E-Power auf dem Acker

Mit dem Einsatz elektrischer Antriebe in Landmaschinen ergeben sich neue Möglichkeiten für einen effizienten und zugleich umweltgerechten Pflanzenbau. Landwirtschaftsexperte Wolfgang Rudolph hat die Entwicklung der E-Mobilität in der Agrarindustrie unter die Lupe genommen.

Dieser Beitrag ist zuerst im eMobilJournal Ausgabe 05/18 erschienen.

Landwirtschaft als Vorreiter

Mit der Bevölkerung auf unserem Planeten wächst weltweit der Bedarf an Lebensmitteln. Die Landwirtschaft muss diese Versorgungsaufgabe in der Verantwortung für nachfolgende Generationen umwelt-, ressourcen- und klimaschonend bewältigen. Dabei setzt die Agrarbranche unter anderem auf Elektromobilität. Denn durch die Elektrifizierung der heute noch überwiegend von Dieselmotoren angetriebenen Traktoren und mobilen Arbeitsmaschinen wie Mähdrescher oder Rübenroder lassen sich in bedeutendem Umfang Kraftstoffverbrauch und Emissionen senken. Zudem zeigen jüngste Entwicklungen auf dem Gebiet des Smart Farming, dass durch den Einsatz elektrischer Antriebe in Anbaugeräten enorme Produktivitätssteigerungen im Pflanzenbau erzielbar sind.

So wird bei der Präzisionslandwirtschaft (Precision Farming) bereits heute Dünger und Saatgut zentimetergenau in angepasster Menge ausgebracht. Durch die exakte Dosierung nutzen die Landwirte das natürlicherweise unterschiedliche Ertragspotenzial der Böden auf den Feldabschnitten optimal aus und setzen nur so viel Dünger oder Pflanzenschutzmittel ein, wie die Pflanzen wirklich benötigen. Das spart Geld für Betriebsmittel und schont die Umwelt, weil sich beispielsweise die Gefahr der Auswaschung von überschüssigem Nitrat ins Grundwasser vermindert.

Elektromobilität gilt auch als eine Voraussetzung für Robotersysteme, die in naher Zukunft autonom auf dem Feld agieren sollen. Experten vermuten sogar, dass es fahrerlose landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen eher geben wird als vollautomatische Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen. Die juristischen und sicherheitstechnischen Anforderungen sind auf einem privaten Feld mit einer definierten Anzahl von „Verkehrsteilnehmern“ einfach geringer.

Auf dem „Pfad der Erleuchtung“

Elektrische Antriebe galten noch in jüngerer Vergangenheit im Agrarbereich als zu teuer, unsicher und eigentlich überflüssig. Um die Produktivität zu steigern, setzte man fast ausschließlich auf mehr Arbeitsbreite der Geräte und höhere Geschwindigkeit. Bei selbstfahrenden Erntemaschinen war die Entwicklung durch die Vergrößerung des Schneidwerks und die damit notwendige Steigerung der Durchsatzleistung geprägt. Dies erforderte immer stärkere Motoren. Die Folge: In den vergangenen 50 Jahren wuchs die Leistung eines Traktors jährlich um 1,75 kW. Bei Mähdreschern waren es sogar 5 kW pro Jahr. Diese Entwicklung stößt zunehmend an Grenzen. Faktoren sind dabei nicht nur steigende Kraftstoffkosten und Forderungen des Gesetzgebers zur Minderung der Emissionen von Dieselmotoren. Auch der zur Verfügung stehende Bauraum wird immer knapper. Bereits heute sind Erntemaschinen und Traktor-Geräte-Kombinationen kaum noch mit den Vorgaben der StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) in Einklang zu bringen. Hinzu kommt die schädigende Bodenverdichtung durch das hohe Maschinengewicht.

Erste Initiativen zur Elektrifizierung von Landmaschinen gab es daher schon vor über 60 Jahren. In den 1950er-Jahren präsentierte der zu jener Zeit noch selbständige Hersteller IHC (heute Case-IH) das Traktormodell Electrall. Es verfügte über einen Generator, der bis zu 10 kW elektrische Leistung für den Betrieb von Anbaugeräten erzeugen konnte.

Die Entwicklung auf diesem Gebiet verlief in den nachfolgenden Jahrzehnten bis zu heutigen vollelektrischen Traktoren nicht kontinuierlich, sondern ähnlich wie die Elektromobilität auf der Straße mit Phasen der Euphorie und technischen Durchbrüchen aber auch Rückschlägen und Ernüchterung.

