E-Cruiser mit Spitzenreichweite: Der Johammer J1

Johann Hammerschmid hat bei der Entwicklung seines elektrischen Johammer J1 nicht bei einem herkömmlichen Motorradkonzept angesetzt, sondern ist von Anfang an eigene Wege gegangen. Dabei galt es einige Hindernisse zu überwinden, wie er im Interview verrät.

 

Herr Hammerschmid, mit Ihrem Elektromotorrad Johammer J1 haben Sie ganz neue Wege beschritten. Bisher waren Sie eigentlich in einem ganz anderen Bereich tätig. Auf welchen Erfahrungswerten konnten Sie aufbauen?

Im Kerngeschäft der Hammerschmid Maschinenbau GmbH, heute Nordfels GmbH, haben wir zu Beginn Produktionsanlagen vorwiegend für die Automobil-Zulieferindustrie entwickelt und gebaut. Das hat uns tiefe Einblicke in die Automobilbranche und deren Arbeitswelt ermöglicht. Auch hat uns das Geschäftsfeld hervorragend ausgebildet und den Blick auf die Schattenseite der Massenproduktion geschärft. Dafür bin ich dankbar. Bevorstehende Umbrüche waren für uns schon 2005 erkennbar: gesättigter Markt, Überproduktion, Produktionsverlagerung nach China etc.

 

Da wäre es eigentlich naheliegend gewesen, ein Elektroauto zu entwickeln?

Als mich 2009 die Sehnsucht packte und ich ein Produkt entwickeln wollte, das exakt auf die Bedürfnisse des Menschen zugeschnitten ist, habe ich die Idee eines Autos direkt verworfen. Dazu fehlten uns nicht nur die Umsetzungskompetenz, sondern auch die finanziellen Mittel. Wir hätten uns von Geldgebern abhängig gemacht. So sind wir letztendlich - zum Glück - beim elektrisch betriebenen Cruiser gelandet.

Johammer J1

Fahrgefühl "Tanzen auf der Straße": Der Johammer J1

Warum gerade ein Elektro-Cruiser?

Ein Cruiser deshalb, weil diese Fahrzeugart Genuss, Freiheit und Lebensfreude am besten vereint. Außerdem hatte sich das bis dahin noch niemand vor uns getraut. Wir waren und sind in diesem Segment bis heute die einzigen. Ein weiteres, bereits vorhandenes Produkt war wenig reizvoll und ein elektrisches Motorrad im Grunde seit 20 Jahren überfällig! Wichtig war natürlich eine akzeptable Reichweite. Zu dieser Zeit hielt man eine Reichweite von 100 Kilometern für nicht realisierbar. Ein Cruiser muss aber auf 200 Kilometer kommen, damit der Fahrspaß garantiert ist. Das war unsere Herausforderung. Als Ergebnis sollte am Ende ein Fahrgefühl stehen, dass ein Kunde mit „Tanzen auf der Straße" beschrieben hat.


Was waren die Schwierigkeiten bei der technischen Entwicklung?

Anspruchsvoll war das ausgewogene Zusammenspiel der vielen Neuerungen. Vor allem, weil es kaum Erfahrungswerte gibt und man sich auf nichts verlassen kann. Schwierig war, als wir 2011erkennen mussten, dass uns kein Akkuhersteller einen Akku liefern kann, der unseren Ansprüchen gerecht wird. Da mussten wir erkennen: Wer die Akkutechnik nicht beherrscht, hat keine Chance am Markt. Das auch noch zu stemmen war nicht einfach. Förderungen gab es damals natürlich kaum.

Johammer Batterie

Liefert 250 Kilometer Reichweite: Das Batteriemodul im Johammer J1

 

2011 haben Sie dann also mit der Entwicklung eines eigenen Akkus begonnen. Wie sollten die Batteriemodule aufgebaut sein?

Einerseits ist die Bauform der Zellen wichtig. Für mobile Anwendungen sind stabile Bauformen und eine hohe Energiedichte essenziell. Wir haben uns daher für Rundzellen entschieden. Die Chemie ist verantwortlich für Kapazität, beziehungsweise Energiedichte, Lade- und Entladeströme sowie Zyklenfestigkeit, in Verbindung mit den Umgebungsbedingungen wie zum Beispiel der Temperatur. Die Betriebstemperatur insgesamt und natürlich die Temperaturhomogenität bestimmen die Lebensdauer moderner Akkusysteme im hohen Maß. Auf Grund der hohen Kosten werden Akkupacks aber so klein wie möglich dimensioniert, was leider zu Erwärmung und Reduktion der Lebensdauer führt. 

