugangs loggen Sie sich bitte mit Ihren Daten ein, die Sie bei Ihrer Registrierung angegeben haben.

Ihr Passwort können Sie jederzeit nach Ihrer Anmeldung über "Profil anzeigen" --> "Profil bearbeiten" ändern.

Angemeldet bleiben

Ihre Ansprechpartnerin
für Werbung & Media

Kirstin Sommer, Geschäftsführerin ITM InnoTech Medien GmbH

Kirstin Sommer
Tel.: +49 8203 950 18 45

ksommer@innotech-medien.de