Dass Entwicklung und Einsatz elektrischer Antriebe in der Landtechnik letztlich nicht abbrachen und gegenwärtig an Dynamik sogar gewinnen, dafür sorgt nicht nur der Wettbewerbsdruck zwischen den Herstellern, sondern auch die internationale Zusammenarbeit. So einigten sich die rund 100 Mitglieder der Branchenorganisation Agricultural Industry Electronics Foundation (AEF) auf einheitliche Standards für Schnittstellen, insbesondere eine Steckdose (siehe Bild 1) zur Übertragung elektrischer Leistung sowie der Steuerungsimpulse vom Traktor zum angekoppelten Gerät, und für die Sicherheitsanforderungen an Hochvolt-Bordnetze.

Bild 1: Standardisierte Traktor-Steckdose an einem Traktorheck mit drei Pins für die elektrische Energie in Form von 480 V Wechselstrom bzw. 700 V Gleichstrom und dem Pin für den High-Speed-Bus

Bild 1: Standardisierte Traktor-Steckdose an einem Traktorheck mit drei Pins für die elektrische Energie in Form von 480 V Wechselstrom bzw. 700 V Gleichstrom und dem Pin für den High-Speed-Bus © Carmen Rudolph

 

„Wir bewegen uns gegenwärtig auf dem Pfad der Erleuchtung", sagt Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Herlitzius, Inhaber des Lehrstuhls Agrarsystemtechnik an der Technischen Universität Dresden (TU Dresden). Der Wissenschaftler spielte damit auf das Phasenmodell des amerikanischen Beratungsunternehmens Gartner an, den sogenannten Hype-Zyklus. Demnach steigt bei der Markteinführung neuer Technologien das allgemeine Interesse zunächst steil an, um dann, wenn sich die damit verbundenen Erwartungen nicht gleich erfüllen, ebenso abrupt nachzulassen. Erst nach Überwindung von Rückschlägen und Relativierung der Ansprüche führen die Entwicklungen auch zu einem höheren Produktivitätslevel (siehe Bild 2).

 

 

Bild 2: Der Hype-Zyklus nach Gartner für die Einführung elektrischer Antriebe in der Landtechnik.

Bild 2: Der Hype-Zyklus nach Gartner für die Einführung elektrischer Antriebe in der Landtechnik. © Prof. Herlitzius, TU Dresden / Diagramm: Carmen Rudolph


Antriebskraft per Kabelstrang

Um die Zukunft der elektrischen Antriebe ist den Wissenschaftlern und Konstrukteuren in den Entwicklungsabteilungen der Hersteller jedenfalls nicht bange. Dafür liegen die Vorteile dieser Technologie zu klar auf der Hand. Für Elektromotoren spricht vor allem der hohe Wirkungsgrad und dass sie sich sehr präzise steuern lassen. Dies bringt neben der verbesserten Effizienz die Chance auf eine deutliche Erweiterung der Funktionalität von Landmaschinen. Hohe elektrische Antriebsleistungen werden über praktisch wartungsfreie Kabelstränge an beliebig viele Punkte übertragen. Zusätzlich kann jeder der dort eingesetzten elektrischen Antriebe unabhängig voneinander je nach Belastung und mit hohem Automatisierungsgrad in Drehmoment und Drehzahl geregelt werden.

„Je mehr Antriebe zum Beispiel über Riemen oder Ketten in einem Gerät sind und je größer der Wunsch nach Drehzahlvariabilität ist, desto besser eignen sich elektrische Antriebe als Alternative zu mechanischen oder hydraulischen Kraftübertragungssystemen, um die Arbeitsproduktivität zu steigern“, weiß Herlitzius.

Ein Beispiel dafür ist das von einem Konsortium aus Forschungseinrichtungen, Praxispartnern und dem Hersteller Zürn gebaute elektrische Mähdrescherschneidwerk i-Flow, das auf der Landtechnikmesse Agritechnica 2015 eine Silbermedaille erhielt. Hier ersetzten die Entwickler die zahlreichen Riemen- und Kettenantriebe eines zwälf Meter breiten Getreideschneidwerkes für die rechte und linke Querförderschnecke, die Messer und die acht Einzugsbänder sowie den hydraulischen Haspelantrieb durch insgesamt zwölf Elektromotoren. Sie sind jeweils dort angeordnet, wo die Antriebsleistung direkt benötigt wird. Den Strom liefern drei am Schneidwerk montierte Generatoren mit einer Dauerleistung von je 20 kW. Sie werden von der Gelenkwelle angetrieben, die auch bisher als Kraftschluss fungierte.