Es kommen daher nur Hersteller aus Japan und vereinzelt süd-koreanische Hersteller in Frage. Wobei wir mit Panasonic mit Abstand die besten Erfahrungen gemacht haben. Keine einzige Zelle ist bisher ausgefallen oder hat Kapazitätsverlust gezeigt. Meist zeigen sich Mängel in der Produktionsqualität der Zellen-Hersteller nach zwei bis drei Jahren. Die Folgen sind bekannt und fatal. Die schwächste Zelle ist bestimmend für das gesamte Akkupack. Letztendlich haben wir nicht nur den Akku selbst entwickelt, sondern auch die Produktionstechnik dazu inklusive der Second-Life-Nutzung.

 

So konnten Sie dann die 200 Kilometer Reichweite erreichen.

Richtig. Heute kommen wir sogar auf bis zu 250 Kilometer bei 70 Kilogramm. Ein herkömmlicher Cruiser braucht für 100 Kilometer Reichweite circa 5,5 kWh - von 3,5 kWh für Berganfahrten bis zu 6,5kWh für Fahrten auf flacher Ebene. Der Johammer J1.200 liegt mit einer Akkukapazität von 12,7 kWh deutlich darüber. Zum Vergleich: Ein Elektroauto braucht ohne Heizung und Klimaanlage circa 18 bis 20 kWh für 100 Kilometer. Und die Batterieleistung bleibt auch sehr lange erhalten: Einer unserer Kunden der ersten Stunde hat bereits nahezu 50.000 Kilometer absolviert und konnte noch keinen Kapazitätsverlust feststellen.


Worin unterscheidet sich der E-Cruiser Johammer J1 noch von Konkurrenzmodellen?

Anders ist zum einen der Rahmen, der durch die kürzeste Verbindung zwischen zwei Rädern besonders leicht und stabil ist. Wir haben außerdem auf ein Teleskop verzichtet und konnten damit Gewicht einsparen und die Wartung reduzieren. Auch, wenn es in der Entwicklung aufwendig war, den Antrieb im Hinterrad zu integrieren, haben sich die Anstrengungen doppelt gelohnt: So ist der Antrieb wartungsfrei und unschlagbar im Wirkungsgrad. Mit dem Dual-(Gas-)Stromgriff können unsere Kunden gleichzeitig beschleunigen und rekuperierend bremsen.

Die Anzeigen und Infos dazu haben wir in den Rückspiegeln integriert, da es ohnehin naturgemäß keine optimal passenden Instrumente für E-Fahrzeuge gibt. Zuletzt ist das charakteristische Chassis nicht nur manntragend, sondern schützt auch die Technik darunter und ist dabei pflegeleicht.

 

Mit diesen Besonderheiten erhöhen Sie auch allgemein die Attraktivität von elektrischen Motorrädern.

Mobilität ist einerseits ein Grundbedürfnis, wenn dies jedoch übermäßig zu Lasten anderer Qualitäten geht, müsste sich normalerweise das Produkt entsprechend weiterentwickeln, um diesen Nachteil auszugleichen. Dazu ist Technik da. Tatsächlich ist dies nicht, bzw in eine andere Richtung passiert, weil allzu oft die kurzfristige Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Von Seiten der Politik ist leider auch zu wenig Initiative ausgegangen. Aber jammern hilft nichts, es selber besser machen ist meiner Meinung nach der Schlüssel. 

Grundsätzlich sind Energiewende und Mobilität gesamthaft zu betrachten. Das eine bedingt das andere und umgekehrt. Einspurige Fahrzeuge spielen dabei eine ganz besondere Rolle, weil damit ein drittes Problem entschärft werden kann: Das Platzproblem in den Städten. Leider wird dies von der Politik nicht entsprechend berücksichtigt. In Zukunft, in den Städten ist das bereits jetzt gut sichtbar, können elektrische Zweiräder unseren Mobilitätsbedürfnissen besser gerecht werden. 

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hammerschmid. (sih)

 

Das komplette Interview ist in der aktuellen Ausgabe des eMobilJournals erschienen. 

Bildquelle: Johammer e-mobility GmbH