Das elektrifizierte Mähdrescherschneidwerk bietet vielfältige Chancen zur Optimierung der Getreideernte. Denn über die Messung von Spannung und Stromstärke und damit Drehmoment und Drehzahl stehen von jeder rotierenden Baugruppe in Echtzeit Informationen zur aktuellen Auslastung zur Verfügung. Die Elektromotoren dienen also gleichzeitig als Sensoren. Über ein internes CAN-Bussystem lassen sich daraus automatisierte Regelstrategien für die einzelnen Antriebe entwickeln. So werden Schwankungen des Durchsatzes sofort als Signal registriert, das über eine Software im Bordcomputer des Mähdreschers in ein selbstregelndes Antriebsmanagement einfließt. Solch ein automatisiertes System ist zum Beispiel in der Lage, einem sich anbahnenden Stau im Gutfluss frühzeitig durch Veränderungen in der Antriebsleistung in diesem Segment entgegenzuwirken und den Fahrer somit bei der Überwachung zu entlasten. Denkbar ist zudem, dass, je nach Belastung von Messerantrieb und Dreschtrommel, die Fahrgeschwindigkeit des Mähdreschers automatisch geregelt wird, angelehnt an das sogenannte TIM-System (Tractor Implement Management), bei dem die Geschwindigkeit der Traktoren oder die Drehzahl ihrer Zapfwellen durch die Erfordernisse der Anbaugeräte gesteuert werden.

Etappe der Elektrifizierung 

Das elektrische Schneidwerk ist ein Beispiel für das, was man als hybride Etappe der Elektrifizierung auf dem Acker bezeichnen könnte.Das Unternehmen Sensor-Technik Wiedemann (STW) verdeutlicht dies auf Messen und Ausstellungen gern an einem in Originalgröße aufgebauten gläsernen Traktor (siehe Bild 3). Während der Dieselmotor bei gleichbleibend optimaler Drehzahl, mit bestem Wirkungsgrad  und demzufolge minimalem Dieselverbrauch arbeitet, wird über einen Kurbelwellengenerator elektrische Energie erzeugt. Diese kann dann unmittelbar über ein 600-V-Gleichspannungsnetz für Fahrantrieb, Zapfwellen sowie in Anbaugeräten, die über Kabel und Spezialstecker angeschlossen sind, genutzt werden. Elektrische Energie, die durch Rückgewinnung (Rekuperation), etwa beim Bremsen, ins System zurückfließt, wird in einer Batterie zwischengespeichert.

 

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Bild 3: Dieselektrische Antriebe, hier von STW Sensor-Technik-Wiedemann am gläsernen Traktor auf der Landtechnikmesse Agritechnica demonstriert, gewinnen beim präzise regelbaren Betrieb von Anbaugeräten für den Pflanzenabu an Bedeutung. © Carmen Rudolph

 

Beim Multi Tool Trac der niederländischen Firma Elsto und einem Prototyp des Schweizer Hangschleppers RigiTrac wurde dieses Konzept bereits mit jeweils vier Radnabenmotoren in die Realität umgesetzt. Auch beim Rübenroder Euro Tiger V8  des Herstellers Ropa realisierten Wissenschaftler und Konstrukteure in einem gemeinsamen Forschungsprojekt solch eine dieselelektrische Variante. Rübenroder sind große selbstfahrende Maschinen für das Ernten, Reinigen und Sammeln von Zuckerrüben. Sie sind wie die meisten Erntemaschinen mit hydraulischen Fahrantrieben ausgestattet. Diese Form des Fahrantriebs ermöglicht die für den Arbeitsprozess notwendige stufenlose Anpassung der Fahrgeschwindigkeit an unterschiedliche Erntebedingungen einschließlich des Stillstands ohne einen Kupplungsvorgang. Ein großer Nachteil der Hydraulik ist jedoch der mäßige Wirkungsgrad, insbesondere im Teillastbereich. Deshalb wurden die Hydropumpe des Roders durch zwei Generatoren und die Hydromotoren durch zwei Elektromotoren mit einer Leistung von 150 KW ersetzt (siehe Bild 4). Ein modifiziertes Getriebe zwischen Dieselaggregat und den beiden Generatoren sorgt dafür, dass der Verbrennungsmotor immer im günstigsten Drehzahlbereich unter dem Gesichtspunkt von Spritverbrauch und Emissionen läuft.

 

Bild 4: Die beiden grauen Aggregate am elektrifizierten Rübenroder Euro Tiger V8 sind die hermetisch abgekapselten 150-kW-Elektromotoren für den Fahrantrieb.

Bild 4: Die beiden grauen Aggregate am elektrifizierten Rübenroder Euro Tiger V8 sind die hermetisch abgekapselten 150-kW-Elektromotoren für den Fahrantrieb. © Carmen Rudolph

 

Tests, bei denen zwei Rübenroder, jeweils ausgestattet mit hydraulischem bzw. dieselelektrischem Antrieb, parallel im Einsatz waren, bestätigten die in der Simulation voraus berechnete Erhöhung des Wirkungsgrades um 15 - 20 %. „Unsere Rübenroder sind hoch ausgelastet. In einer Saison schafft jedes der Geräte um die 1.000 Hektar. Bei einem Verbrauch von durchschnittlich 45 Liter Diesel pro Hektar macht das pro Saison 45.000 Liter. Wenn man davon durch den besseren Wirkungsgrad der elektrischen Antriebe 15 Prozent einspart, wäre schon einiges erreicht“, so Ropa-Bereichsleiter Michael Gruber.


Steckdose für Anbaugeräte

Direkt im Getriebe integrierte dieselgetriebene Generatoren als Stromquelle für die Elektromotoren stellte der Technologiekonzern ZF Friedrichshafen erstmals auf der Agritechnica 2009 vor und gab damit einen wichtigen Impuls. Zwei Jahre später war dann der Deutz-Fahr Agrotron TTV  als erster Traktorprototyp mit diesem Generatorsystem zu sehen.

Parallel kamen außerdem Nachrüstsysteme für Standardtraktoren auf den Markt. Die kompakten Generatormodule werden über die Frontzapfwelle betrieben und liefern elektrische Leistung samt Leistungselektronik für die Steuerung. Beispiele dafür sind der Zapfwellengenerator von ZF selbst, der bei Einhängung an den Front- oder Heckkraftheber zusätzlich ein weiteres Anbaugerät aufnehmen kann, der ePower-Generator von GKN Walterscheid, der Powerpack-Generator des holländischen Spezialisten für Frontkrafthebersysteme Zuidberg oder das vom Unternehmen Raussendorf, EAAT Chemnitz und weiteren Projektpartnern entwickelte PowerPack 45 (siehe Bild 5).

 

Bild 5: Generator-Nachrüstpakete mit integrierter Leistungselektronik - hier der PowerPack 45 von Raussendorf - stellen an Standardtraktoren Energie für elektrische Antriebe bereit.

Bild 5: Generator-Nachrüstpakete mit integrierter Leistungselektronik - hier der PowerPack 45 von Raussendorf - stellen an Standardtraktoren Energie für elektrische Antriebe bereit. © Carmen Rudolph

 

Ob interner oder externer Generator, in jedem Fall steht über die standardisierte Steckdose E-Power zwischen 50 und 100 kW für Anbaugeräte bereit. Dies führte zu einer Vielzahl von Geräteentwicklungen mit elektrischen Antrieben. Die Palette reicht hier vom Düngerstreuer der Firma Rauch über eine Einzelkornsämaschine von Amazone bis zum Kreiselschwader von Fendt. Fliegel Agrartechnik kann in seine großvolumigen Anhänger die elektrische Triebachse Power DriveElect verbauen, die den Vortrieb des Zugfahrzeuges unterstützt (siehe Bild 6 und Bild 7). Ebenso verleiht bei der E-Drive von Joskin ein 120-kW-Elektromotor über Kardanwellen den zwei hinteren Achsen des Dreiachsanhängers in schwierigem Gelände zusätzlichen Schub. Pöttinger entwickelte ein elektrisch angetriebenes Stützrad am Pflug, das dem Traktor beim Ziehen hilft.

 

Bild 6: Die elektrische Triebachse Power DriveElect für Anhänger von Fliegl erhöht bei schwierigen Bedingungen die Traktion.

Bild 6: Die elektrische Triebachse Power DriveElect für Anhänger von Fliegl erhöht bei schwierigen Bedingungen die Traktion. © Carmen Rudolph

Bild 7: Praxiseinsatz eines Fliegl-Abschiebewagens mit elektrischer Antriebsachse bei der Erne von Silomais

Bild 7: Praxiseinsatz eines Fliegl-Abschiebewagens mit elektrischer Antriebsachse bei der Erne von Silomais © AGCO / Fendt

Elektroantriebe für Feldroboter

Inzwischen werden dieselelektrische Antriebe zunehmend mit Robotikanwendungen verknüpft. So tüfteln Wissenschaftler der TU Dresden am Plantagenroboter Elwobot. Die elektrisch angetriebene Plattform soll einmal verschiedene Geräte wie Spritze oder Mulcher aufnehmen und die entsprechenden Arbeiten ausführen, während sie sich mittels GPS und Sensoren autonom durch die Reihen von Obstplantagen oder Weinbergen bewegt. Mit seinen einzeln lenkbaren Rädern ist das Fahrzeug extrem beweglich (siehe Bild 8).

 

Bild 8: An der TU Dresden entwickeln Wissenschaftler gegenwärtig den modularen Plantagenroboter Elwobot für den Obst- und Weinbau. DIe Fahrzeugplattform mit einer Leistung von 30 kW basiert auf einem dieselelektrischen System mit vier Radnabenmotoren mit je 7,5 kW Leistung

Bild 8: An der TU Dresden entwickeln Wissenschaftler gegenwärtig den modularen Plantagenroboter Elwobot für den Obst- und Weinbau. DIe Fahrzeugplattform mit einer Leistung von 30 kW basiert auf einem dieselelektrischen System mit vier Radnabenmotoren mit je 7,5 kW Leistung © Carmen Rudolph

 

Eine Fortsetzung dieser Technologieentwicklung sind vollelektrische kleine und damit leichte Robotereinheiten, die als Schwarm auf dem Feld zusammenarbeiten. Mit Xaver verfügt der Landtechnikkonzern AGCO/Fendt hier bereits über einen funktionstüchtigen Prototyp (siehe Bild 9), der gegenwärtig zur Serienreife weiterentwickelt wird. Jede der Robotereinheiten wiegt etwa 70 kg. Die vier elektrischen Einzelradantriebe bewegen die Fahrzeuge per Satellitennavigation mit einer Geschwindigkeit von 3,5 bis 4 km/h übers Feld.

„Wir testen das Gesamtsystem zunächst mit der Aussaat von Mais. Dieses Verfahren verbraucht relativ wenig Energie und eine Akkuladung reicht für gut zweieinhalb Stunden", informiert Christoph Zecha, der bei AGCO als Product Owner für die Sicherung und Systemintegration von Maschinendaten zuständig ist. Später sei eine Ausweitung auf weitere energiearme Arbeiten geplant, etwa die einzelpflanzenbezogene Düngung, Kontrollfahrten zur Erkennung von Pflanzenkrankheiten, oder die Unkrautbekämpfung in einem frühen Stadium. Während der Fahrt auf den Pfaden, die das System für den ausgewählten Schlag berechnet hat, speichern die Roboter agronomische Informationen für die nachfolgende Bestandspflege, zum Beispiel zur Position der Saatgutablage, Bodenbeschaffenheit und zu den Wetterverhältnissen.

 

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Bild 9: Der auf der Agritechnica 2017 vorgestellte Feldroboter Xaver von AGCO / Fendt. Die 70 kg schweren Module, die im Schwarm auf dem Acker agieren, bewegen sich per elektrischem Einzelradantrieb mit 3,5 - 4 km/h. © Carmen Rudolph


Batterien statt Dieselmotor

In jüngster Zeit machen vollelektrische Traktoren und Arbeitsmaschinen von sich reden. War der elektrische Radlader, den Kramer erstmals auf der Agritechnica 2015 vorführte, noch vornehmlich für den Hof- und Stallbereich konzipiert, präsentierte John Deere mit dem Traktor SESAM im vergangenen Jahr nun den ersten voll batteriegetriebenen Traktor (siehe Bild 10). Der Prototyp mit zwei Elektromotoren leistet 130 kW. Im Standardmodus übernimmt ein Motor den Fahrantrieb, der andere die Zapfwelle und das Hydrauliksystem. Bei Bedarf werden beide Motoren zusammengeschaltet.

Weitere Vorteile: Der SESAM-Traktor arbeitet emissionsfrei und mit geringem Geräuschpegel, was vor allem bei Einsätzen in der Nähe von Wohngebieten und bei Nachtarbeiten von Vorteil ist. Derzeit reicht eine Batterieladung für ca. vier Betriebsstunden bei herkömmlichen Einsätzen bzw. 55 km bei Straßenfahrten.

 

Bild 10: Statt eines Dieselmotors befinden sich unter der Motorhaube des SESAM von John Deere Batterien, die zwei Elektromotoren mit einer Leistung von insgesamt 130 kW antrieben.

Bild 10: Statt eines Dieselmotors befinden sich unter der Motorhaube des SESAM von John Deere Batterien, die zwei Elektromotoren mit einer Leistung von insgesamt 130 kW antrieben. © John Deere

Elektroflotte als Energiepuffer

Eine Herausforderung bei E-Power auf dem Acker ist weiterhin die Versorgung mit elektrischer Energie. Dies wird bei einem Vergleich mit Verbrennungsmotoren deutlich: Mobile Arbeitsmaschinen in der Landwirtschaft benötigen bei einer Geschwindigkeit von 4 - 5 km/h pro Meter Arbeitsbreite eine Prozessleistung von 30 - 60 kW. Ein mit 900 l gefüllter Traktor-Dieseltank beinhaltet ein Äquivalent an elektrischer Energie von 9 MW. Dies entspräche bei Batterien mit einer Energiedichte von 200 Wh/kg, wie sie zum Beispiel Tesla einsetzt, einem Batterie-Gesamtgewicht von 60 t.

Eine mögliche Übergangslösung, bis bezahlbare Akkumulatoren mit einem wesentlich besseren Verhältnis von Gewicht und Ladungskapazität auf dem Markt verfügbar sind, wären konduktive Schnellladesysteme am Fahrzeugboden, die ein „Auftanken" an Elektroenergie innerhalb von fünf Minuten für eine Arbeitszeit von bis zu 30 Minuten ermöglichen. Eine andere Alternative ist die Versorgung über Stromkabel, wie dies John Deere aktuell im Projekt GridCon testet. Hier verbindet ein 1.000 m langes Kabel den 200-kW-starken Elektro-Traktor mit dem Stromnetz. Da die verschleißarme Ablage und Aufnahme des Stromkabels präzise Fahrmanöver erfordert, soll die Zugmaschine autonom fahren.

Beflügelt wird die Elektrifizierung der Landtechnik durch die Aussicht auf neue leistungsstarke Elektromotoren. Zu ihnen gehört der Leantec-Antrieb. Hinter Leantec verbergen sich keine englischsprachigen Begriffe, wie man vermuten könnte, sondern die Abkürzung steht für Leichte Elektro-Antriebe neuester Technologie. Das zugrunde liegende Transversalflussprinzip ist bereits länger bekannt. Bisher standen jedoch die dafür benötigten hochfesten, nichtmagnetischen Materialien wie Karbonfaserverbindungen nicht zur Verfügung. Auch die sehr schnelle Taktung für die Phasenumschaltung lässt sich erst mit der neuesten Generation von Leistungselektronik realisieren. Alleinstellungsmerkmale des Leantec-Antriebes sind zum einen die hohe Leistungsdichte und zum anderen die günstigen Herstellungskosten, da kaum Kupfer und keine seltenen Erden für die Magneten benötigt werden.

Die Elektroantriebe werden sich durchsetzen, sind Landtechnikexperten wie Prof. Herlitzius überzeugt. Eine spürbare Etablierung von serien- und wettbewerbsfähigen Systemen wird ab 2020 gesehen. Dabei könnte ein bislang noch wenig beachteter Aspekt an Bedeutung gewinnen: Denn in der Landwirtschaft ergeben sich weitere interessante Möglichkeiten zur Einbindung von elektrischen Nutzfahrzeugen. Schließlich produzieren Landwirte häufig selbst erneuerbare Energie mit Photovoltaikmodulen und Biogasanlagen. Elektrische Fahrzeuge könnten die Energie-Eigenversorgung des Agrarbetriebes deutlich erhöhen, als mobiler Pufferspeicher für das Stromnetz im ländlichen Raum fungieren und so zusätzlich für einen „sauberen“ Betrieb sorgen.

 

  • Portrt W. Rudolph

    Autor

    Dipl. Journ. Wolfgang Rudolph

    Freier Journalist mit den Themenschwerpunkten Umwelt, Landwirtschaft und Erneuerbare Energien

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